Der Brexit ist kein Auslöser einer Krise in Europa, sondern deren Folge. Schon lange wächst das Unbehagen der Bürger gegenüber den europäischen Institutionen, werden die eurokritischen Bewegungen gestärkt. Der Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen ist dabei nur ein Symptom.
Doch gehen wir der Reihe nach vor: Am Anfang der Entwicklung stand die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die Abschaffung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen zur Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes brachte allen Vorteile und wurde allgemein begrüßt. Es gab auch bereits eine gemeinsame Währung, den ECU (European Currency Unit), auch wenn dieser mehr als Verrechnungseinheit diente und man damit nicht zahlen konnte. Die Probleme begannen mit der Einführung des Euro, weil man dummer-weise gleichzeitig die nationalen Währungen abschaffte.
Es war den Verantwortlichen auch klar, dass eine gemeinsame Währung ohne einheitliche Wirtschafts- und Fiskalpolitik auf Dauer nicht funktionieren kann. Deshalb wurden mit den Verträgen von Maastricht einheitliche und verbindliche Regeln aufgestellt. So sollte die Neuverschuldung eines Landes auf 3 Prozent der Wirtschaftsleistung beschränkt werden und jedes Land war für die Folgen seines Tuns selbst verantwortlich und konnte keine Hilfe von den anderen Ländern erwarten.
Leider war Deutschland eines der ersten Länder, die gegen die Maastricht-Verträge verstießen. Von da an wurde dies zur Regel. Wir wissen schon aus der Kindererziehung, wie verhängnisvoll es ist, wenn man Regeln aufstellt und diese dann nicht einhält. Gleichzeitig wurde ein Bürokratie-Monster mit fast 50.000 EU-Beamten geschaffen, was in einer Flut neuer Regulierungen mündete. Dies setzt insbesondere die Wirtschaft immer mehr unter Druck.
Die eigentlichen Probleme liegen aber ganz woanders. Da ist zum einen die Ausweitung des Wohlfahrtsstaates, der zu einer immer höheren Staatsverschuldung führt. Diese hat inzwischen in fast allen Staaten ein Niveau erreicht, das weder durch Sparen noch durch Wirtschaftswachstum wieder zurückgeführt werden kann. Gleichzeitig entwickelt sich die Wirtschaft sehr unterschiedlich. In Italien beispielsweise sind die Löhne deutlich gestiegen, was zu einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit und einer hohen Arbeitslosigkeit geführt hat. In Deutschland stagnierten infolge der Agenda 2010 dagegen die Reallöhne, was zu einer steigenden Exporttätigkeit und einer guten Beschäftigungslage führte. Entsprechend kontrovers ist die Interessenlage beider Länder. Dies muss auf Dauer unweigerlich zu Spannungen führen und erhöht die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Europäischen Union.
Wie wirkt sich der etwas überraschende Brexit auf die Kapitalmärkte aus und führt er zu Änderungen in unserer Anlagestrategie? Die Aktienmärkte haben zunächst einmal einen weiteren Schlag abbekommen und die Anleger fühlen sich in ihrer Risikoaversion bestätigt. Die europäischen Börsen befinden sich seit April des vergangenen Jahres in einem intakten Abwärtstrend, zumal die Wirtschaft von einer hartnäckigen Gewinnrezession geplagt wird. Viele haben sich seit 2007 nicht mehr richtig erholt (Grafik 1).
Durch die Kursrückgänge hat sich längerfristig ein erhebliches Kurspotenzial aufgebaut. Viele gute Qualitätsaktien liegen heute 30 bis 40 Prozent unter ihrem Hoch. Wir bleiben bei unserer Strategie, Kursrückschläge für Zukäufe zu nutzen. Ob unsere präferierte Kaufzone zwischen 8000 und 9000 Punkten in DAX noch erreicht wird, lässt sich schwer abschätzen. Die Schwäche bei den Bankaktien könnte ein Indiz dafür sein, dass die Chancen dafür gar nicht so schlecht stehen.
Klar ist, dass sich der Brexit auf das weltweit anämische Wirtschaftswachstum nicht unbedingt positiv auswirkt. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass neue Konjunkturprogramme aufgelegt und die Notenbanken mit dem Fuß auf dem Gaspedal bleiben werden. Verweigert sich Europa den notwendigen Reformen, könnte dem Euro als Anlagewährung zunehmend das Vertrauen entzogen werden. Davon würde der US-Dollar profitieren, den man deshalb etwas stärker in seine Überlegungen einbeziehen sollte.
Am 13.06.2016 feierte unser Winbonds plus ein Jubiläum: Er kann nun auf eine 10-jährige Fondshistorie zurückblicken. Was auf den ersten Blick als ein kurzer Zeitraum erscheint, ist tatsächlich jedoch ein beachtliches Alter. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass einiges passiert ist: Krisen, schwacher Euro und ein niedriges Zinsumfeld haben das letzte Jahrzehnt geprägt. Daher freut es uns besonders, dass unser Fonds in diesem Umfeld mit einem Plus von 91,7 Prozent eine überdurchschnittlich gute Wertentwicklung vorweisen kann. Vorsorge braucht Beständigkeit – auch oder gerade in turbulenten Zeiten (Grafik 2).
Von: Peter E. Huber
Quelle: DAS INVESTMENT.