Das Investment: „Es gibt einige Länder, denen wir noch nicht trauen“

sjb_werbung_das_investment_300_200  SJB | Korschenbroich, 30.04.2013. Viele Schwellenländer sind politisch und rechtlich instabiler als Industriestaaten. Carlos von Hardenberg, Manager des Templeton Frontier Markets Fund, erklärt, wie er diese Risiken minimiert, warum er in Nigeria investiert, aber nicht in Venezuela und warum schlechte Schlagzeilen ein Vorteil für Bangladesch sind.

DAS INVESTMENT.com: Von der Wachstumsstory der Emerging Markets sind viele Anleger überzeugt. Sie fürchten dort jedoch politische und rechtliche Unsicherheiten. Eine begründete Angst?

Carlos von Hardenberg: Die Risiken in den Emerging Markets sind sicherlich größer als in den entwickelten Ländern. Es gibt mehr politische Volatilität. Die wirtschaftlichen Systeme sind noch nicht so stabil. Die Zentralbanken sind zum Teil stark politisch beeinflusst. Auf der Unternehmensebene mangelt es oft an Transparenz. Den größten Fortschritt hat die Buchführung gemacht. Die Unternehmen der Schwellenländer halten sich an internationale Standards, veröffentlichen quartalsweise Zahlen.

DAS INVESTMENT.com: Wie kann man sich vor den Risiken schützen?

von Hardenberg: Keiner sollte sein ganzes Vermögen in einem einzigen Land investieren. Diversifizierung ist für uns eine wichtige Grundlage, um eventuelle Risiken zu minimieren, die man nicht erkennen kann oder übersieht.

DAS INVESTMENT.com: Ihr Fonds ist breit diversifiziert. In vielen Ländern hat er nur eine Gewichtung von 3 bis 5 Prozent. Wie halten Sie hier den Überblick?

von Hardenberg: Wir sind ein großes Team von 80 Kollegen mit einem Netz aus 18 Büros in den Emerging Markets, das wir weiter ausbauen. Analysten treffen sich mit den Unternehmensleitungen. Sie recherchieren aber auch um das Unternehmen herum, sprechen mit Kunden, Zulieferern oder ehemaligen Mitarbeitern. Neben der Bewertung der Unternehmenszahlen ist vor allem die Qualität und Zuverlässigkeit des Managements wichtig. Wir kaufen Firmen, die einen guten Ruf genießen, und sich die an Grundprinzipien guter Unternehmensführung halten. Von Gesellschaften, bei denen wir merkwürdige Anzeichen erkennen, lassen wir die Finger (Geld, Öl & Maggi: Drei Aktien aus dem Templeton Frontier Markets Fonds).

DAS INVESTMENT.com: Was sind das für Anzeichen?

von Hardenberg: Es gab beispielsweise eine Firma aus dem Pharmabereich, die immer sehr viel Cash auf der Bilanz hatte, das sie nicht nutzte oder an Investoren auszahlte. Das Unternehmen konnte uns dieses Verhalten nicht erklären, und wir verkauften den Titel. Kürzlich stellte sich heraus, dass das Geld gar nicht vorhanden ist.

DAS INVESTMENT.com: Welche Rolle spielen politische und rechtliche Rahmenbedingungen eines Schwellenlandes für die Titelauswahl?

von Hardenberg: Je weiter ein Land entwickelt ist, desto weniger wichtig ist die Politik. Aber in einigen Emerging Markets wie zum Beispiel Vietnam, Bangladesch und vielen afrikanischen Staaten spielt die Politik noch eine wichtige Rolle und hat eine extrem hohe Korrelation mit der Performance der Märkte. Bei anstehenden Wahlen beispielsweise führt oft schon allein die Möglichkeit, dass jemand an die Macht kommen könnte, der das ganze System umschmeißen will, zu massiven Verkäufen an den Aktienmärkten. Allerdings hat sich die Situation in den vergangenen Jahren stark verbessert.

DAS INVESTMENT.com: Auch in Afrika?

von Hardenberg: Ja, selbst in Afrika. In den vergangenen zwei Jahren gab es dort rund 20 Wahlen. Die meisten liefen relativ gesittet ab mit einer geordneten Machtübergabe an die Nachfolgeregierung. Dieser positive Trend hängt auch damit zusammen, dass es den Leuten einfach besser geht. Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich in Afrika in den vergangenen sieben Jahren verdoppelt. Die Leute haben mehr Geld im Portemonnaie, die Arbeitslosigkeit ist extrem gefallen. In den meisten afrikanischen Ländern haben die Menschen Zugang zu modernen Konsumgütern, zu Wasser und Lebensmitteln. Es gibt Bankkonten und Kredite („Wie Asien in den 70er Jahren“).

