China hat zuletzt vor allem durch sein schwächelndes Wirtschaftswachstum Schlagzeilen gemacht. Doch für Mark Mobius, Chef der Templeton Emerging Market Group, ist das Aufblühen neuer Wirtschaftszweige und Dienstleistungen im Land die eigentliche Story. Er erläutert, warum er zurzeit besonders auf die Musik- und Kosmetikbranche setzt.
Das nachlassende Wachstum in China wird wegen seiner Auswirkungen auf die Rohstoffpreise, mit großer Sorge gesehen. Dabei wird vor allem auf die Preisausschläge beim Rohöl geschaut, obwohl Chinas Anteil am weltweiten Ölverbrauch nur etwa 12 Prozent beträgt und damit deutlich geringer ist als der der USA.
Die Preisentwicklung anderer Rohstoffe, bei denen Chinas Anteil am Weltverbrauch größer ist, dürfte daher in weitaus höherem Maße durch die schwächelnde chinesische Nachfrage beeinflusst werden.
Energie- und Metallverbrauch wird langfristig steigen
2014 hatte China beispielsweise einen Anteil von 22 Prozent am weltweiten Getreideverbrauch. Beim weltweiten Metallverbrauch hat sich der Anteil sogar mehr als verdreifacht: von 13 Prozent im Jahr 2000 auf 47 Prozent im Jahr 2014. Das Land ist einer der Hauptverbraucher von Aluminium, Nickel, Kupfer, Zink, Zinn und Eisenerz.
GRAFIK: Chinas Wirtschaft und ihr maßgeblicher Einfluss auf die Metallpreise
Darüber hinaus verbraucht China natürlich nicht nur Rohstoffe. Die wachsende Mittelschicht hat mit ihrer inzwischen enormen Kaufkraft dafür gesorgt, dass im Inland viele neue, für Anleger sehr interessante Wirtschaftszweige entstanden sind. Dazu zählen unter anderem Kosmetik sowie Unterhaltung wie Kinos und Musik.
Chinas Wandel von einem vorwiegend exportabhängigen hin zu einem durch den Binnenmarkt getriebenen Wirtschaftsmodell geht also weiter. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes wächst jedoch insgesamt langsamer. Ein Wachstumsrückgang ist zu erwarten, da China in den letzten beiden Jahrzehnten enormes Wirtschaftswachstum verzeichnet hat.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass der Dollarwert der Volkswirtschaft enorm gestiegen ist. Es wird viel darüber diskutiert, wie sich Chinas Rohstoffnachfrage im Zuge der Änderung des Wirtschaftsmodells verändern wird. Wir denken, dass Chinas Energie- und Metallverbrauch langfristig eher steigen als zurückgehen wird. Das Land wird noch sehr viel mehr Wachstum und Infrastrukturausbau brauchen als die Industrieländer. Diese anhaltende Nachfrage dürfte durch Migration aus den ländlichen Bereichen Chinas in die Städte noch befeuert werden. Nichtsdestotrotz haben Rohstofferzeuger die Nachfragesteigerungen aus China und anderen Teilen der Welt möglicherweise überschätzt.
Stahlproduktion boomt
Die Nachfrage nach Eisenerz ist für China besonders wichtig. Es ist eine Hauptkomponente von Stahl – und China hat einen Anteil von 50% an der weltweiten Rohstahlherstellung. Natürlich dürfte dieser Anteil zurückgehen, wenn sich Chinas Wirtschaft stärker auf Konsum ausrichtet. Dann hängt ihr Wachstum weniger stark von der Infrastruktur ab, während andere Länder wie zum Beispiel Indien in eine Phase starker Infrastrukturentwicklung eintreten. Momentan ist Chinas Einfluss jedoch so groß, dass der globale Richtpreis für Eisenerz, der früher in Japan bestimmt wurde, inzwischen auf dem Preis bei Lieferung in chinesischen Häfen basiert.
GRAFIK: Fertigstahlnachfrage: China ist der Hauptverbraucher
Chinas Boom in der Stahlproduktion hat jedoch seinen Preis: die starke Luftverschmutzung in der Hauptstadt Peking. Ministerpräsident Li Keqiang hat geschworen, für mehr Luftreinheit zu sorgen. Er plant unter anderem hohe Geldstrafen für Verstöße gegen Umweltgesetze und -vorschriften. Als Anfang September in Beijing Feierlichkeiten anlässlich des 70. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs stattfanden, blieben Tausende Stahlwerke in der Region geschlossen. Auch auf Hunderten Baustellen wurde die Arbeit eingestellt, um die Umweltbelastungen für die Dauer der Veranstaltungen zu reduzieren.
