Der IDD-Entwurf aus dem Wirtschaftsministerium hat die Branche kalt erwischt. Der AfW sieht die Existenz des unabhängigen Versicherungsmaklers durch den Gesetzentwurf bedroht. AfW-Vorstand Norman Wirth erklärt die Details.
DAS INVESTMENT: Nach wiederholten Verlautbarungen aus der Politikdurften wir mit einer Eins-zu-Eins-Umsetzung der IDD in deutsches Recht rechnen. Warum sieht das nun ganz anders aus?
Norman Wirth: Dafür gibt es diverse Gründe. An diesem Gesetzentwurf haben die Bundesministerien für Finanz, Wirtschaft und für Justiz und Verbraucherschutz mitgeschrieben. Jedes Ministerium hat eigene Prioritäten und hat versucht diese im Entwurf unterzubringen. Offenbar sollte auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Absicht, die Honorarberatung zu stärken, umgesetzt werden. Das Ergebnis ist völlig inkonsistent und dient mitnichten dem Verbraucherschutz. Das komplette Berufsbild des unabhängigen Versicherungsmaklers steht mit dem Entwurf zur Disposition.
Warum? Der bisherige Versicherungsberater nach Paragraf34e GewO wird in einen neuen Typus Honorarberater überführt, der nun auch vermitteln darf.
Weil dieser neue Versicherungsberater nun mit marktverzerrenden Kompetenzen zu Lasten der 34d-Makler ausgestattet werden soll. Es ist richtig, dass Versicherungsberater künftig auch Versicherungen vermitteln dürfen – gegen Honorar und notfalls auch gegen Provision. Die Provision muss dann allerdings an den Kunden ausgekehrt werden. Gleichzeitig wird aber dem 34d-Makler grundsätzlich untersagt, gegen Vergütung vom Kunden tätig zu sein.
Keine Nettotarife mehr für Makler?
Wörtlich steht im Gesetzentwurf: „Der Versicherungsvermittler darf sich seine Tätigkeit nur durch ein Versicherungsunternehmen vergüten lassen.“ Ironischerweise wird damit der immer wieder von den Pseudoverbraucherschützern herbei geredete Interessenkonflikt gesetzlich zementiert, dass nämlich der Makler im Lager des Kunden steht, aber vom Versicherer bezahlt wird. Der Gesetzentwurf führt damit dazu, dass Makler nicht nur keine Nettotarife mehr vermitteln dürfen, sie können vermutlich auch keine Mischmodelle oder Vergütungen für bestimmte Serviceleistungen mehr vereinbaren. Faktisch erhalten wir so eine Abschaffung des vom Bundesgerichtshof festgestellten Berufsbildes des Maklers als treuhänderischem Sachwalter des Kunden.
Aber Mischmodelle waren doch bisher der hauptsächliche Weg in die Honorarberatung?
Eben, niemand stellt sein Geschäftsmodell über Nacht um. In den vergangenen Jahren haben viele Makler damit begonnen, sich mit alternativen Vergütungsmodellen zu befassen, ihre Servicepalette auszuweiten und sich so im Wettbewerb besser finanziell aufzustellen, um sich etwas unabhängiger von der von den Versicherern festgelegten Höhe der Courtage zu machen. All denjenigen, die diesen Umstellungsprozess begonnen haben, würde jetzt das Wasser abgedreht, falls dieser Entwurf so umgesetzt wird.
Der Makler wird in seiner Unabhängigkeit nachhaltig beschnitten, während ein neuer Typ Honorarberater aufgewertet wird. Welche langfristigen Konsequenzen wird das haben?
