Regulierungen wie beispielsweise Basel III sollen den Finanzsektor robuster machen. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat untersucht, welche Auswirkungen das auf die Baubranche hat.
Die Bedeutung der Bankenfinanzierung für die Bauwirtschaft nimmt ab: Trotz starker Konjunktur stagniert das Volumen ausstehender Bankkredite. Insbesondere die Finanzierung durch kurzfristige Bankkredite ist zurückgegangen. Stattdessen werden eher Lieferantenkredite oder das Factoring in Anspruch genommen. Die Inanspruchnahme langfristiger Kredite, etwa zur Finanzierung von Maschinen oder Baufahrzeugen, ist dagegen konstant geblieben.
Bei öffentlichen Bauherren ist dabei zwischen Gebietskörperschaften zu unterscheiden. Während der Bund sich fast ausschließlich über die Platzierung von Anleihen finanziert, sind die Kommunen überwiegend auf die Bankfinanzierung angewiesen. Hier gibt es oft eine Zweckbindung der Kredite für öffentliche Bauvorhaben. Doch es erfolgt mittlerweile eine Ausweitung von Wahlmöglichkeiten der Finanzierungen. So konnten in der jüngeren Vergangenheit Städtekonsortien gemeinsam Anleihen auflegen. Darunter waren auch Städte mit geringer Finanzkraft. Weiterhin zeigten Expertengespräche, dass es generell auch Interesse aus der Versicherungsbranche gibt, Kredite an Kommunen zu vergeben.
Schon in der Vergangenheit wurden die Finanzmarktregeln geändert, was auch Anpassungen bei der Kreditverfügbarkeit zur Folge hatte. Dennoch lassen sich aus diesen Veränderungen kaum Rückschlüsse für die zu erwartenden durch Basel III gewinnen. Zum einen liegt dies daran, dass die Einführung von Finanzmarktregeln häufig durch andere Ereignisse und konjunkturellen Wandel überlagert wird. Zum anderen erfolgt die Einführung nicht zu einem Stichtag, sondern als Prozess. So haben die Banken beispielsweise mit der Einführung von Basel III längst begonnen, obwohl die genaue Ausgestaltung teilweise noch offen ist. Ohne einen großen zeitlichen Vorlauf lassen sich zahlreiche Anforderungen jedoch nicht umsetzen. Dies macht die Abschätzung der Auswirkungen generell schwierig. Aufbauend auf den geführten Experteninterviews mit Bankvertretern und eigenen Analysen lassen sich jedoch zwei fundierte Thesen über die generellen Auswirkungen von Basel III bezogen auf das Kreditangebot ableiten.
Erstens ist damit zu rechnen, dass sich die Kosten für Kredite auf lange Sicht erhöhen werden, da die Eigenkapitalkosten für Banken höher sind als die Fremdkapitalkosten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen sowohl an die Qualität als auch an die Quantität des Eigenkapitals gestiegen sind und dass aufgrund der Leverage Ratio (ungewichtete Eigenkapitalquote) auch bei primär risikolosen Kreditgeschäften faktisch Eigenkapital unterlegt werden muss.
Neben dem Eigenkapital stellen zudem die Anforderungen an Dokumentationen und an das generelle Monitoring einen Kostenfaktor für die Banken dar. Ob und inwieweit sie die Mehrkosten an die Kunden weitergegeben werden, hängt jedoch von der Wettbewerbssituation im entsprechenden Kreditsegment ab. Schließlich verfügen die Banken aktuell über eine sehr unterschiedliche Eigenkapitalausstattung. Während Sparkassen und Genossenschaftsbanken die Eigenkapitalanforderungen bereits deutlich übertreffen, müssen gerade Großbanken und Realkreditinstitute noch mehr Eigenkapital aufbauen oder aber über Bilanzverkürzungen ihre Geschäftstätigkeit einschränken – was jedoch mit einem geringeren Kreditangebot einhergehen würde. Zudem kann die Regulierung aufgrund der hohen Fixkostenbelastungen auch Zusammenschlüsse in der Bankenbranche forcieren, was die Wettbewerbsintensität vermindern würde.