Die Regierung hat darüber hinaus Maßnahmen ergriffen, um die Überkapazitäten in der Stahlherstellung in den Griff zu bekommen. Ein Teil der Produktion in der Provinz Hebei, die den Großteil des Smogs in Peking verursacht, wird in Küstenbereiche verlegt. China wird voraussichtlich auch die Wiederverwertung von Stahl steigern, was Auswirkungen auf die langfristigen Trends für Produktion, Umweltverschmutzung und Preise haben dürfte.
Natürlich kann niemand vorhersagen, wohin die Rohstoffpreisentwicklung geht. Wir wissen aber, dass sich China aufgrund seines hohen Rohstoffverbrauchs zu einem Zentrum des Rohstoffhandels entwickelt, der früher durch London und New York dominiert wurde. Ein Beispiel dafür ist die Übernahme der London Metal Exchange im Jahr 2012 durch die Hong Kong Exchanges and Clearing Ltd.
Die globale Musikindustrie entdeckt China
Die Sorge um Chinas Rohstoffnachfrage ist sicherlich legitim. Mir scheint jedoch, dass das Aufblühen neuer Wirtschaftszweige und Dienstleistungen in China eine noch überzeugendere Story ist. Es ergeben sich neue Anlagechancen dadurch, dass sich der Verbrauchergeschmack ändert, die Löhne steigen und die Mittelschicht wächst. Heute finde ich in China Branchen, die es in den letzten Jahrzehnten noch nicht gab und die heute die Wirtschaft prägen.
Ein Beispiel dafür ist die Musik – Karaoke erfreut sich offensichtlich immer größerer Beliebtheit. Die Beliebtheit der verschiedenen chinesischen Musiker einzuschätzen ist in China jedoch noch komplizierter als in anderen Ländern. In den USA gibt es Billboard, eine Fachzeitschrift der Musikbranche mit Listen der meistverkauften Songs und Alben. In China dagegen gibt es mehrere Musikcharts. Ein chinesischer Anbieter für Musikvideo-Streaming will jetzt die Führung übernehmen, indem er sich mit Billboard zusammenschließt. Auf seiner Website sollen jede Woche die Statistiken für die chinesische Popmusik veröffentlicht werden. Inzwischen nimmt auch die globale Musikindustrie den zunehmenden Einfluss der chinesischen Verbraucher zur Kenntnis. Die US-Rockband Bon Jovi hat zum Beispiel kürzlich einen beliebten Titel auf Mandarin aufgenommen.
Noch ist der chinesische Musikmarkt dennoch klein. Nach Angaben der International Federation of the Phonographic Industry beliefen sich die geschätzten Einnahmen aus digitaler Musik für 2014 auf 91 Millionen US-Dollar. In den USA waren es dagegen 3,5 Milliarden. Statistiken zufolge hören über 400 Millionen Menschen in China online Musik. Die wenigsten davon sind allerdings bereit, dafür zu bezahlen. Es müssen neue Wege gefunden werden, Zuhörerschaft zu messen und Einnahmen zu erzielen. Eine Branchenwebsite, die wöchentlich die Beliebtheit der Titel anhand von Fan-Clicks misst, veröffentlicht diese Informationen zusätzlich zu Daten aus Microblog-Plattformen. Viele chinesische Fans sind dagegen bereit, dafür zu zahlen, dass ihre „Likes“ beziehungsweise Favoriten im Internet bekannt gegeben werden.
Kosmetik-Konsum: China schließt zu den USA auf
Die Verstädterung Chinas nimmt zu und die Prokopfeinkommen steigen. Da überrascht es nicht, dass das Land auch in anderen Konsumbereichen zu den USA aufschließt, zum Beispiel bei Kosmetika. Chinas Jahresumsätze an Schönheits- und Körperpflegeprodukten steigen schneller als die globalen Kosmetikumsätze. Voraussichtlich werden die gesamten Hautpflegeumsätze in Asien dieses Jahr fast die Hälfte des weltweiten Gesamtumsatzes an diesen Produkten ausmachen.
In Chinas Kosmetik- und Hautpflegemarkt dominieren größtenteils ausländische Marken, so dass die einheimischen Firmen noch Aufholbedarf haben. Südkorea spielt in diesem Bereich eine wichtige Rolle: Ein Viertel seiner Kosmetikexporte gehen nach China. Der Kosmetikvertrieb erfolgt in China durch Super- und Hypermärkte, Warenhäuser, Kosmetikfachgeschäfte und online.
Für die Musik- und Kosmetikbranche, aber auch für andere Branchen, sehen wir eine rosige Zukunft im bevölkerungsreichsten Land der Erde. Auch wenn China jetzt langsamer wächst als in den letzten Jahrzehnten, braucht uns das keine Sorgen zu machen. Wir denken, dass China weiterhin ein mächtiger globaler Wachstumsmotor sein wird, dessen Einfluss in diversen Wirtschaftszweigen noch viele Jahre lang zu spüren sein wird.
Von: Mark Mobius
Quelle: DAS INVESTMENT.