Als Interessenvertreter der unabhängigen Versicherungsmakler müssen wir hier den Teufel an die Wand malen. Denn es ist damit zu rechnen, dass es tatsächlich wesentlich mehr neue Honorar-Versicherungsberater geben wird als wir bisher Versicherungsberater haben. Aber das werden dann nicht diejenigen sein, die der Gesetzgeber sich wünscht. Hier werden vor allem große Vertriebe aufspringen und Produkte gegen Erfolgshonorar vermitteln, die so keiner wollen kann. Hier gibt es schon genug negative Beispiele aus der Vergangenheit. Da wird dann eine unverhältnismäßig hohe Erfolgsvergütung vereinbart, ein schlechtes Produkt vermittelt, das vom Kunden kurzfristig wieder gekündigt wird, wobei aber kein Storno bei der Vermittlungsvergütung entsteht. Denn bei der Beratung und Vermittlung von Lebens- oder Krankenversicherungen unterliegen Honorar-Versicherungsberater keiner Stornohaftzeit wie der Makler. Die Qualität der Beratung wird so mitnichten gesteigert. Hier werden die falschen Geister gerufen.
Der Entwurf schreibt auch das Provisionsabgabeverbot fest. Das war doch durch die Rechtsprechung eigentlich schon vom Tisch?
Faktisch bestand es zwar noch, aber das Verwaltungsgericht Frankfurt und jüngst das OLG Köln hatten entschieden, dass das Provisionsabgabeverbot rechtswidrig sei. Zum 30. Juni 2017 war es bereits abgeschafft. Nun aber wird es – entgegen der angekündigten Eins-zu-Eins-Umsetzung – mit zwei Ausnahmeregelungen im Versicherungsaufsichtsgesetz und in der Gewerbeordnung im Paragraf 34d mit der IDD-Umsetzung festgeschrieben, obwohl die IDD derartiges nicht verlangt. Die wesentliche Ausnahme besagt, dass eine Provisionsabgabe dann erfolgen darf, wenn dies zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrages verwendet wird. Das aber kann regelmäßig von einem einzelnen Makler so niemals geleistet werden. In dieser Form ist das nur Versicherungsgesellschaften möglich.
Sie befürchten also eine Wettbewerbsverzerrung über die Provisionsweitergabe?
Ja, definitiv. Insbesondere, da nun die Ausschließlichkeits-Organisationen mit Inkrafttreten des Gesetzes jederzeit auch an die Kunden der Makler herantreten könnten. Denn den Versicherern wird nun ins Gesetz geschrieben, dass sie die Pflicht haben, ihre Kunden auch nach Vertragsschluss nach Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und sie zu beraten – und zwar unabhängig davon, ob der Kunde bereits von einem Makler betreut wird oder nicht. Hier wird ein Halbsatz im Paragraf 6 Absatz 6 VVG gestrichen, der fatale Folgen haben kann. Den Ausschließlichkeitsorganisationen der Versicherer wird somit ein Hebel an die Hand gegeben, die Kunden der Makler mit dem Vorteil der ihnen ermöglichten Provisionsabgabe abzuwerben. Kein Wunder, dass Ausschließlichkeitsvertreter und der GDV den Gesetzesentwurf unisono und nahezu euphorisch begrüßt haben.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Entwicklung zu verhindern?
Bis 12. Dezember 2016 werden die Stellungnahmen der Interessenvertreter und Verbände gesammelt. Danach erfolgt womöglich bereits eine erste Überarbeitung. Wir werden unsere Stimme laut erheben und Einzelgespräche mit den zuständigen Politikern und Ministerien führen. Der Entwurf wird dann voraussichtlich noch am 21. Dezember vom Kabinett beschlossen. Dann beginnt das parlamentarische Verfahren mit Beteiligung von Bundesrat und Bundestag und der zuständige Bundestagsausschuss wird sich damit befassen. Auf jeder dieser Ebenen können und werden wir unsere Einwände einbringen. Die Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit des unabhängigen Maklers halten wir für verfassungs- und europarechtswidrig. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das oben gezeichnete Szenario in jedem Fall abgewendet wird.
Wird Ihnen das gelingen?
Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt, wenn wir die Unterstützung all derjenigen bekommen, die die Makler weiterhin als unabhängige und kundenorientierte Teilnehmer im Markt sehen möchten. Jeder noch nicht in einem Berufsverband organisierte Makler muss sich darüber klar werden, dass er sich einem starken Verband anschließen und gemeinsam für seine selbständige und unabhängige beruflich Zukunft eintreten muss. Wir brauchen ein starkes Aktionsbündnis.
Quelle: Das Investment