DAS INVESTMENT.com: Wann würden Sie sich aus einem Land zurückziehen?

von Hardenberg: Wenn der gesellschaftliche Frieden, der aus dem wirtschaftlichen Erfolg der Schwellenländer resultiert, nicht mehr gegeben ist. Wenn die Armut sich ausbreitet, die Inflation steigt, die Banken ihre Türen schließen, ausländisches Kapital abgezogen wird. Das sind Warnsignale, auf die wir sehr genau achten. Als Konsequenz ziehen wir unsere Gelder ab. Das haben wir in Venezuela gemacht und in Argentinien. Auch von Syrien haben wir uns Gott sei Dank früh genug verabschiedet.

DAS INVESTMENT.com: Gibt es Schwellenländer, in denen Sie interessante Unternehmen sehen, wo Sie aber den politischen Rahmenbedingungen noch nicht trauen?

von Hardenberg: Davon gibt es eine ganze Menge. Im Iran dürfen wir nicht investieren. Langfristig könnte das ein sehr interessanter Markt werden – aufgrund der großen, arbeitswilligen Bevölkerung. Auch in Venezuela würden wir sehr gerne investieren, konnten es aber wegen der politischen Rahmenbedingungen bisher nicht. Ausländisches Kapital wurde dort einfach verstaatlicht. Die Regierung hat auch kein Interesse, dass Portfolio- oder direkte Investoren ins Land kommen.

Argentinien hat sich in der letzten Zeit leider in die falsche Richtung bewegt. Eine von Spaniern kontrollierte Ölfirma wurde verstaatlicht, ebenso Banken. Importe werden massiv eingeschränkt. Ausländische Transaktionen werden von der Zentralbank kontrolliert und zum Teil sehr eingeschränkt. Langfristig sehen wir im Emerging Market Argentinien ein riesiges Potenzial, kurzfristig können wir uns dort allerdings nicht engagieren. Wir beobachten allerdings die Unternehmen, um schnell investieren zu können, wenn der rechte Zeitpunkt kommt.

DAS INVESTMENT.com: Gibt es weitere Schwellenländer, bei denen Sie in den Startlöchern stehen?

von Hardenberg: Wir schauen uns zurzeit in Bangladesch um. Das Land ist in einer schwierigen politischen Phase, ist aber ein hochinteressanter Markt mit großen Wachstumschancen und tollen Firmen. Bangladesch ist ein typischer Emerging Market mit sehr vielen schlechten Schlagzeilen, wo großer Pessimismus vorherrscht und eigentlich keiner investieren will. Das sind genau die Gelegenheiten, die mittel- und langfristig zu einer guten Performance im Portfolio führen.

Im Frontier Market Fund haben wir 2009 und 2010 aggressiv in Vietnam eingekauft. Zu dem Zeitpunkt wollten alle raus, auch viele deutsche Investoren. Die Währung und der Markt sind um insgesamt 80 Prozent gefallen. Wir haben gekauft und wurden damals dafür kritisiert. Vietnam ist einer der Hauptfaktoren, warum unsere Performance gegenüber dem Index so gut gelaufen ist. Diese Strategie, früh dabei zu sein, versuchen wir auch in anderen Schwellenländern umzusetzen.

DAS INVESTMENT.com: Nigeria ist mit knapp 13 Prozent eines der am stärksten gewichteten Länder im Fonds. Was macht es so attraktiv?

von Hardenberg: Nigeria hat eine traurige Vergangenheit mit dem Biafra-Krieg in den 60er Jahren. Die Erträge aus den Ölvorkommen flossen über Dekaden auf ausländische Konten von korrupten Machthabern, das Land versank in Armut. In den letzten zehn Jahren gab es eine dramatische Kehrtwende. Es wurden sehr pragmatisch, auch mit ausländischer Hilfe, Entscheidungen getroffen, die der Wirtschaft sehr geholfen haben und immer noch helfen.

Die Regierung holte viele im Ausland ausgebildete Nigerianer ins Land zurück und ermöglichte es ihnen, Unternehmen zu gründen. Der Öl- und Gas- sowie der Energiesektor werden privatisiert. Banken wurden rekapitalisiert und vergeben wieder Kredite. Viele große ausländische Konzerne sind in Nigeria aktiv. Wenn Sie mit den Leuten im Land sprechen, spüren Sie, dass wieder ein gewisses Vertrauen in den eigenen politischen Apparat besteht. Die Menschen blicken optimistisch in die Zukunft. Die Zinsen sind gefallen, die Währung ist mittlerweile sehr stabil. Die Börse die 2007 und 2008 fast 90 Prozent gefallen ist, hat 2012 und auch 2013 bisher gut performt, vom Höchststand ist sie aber noch ein gutes Stück entfernt.

Von: Sabine Groth

Quelle: DAS INVESTMENT.

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