Am 4. Oktober ist der Goldpreis merklich gefallen: Er verlor mehr als 3,3 Prozent gegenüber dem Vortag, sackte auf 1.268 US-Dollar pro Unze ab. Was passiert war und wie es weiter geht erklärt Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit.
Gestern, am 4. Oktober, ist der Goldpreis merklich gefallen: Er verlor mehr als 3,3 Prozent gegenüber dem Vortag, sackte auf 1.268 USD/oz ab. Was war passiert?
Zwei Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) der US-Zentralbank (Fed) hatten verlauten lassen, eine Zinsanhebung könnte noch am 2. November beziehungsweise am 14. Dezember erfolgen. Die Kurz- und Langfristzinsen in den USA zogen darauf an, der Goldpreis gab nach.
Steigende Zinsen haben Goldpreis belastet
Goldpreis (USD/oz) und amerikanischer 2-Jahreszins in Prozent
Bedeutsamer dürfte allerdings die Meldung der Nachrichtenagenturen gewesen sein: Unter Berufung auf Mitglieder des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde berichtet, man denke über eine stufenweise Verringerung der Anleiheaufkäufe nach. Möglicherweise könnte der neue Kurs noch vor der geplanten Beendigung des Programms im März 2017 umgesetzt werden. Die Aussicht auf ein Abflauen des Euro-Liquiditätszuflusses und steigende Euro-Zinsen übte ebenfalls Abwärtsdruck auf die Edelmetallpreise aus.
Es ist zwar denkbar, dass das Mitteilungsbedürfnis einiger EZB-Ratsmitglieder die Märkte auf eine falsche Fährte gesetzt hat. Dem gegenüber steht jedoch die Einsicht, dass die EZB eine Politik der nominalen Null- oder gar Negativzinsen in der Tat nicht dauerhaft durchführen kann – denn die ohnehin angeschlagenen Euro-Banken gerieten in noch größere Bedrängnis.
Ein mögliches Szenario ist, dass die EZB sich tatsächlich abkehren will von einer Politik der nominalen Null- und Negativzinsen bei niedriger Inflation – und versucht, auf eine Politik der nominal leicht positiven Zinsen, verbunden mit etwas höherer Inflation umzuschwenken.
Damit die nominalen Kapitalmarktzinsen leicht anziehen, muss die EZB weniger Schuldpapiere kaufen als bisher. Ist die gewünschte Zinshöhe erreicht, bei der die Banken wieder Gewinne erzielen, „friert“ sie die Zinsen ein. Um den Realzins nahe oder unter der Nulllinie zu halten, muss die EZB jedoch die Inflation ansteigen lassen.
Dass die Zinsen in realer Rechnung (das heißt nach Abzug der Inflation) wieder über die Nulllinie rutschen, erscheint uns unwahrscheinlich. Dazu sind die Verschuldungsprobleme zu groß geworden; und die Idee, die Schuldenlasten mit einem Realzins von null Prozent zu refinanzieren – beziehungsweise mit einem negativen Realzins zumindest zum Teil zu entwerten –, ist politisch allzu verlockend.
Edelmetallpreise
Die Aussicht auf steigende Zinsen reicht jedoch schon aus, um den Goldpreis unter Druck zu setzen: Steigen die Zinsen, wird die Goldhaltung teurer (denn dem Goldhalter entgehen Zinserträge, die er alternativ verdienen könnte), und die Goldnachfrage nimmt ab. Der gestrige Preisrutsch der Edelmetallpreise markiert aus unserer Sicht jedoch kein Ende des langfristigen Goldpreisanstiegs:
(1) Was auch immer die Zentralbanken den Märkten signalisieren, sie werden die Kredit- und Geldmengen weiterhin ausweiten und die Zinsen – in realer Rechnung – niedrig halten. Nur so lassen sich die Konjunkturen in Gang und die Preise auf den Finanzmärkten hoch halten. Das damit verbundene Anschwellen der Geldmengen spricht für einen im Trendverlauf weiter steigenden Goldpreis.
(2) Aus unserer Sicht ist der aktuelle Goldpreis (in USD/oz) nach wie vor „billig“. (Siehe hierzu: http://www.degussa-goldhandel.de/pdf/marktreport/Degussa-Marktreport-08-07-2016.pdf, S. 5.) Allerdings lässt sich daraus nicht unmittelbar schließen, dass der Goldpreis rasch wieder anzieht; die anhaltende Unsicherheit über den Kurs der Geldpolitiken könnte auch weitere Rücksetzer nach sich ziehen.
Für Anleger jedoch, die langfristig orientiert sind – die mit einem Horizont von einem oder mehr Jahren ihr Geld anlegen –, dürfte der aktuelle Goldpreis (und auch Silberpreis) ein attraktives Einstiegsniveau bieten. Langfristig orientierte Anleger sollten den Preisrutsch nicht als Entmutigung, sondern als Ermutigung ansehen, um sich im Edelmetallmarkt zu positionieren.
Quelle: Das Investment