Das Investment: Hüfners Wochenkommentar: Der Schweizer Franken – Das „Wunder von Bern“

sjb_werbung_das_investment_300_200Der Schweizer Franken hat abgewertet – sind nun Sorgen um die Schweiz als Anlageland angebracht? Nein, meint Assenagon-Chefvolkswirt Martin Hüfner. Warum die die Abwertung keine Rolle spielt und womit die Schweiz trumpfen kann.

Der Schweizer Franken wertet sich ab. Er ist inzwischen 10 Prozent schwächer als Anfang vorigen Jahres. Das ist nicht nur eine Wechselkursbewegung wie viele andere. Die Schweiz ist nun einmal der Inbegriff des sicheren Hafens in einer unsicheren Welt. Wenn die Währung eines solchen Staates mit einem Mal zu wackeln scheint, muss man das ernst nehmen. Kürzlich schickte mir ein Kollege aus Zürich eine besorgte Mail. Könnte es sein, so fragte er, dass sich das Bild der Schweiz auf den internationalen Märkten von vielen unbemerkt verschlechtert hat? Ist es denkbar, dass die Schweiz im Ausland nicht mehr als Zukunftsmodell gesehen wird, sondern eher als Auslaufmodell?

Die Frage hat mich überrascht, zumal der Kollege normalerweise nicht zu unüberlegten Schnellschüssen neigt. Kann es sein, dass die Schweiz wirklich auf dem Weg ist, ihre Attraktivität zu verlieren? Um meine Antwort vorweg zu nehmen: Ich glaube es nicht. Im Gegenteil. Die Schweiz ist als Anlageland so attraktiv wie schon lange nicht mehr. Je mehr die EU in Probleme hineinläuft, umso mehr brauchen die Kapitalmärkte die Schweiz als Anker der Stabilität und des wirtschaftlichen Erfolges. Hier ein paar Gründe.

Zunächst zur Abwertung. Man darf hier nicht nur auf die aktuelle Entwicklung schauen. Man muss die Entwicklung vielmehr im längerfristigen Zusammenhang sehen. Da zeigt sich, dass der Franken überhaupt nicht schwach ist. Er hat sich in den letzten sechzig Jahren um über 50 Prozent aufgewertet (siehe Grafik). Ich kenne keine große Währung, die in dieser Zeit so fest war. Einkaufen in Zürich oder der Urlaub in den Bergen ist nach wie vor extrem teuer. Der aktuelle Wechselkurs ist der Kaufkraftparität weit davongelaufen.

GRAFIK: Die Aufwertungswährung

Die Schwäche am aktuellen Rand ist nur eine Bereinigung vorheriger Marktübertreibungen. Beim sogenannten „Frankenschock” vor einem Jahr wertete sich die Schweizer Währung von einem Tag auf den anderen um 20 Prozent auf. Das war fundamental in keiner Weise gerechtfertigt. Jetzt bildet sich das Ungleichgewicht zurück. Der Markt versucht eine neue Basis zu finden. Mit Schwäche hat das nichts zu tun.

Das Wichtigste aber: Die Schweiz befindet sich nicht in einer Krise. Sie hat die drastischen Aufwertungen der letzten Jahre weggesteckt, wie es wohl niemand erwartet hätte. Sie wächst. Sie hat praktisch keine Arbeitslosigkeit. Die Leistungsbilanz als Ausdruck internationaler Wettbewerbsfähigkeit ist weit im Plus. Ich möchte nicht wissen, was in Deutschland passiert wäre, wenn es so einem Aufwertungsdruck ausgesetzt gewesen wäre. Es gibt kaum eine Volkswirtschaft in der Welt, die so erfolgreich ist. Wenn das kein „Wunder von Bern” ist.

Wie kommt es, dass sich die Schweiz im globalen Wettbewerb so gut schlägt? Dies umso mehr als sie ein kleines Land ist, das sich mit Ausländern schwertut und das in der Steuerdebatte international stark angefeindet wurde. Aus meiner Sicht sind hier vier Dinge verantwortlich.

Erstens die aufwertende Währung. Auf der Ebene der Unternehmen ist dies eine Belastung. Für die Volkswirtschaft insgesamt hat es jedoch den unschätzbaren Vorteil, dass sie permanent unter der „Produktivitätspeitsche” der globalen Konkurrenz steht. Andere Länder müssen Reformen durch schwierige politische Prozesse herbeiführen (und scheitern damit oft). Die Schweiz hat durch die Aufwertung einen quasi eingebauten Reformmotor.

Zweitens die stabilen politischen Verhältnisse. Die öffentlichen Finanzen sind in Ordnung. Das Haushaltsdefizit liegt fast bei null. Es gibt keine ernst zu nehmenden Bestrebungen, das zu ändern. Natürlich stört die Aggressivität der Rechtspopulisten. Aber wo gibt es die nicht?

Drittens die Professionalität des Finanzplatzes. Zürich und Genf gehören zu den besten Standorten der Welt. Keiner hätte sich vorstellen können, dass die Schweiz nach dem Wegfall des Bankgeheimnisses so erfolgreich bleibt. Wenn sich die Briten entscheiden sollten, aus der EU auszutreten, dann dürften davon weniger Frankfurt und Paris profitieren als vielmehr die Bahnhofstraße an der Limmat (obwohl sie auch nicht zur EU gehört).

Schließlich eine Notenbank, die prinzipienfest ist, in außergewöhnlichen Situationen aber mehr als andere flexibel und pragmatisch handelt. Die Schweizer Notenbank war eine der ersten, die negative Zinsen einführte. Sie hat massiv an den Devisenmärkten interveniert trotz aller negativen Wirkungen auf die Geldmenge. Sie gehört zu den wenigen, die ihre Reserven auch in Aktien anlegen.

Natürlich kann jedes Land und jeder Standort noch besser werden. Es ehrt die Schweizer, wenn sie darüber nachdenken. Aus Sicht von außen ist es aber nicht zwingend. Die Briten wären froh, wenn sie bei einem „Brexit” eine wirtschaftliche Zukunft wie die der Schweiz erwarten würde. Sie würden die EU mit Freude verlassen (was wir natürlich auch nicht wollen).

Für den Anleger

Vergessen Sie bei Ihren Dispositionen nicht die Schweiz. Sie ist in Zeiten weltweit steigender Risiken noch attraktiver geworden. Denken Sie dabei nicht nur an die üblichen Verdächtigen wie Nestlé, Roche oder Novartis. Es gibt auch viele erfolgreiche mittlere und kleinere Unternehmen an der Börse. Passen Sie freilich auf die Wechselkursrisiken auf. Eine gewisse Zeit kann der Franken noch schwächer werden. Das kann mögliche Kursgewinne schmälern. Auf längere Sicht sehe ich jedoch keinen Grund, weshalb sich die Aufwertung nicht fortsetzen sollte. Das macht Schweizer Anlagen noch attraktiver.

Von: Martin Hüfner

Quelle: DAS INVESTMENT.

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