SJB | Korschenbroich, 24.10.2014. Sie ist Linken-Politikerin, er Wirtschaftsprofessor und Vermögensverwalter: Auf den ersten Blick haben Sahra Wagenknecht und Max Otte nicht viel gemeinsam. Doch beim Thema Niedrigzinsumfeld und Sparstrategien sind die beiden einer Meinung. Warum Wagenknechts Position alles andere als links ist, wie es mit dem Dax weitergeht und woher der niedrige Goldpreis kommt, erklärt Otte im Gespräch mit DAS INVESTMENT.com.
DAS INVESTMENT.com: In Ihrem Dax-Interview im Sommer rechneten Sie damit, dass der Dax in absehbarer Zeit die 11.000-Punkte-Marke erreichen wird. Nun fiel der deutsche Leitindex im Oktober auf unter 8.600 Punkte. Wo lag der Fehler in Ihrer Prognose?
Max Otte: Warum Fehler? Ich habe ja nicht gesagt, wann ich mit dem 11.000-Punkte-Stand rechne, sondern nur eine mittelfristige Prognose abgegeben. Und an dieser halte ich immer noch fest.
Trotz der jüngsten Kurseinbrüchen?
Otte: Sie sind auf psychologische Faktoren zurückzuführen – und zwar auf die aktuellen Krisen und die steigenden Krisenängste. Vor allem institutionelle Investoren sind davon betroffen: Sie machen derzeit einen Großteil der Aktien-Verkäufer aus. Der Auslöser der jüngsten Börsenkorrektur ist die Ukraine-Krise, die Europa schadet und den USA nützt. Amerika profitiert von den Unruhen in Europa. Das zeigt auch das Wachstum der Konzerne, der in Europa bei 0, in den USA aber immerhin bei 5 Prozent liegt. Amerika führt Wirtschaftskrieg zu Lasten Europas.
Haben die Sanktionen gegen Russland etwas damit zu tun?
Otte: Auf jeden Fall. Sie schaden Europa – und vor allem Deutschland. In den USA wird es vielleicht nicht ungern gesehen, wenn Europa geschwächt ist und dort Unsicherheiten aufkommen. Dann kann Amerika bestimmen, wo es in Europa lang geht. Europa macht mittlerweile keine eigenständige Politik mehr. Egal, welche Bereiche der Weltpolitik man nimmt: Man findet keine wirklich europäischen Positionen.
Zurück nach Deutschland: Was sollen Anleger mit ihren Aktien tun – verkaufen oder aufstocken?
Otte: Ich würde derzeit niemandem raten, seine Aktien zu verkaufen. Immerhin sind sie jetzt attraktiver bewertet als im Sommer. Wer noch keine oder nur wenig Aktien hat, sollte die günstigen Bewertungen ausnutzen und kaufen. Ich selbst bleibe weiterhin in deutschen Aktien drin.
Ukraine-Krise, IS-Terror: Üblicherweise flüchten Anleger in Krisenzeiten in Gold. Aber nicht diesmal.
Otte: Wie kommen Sie darauf? Die Deutschen haben derzeit mit 4 bis 5 Prozent fast genauso viel Gold wie Aktien im Portfolio.
Aber die Goldbestände im größten Gold-ETF, dem SPDR Gold Trust, sind am Montag so stark zurückgegangen wie seit zwölf Monaten nicht mehr.
Otte: Man sollte das ETF-Gold nicht mir physischem Gold verwechselt. Die derzeitigen Gold-ETF-Verkäufer sind Spekulanten, ihre Transaktionen haben nicht viel mit den Fundamentaldaten zu tun. Die Nachfrage nach physischem Gold hingegen ist nach wie vor da.
Und wie kommt es dann zu den niedrigen Goldpreisen?
Otte: Vielleicht, weil Goldman Sachs einen niedrigen Kurs ausgibt und andere Banken darauf aufspringen. Die Meinungsmacht der Marktführer ist schon sehr hoch. Ich finde, dass jeder Gold im Portfolio haben sollte.
Sie auch?
Otte: Selbstverständlich. Ich habe Gold – sowohl privat, als auch im Fonds. Gerade kürzlich habe ich für den PI Global Value noch mehr Edelmetall gekauft. Nun machen Gold und Goldminen 12 Prozent des Portfolios aus.
In einem „Bild“-Artikel spricht die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht angesichts des derzeitigen Niedrigzinsumfelds von einer Enteignung der Sparer. Sie fordert die Menschen auf, ihr Erspartes vom Konto abzuheben und in den Sparstrumpf zu legen. Sie stimmen ihr laut dem „Bild“-Artikel zu. Seit wann sind Sie links?
Otte: Warum links? Ich finde die Position von Frau Wagenknecht sehr bürgernah. Schließlich wehrt sie sich ja gegen Enteignungen – im Gegensatz zu der typischen linken Position, die Enteignungen zu politischen Zwecken befürwortet. Im Übrigen komme ich gerade vom Regionalbanken-Forum der LBBW, wo die Enteignung der Sparer durch die niedrigen Zinsen ebenfalls ein großes Thema war. Schließlich macht der Bürger mit seinem Sparkonto keinen Gewinn und trägt auch noch das Risiko der Bank.
Und deshalb soll er sein Geld vom Konto abheben und in einen Sparstrumpf legen?
Otte: Falls er sehr risikoscheu ist, dann ja. Sparstrumpf ist derzeit besser als Bankkonto. Ansonsten würde ich natürlich Aktien und Sachwerten den Vorrang geben.
Wie sieht eine ideale Asset Allocation für einen mittel- bis langfristig orientierten Anleger Ihrer Meinung nach aus?
Otte: 60 Prozent Aktien, wenig oder keine Anleihen, etwas Edelmetalle und Liquidität. Der norwegische Staatsfonds macht uns das vor.
Von: Svetlana Kerschner
Quelle: Das Investment.