Zweitens werden sich die Zinsunterschiede zwischen kurz- und langfristigen Darlehen erhöhen. Zukünftig müssen Banken langfristige Finanzierungen fristenkongruent durch langfristige Refinanzierungen abbilden, wobei jedoch, je nach Liquidität und Sicherheit der Aktiv- und Passivpositionen, Abschläge vorgenommen werden müssen. Grundsätzlich können langfristige Darlehen vor allem über Eigenkapital, Einlagen und langfristige Anleihen wie Pfandbriefe refinanziert werden.
Ebenso wie Eigenkapital ist auch der Aufbau zusätzlicher Einlagen schwierig. Zum einen, weil Sparkonten aufgrund der Niedrigzinsphase ohnehin unattraktiv sind. Zum anderen aber auch, weil die Wettbewerbsintensität in diesem Segment bereits sehr hoch ist. Anleihen wiederum werden sich nur teilweise am Kapitalmarkt platzieren lassen. Schließlich ist es aufgrund der neuen Regularien sowohl für Banken als auch für Versicherungen unattraktiver, klassische Bankanleihen zu erwerben.
Bezogen auf die Bauwirtschaft und die öffentlichen Bauherren sind Besonderheiten zu beachten. Die Bauwirtschaft besteht überwiegend aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Um die Kreditversorgung dieser Unternehmen zu gewährleisten, besteht bei der Kreditvergabe nach Basel III der sogenannte Unterstützungsfaktor. Dieser Faktor sieht vor, dass Banken bei der Kreditvergabe an KMU letztlich nicht mehr Eigenkapital als nach Basel II vorhalten müssen. Dementsprechend ist zumindest mit einem geringeren Zinsaufschlag zu rechnen. Da bei der KMU-Finanzierung relativ gesehen weniger Eigenkapital gebraucht wird, ist bereits jetzt der Wettbewerb um diese Kundengruppe verschärft worden.
Berücksichtigt man außerdem, dass die wesentlichen Kreditgeber der Bauwirtschaft die Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind, die ohnehin weniger stark von der Regulierung betroffen sind, und die Bauwirtschaft zudem ihre Abhängigkeit von der Bankfinanzierung in den letzten Jahren vermindert hat, ist daher zumindest in der kurzen Frist kaum mit Auswirkungen zu rechnen. Langfristig werden Großunternehmen wahrscheinlich verstärkt Instrumente der Kapitalmarktfinanzierung nutzen, zumal bei dieser Gruppe aufgrund der Regulatorik mit höheren Zinskosten zu rechnen ist. Neu gegründete Unternehmen oder Unternehmen mit riskanteren Geschäftsmodellen (beispielsweise Projektentwicklung) werden wohl am ehesten Restriktionen spüren. Allerdings ist offen, wie gravierend sich die Regulierung auswirken wird und ob eine Lücke durch andere Banken oder alternative Kreditgeber geschlossen werden kann. Aktuell haben sich die regulatorischen Anforderungen nur marginal für diese Gruppen verschärft. Außerdem bleiben Unsicherheiten bezüglich der Verfügbarkeit von langfristigen Darlehen.
Auch für die öffentlichen Bauherren ist lediglich von moderaten Anpassungen auszugehen. Kredite an Gebietskörperschaften gelten nach Basel III weiterhin als risikolos, sodass es keine direkte Belastung durch höhere Eigenkapitalkosten gibt. Allerdings müssen die Institute künftig auch die Verschuldungsquote (Leverage Ratio) erfüllen, die unabhängig von den eingegangenen Risiken ist. Diese Kennziffer ist vor allem für klassische Staatsfinanzierer wie Realkreditinstitute schwer zu erfüllen, da diese traditionell und aufgrund ihres Geschäftsmodells (großvolumige, jedoch sichere Kreditvergabe) wenig Eigenkapital haben. Schon jetzt ist daher zu beobachten, dass die Realkreditinstitute Geschäftsfelder abbauen. Da insbesondere die Kommunalfinanzierung als margenarm gilt, werden speziell in diesem Bereich Aktivitäten zurückgefahren. Offen ist jedoch, ob andere Bankengruppen diese Lücke schließen. In dem im Rahmen der Studie durchgeführten Expertenworkshops zeigte sich die Mehrzahl der Teilnehmer aber optimistisch, dass die Lücke durch Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Kreditbanken und möglicherweise auch Versicherungen geschlossen werden kann. Schließlich ist die Kreditfinanzierung der Kommunen so lange attraktiv, wie von einer gemeinschaftlichen Schuldenhaftung ausgegangen werden kann. Darüber hinaus beginnen die Kommunen nun zudem ihre Kapitalmarktfinanzierungen auszuweiten, sodass auch über diesen Weg alternative Finanzierungsquellen genutzt werden können. Dieser Weg ist jedoch gerade für kleinere Kommunen kaum gangbar.
Die Auswirkungen auf die Finanzierung der Bauwirtschaft und der öffentliche Bauherren werden nach heutigem Stand somit überschaubar sein. Entsprechend sind keine signifikanten Auswirkungen auf die Bauinvestitionen zu erwarten, zumal eine Analyse des IW Köln auch belegt, dass Zinsänderungen keine signifikanten Effekte auf öffentliche Bauinvestitionen haben. Außerdem darf die Innovationsfähigkeit des Finanzsektors nicht unterschätzt werden.
Allerdings muss berücksichtigt werden, dass es noch zahlreiche Unsicherheiten gibt. Neben der konkreten Ausgestaltung ist beispielsweise auch die Reaktion der Banken noch nicht vorhersehbar. Auch die Auswirkungen auf die Zahl der Banken und damit den Wettbewerb sind noch offen. Außerdem bleibt abzuwarten, wie sich die Banken unter den neuen Regeln in einem normalisierten Zinsumfeld verhalten werden. Schließlich überdeckt die derzeit umfangreich zur Verfügung gestellte Liquidität zumindest zum Teil den regulatorischen Preisdruck.
Darüber hinaus ist es erforderlich, dass sich Bauunternehmen und Kommunen mit alternativen Finanzierungen und mit den Anforderungen der Banken beschäftigen. Nur wenn sich kleine und mittelständische Unternehmen und Kommunen auf die höheren Anforderungen einstellen, werden die Effekte moderat ausfallen. Gerade diesbezüglich scheint es noch Nachholbedarf zu geben. Nach Daten der Deutschen Bundesbank lag die Eigenkapitalquote der Bauunternehmen im Jahr 2004 bei weniger als 15 Prozent, während die Quote im Durchschnitt aller Unternehmen etwa doppelt so hoch war. In den letzten Jahren hat sich das Bild zwar etwas geändert. Der Aufbau des Eigenkapitals fällt aber unterschiedlich stark aus.
Zur Studie: Es wurde untersucht, wie die neuen Finanzmarktregulierungen die Finanzierung der Bauwirtschaft sowie die öffentlichen Bauherren beeinflussen. Insbesondere um die Finanzierungssituation der sehr kleinteiligen Bauwirtschaft darstellen zu können, wurde auf eine Vielzahl an Datenquellen zurückgegriffen. So sind in die Analyse beispielsweise Daten der USTAN-Datenbank der Deutschen Bundesbank eingeflossen, in der Bilanzdaten einer Vielzahl von Unternehmen gesammelt werden. Darüber hinaus wurde eine eigene Befragung durchgeführt, um auch die Finanzierungssituation kleiner Bauunternehmen abbilden zu können.
Die gesamte Studie können Sie hier sehen.
Quelle: DIE IMMOBILIE.