Das Investment: Geldpolitik: Welche Zentralbank zuerst die Zinsen anhebt

sjb_werbung_das_investment_300_200 SJB | Korschenbroich, 21.10.2014. Die Welt rätselt, welche große Zentralbank als erste die Zinsen erhöht. Jetzt schlägt das Pendel in Richtung Großbritannien aus. Deren Währungshüter geben sich ziemlich angriffslustig.Auf dem Kongress der britischen Gewerkschaften lässt Mark Carney die Arbeiter wissen, was sie von ihm zu erwarten haben: nichts.

Was er dagegen von ihnen erwartet, ist eine Menge. „Menschen mit Arbeit müssen in der Lage sein, neue Job-Möglichkeiten zu ergreifen“, sagt Carney und fordert „lebenslanges Lernen, innerhalb und außerhalb des Jobs“. Carney ist Chef der Bank of England (BoE), die die Leitzinsen in Großbritannien festlegt. Er ist eine jener Personen, die Geld nach Jahren wieder teurer machen können, indem sie den Zins erhöhen. Vor solchen Menschen zittern die Märkte.

Derzeit klingt Carney wie ein Zentralbanker alter Schule: Er achtet auf Inflationsgefahren und erst in zweiter Linie auf die Wirtschaft. „Hawkish“ heißt diese Einstellung in der Finanzszene – mit den Augen des Falken (englisch: hawk).

Eine laxe Geldpolitik, um die Wirtschaft zu stützen nennt man „dovish“ (dove = Taube). Jetzt machte Carney klar, dass die BoE den Leitzins erhöhen könnte, ohne dass die Einkommen im Land merklich stiegen.

Die britischen Löhne ziehen nur langsam an, nachdem sie in der Finanzkrise gesunken waren (siehe Grafik unten). Die Inflation war mit 1,6 Prozent im Juli schwächer als erwartet. Immerhin sank die Arbeitslosenquote zuletzt auf nunmehr 6,1 Prozent.

Das ist eigentlich nicht der Stoff, aus dem höhere Zinsen gemacht sind. Ihre Hab-Acht-Stellung bezieht die BoE aus Frühindikatoren. „Umfragen zur Produktion im dritten Quartal sind weiterhin durchweg stark“, heißt es im Sitzungsprotokoll vom September.

Dazu gehörten Umfragen zu Dienstleistungen, Investitionen, Bau und Kauflust. Sofort den Leitzins zu erhöhen, erscheint aber selbst der hawkischen BoE zu früh. Das könne die Wirtschaft anfällig für Schocks machen, heißt es dazu im Protokoll.

Aber schon nicht mehr einstimmig, denn zwei der neun Komitee-Mitglieder widersprachen: Martin Weale und Ian McCafferty wollten schon jetzt den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 0,75 Prozent erhöhen. Das sollte vorab dem zu erwartenden Druck am Arbeitsmarkt und steigenden Löhnen begegnen.

Man könnte sagen, dass die BoE von den großen Vier – Großbritannien, USA, Eurozone, Japan – nach derzeitigem Stand einer Zinserhöhung am nächsten ist. Sie ist die einzige, die eine Art Gefahr für stabile Preise erkennen will.

USA und Großbritannien im Vergleich

Die Frühindikatoren für die Wirtschaft haben sich zuletzt in beiden Ländern erholt. Hier ist es der Indikator des Instituts Conference Board.
Yellen zeigt sich sozial

Anders sieht es bei der US-amerikanischen Notenbank, der Fed, aus. Auch bei ihrem Leitzins fragt sich der Markt, wann er denn steigt. Dabei hängen sich Analysten wie zu besten Greenspan-Zeiten an einzelnen Worten auf, aktuell am Wort „beträchtlich“.

Unlängst definierte Fed-Chefin Janet Yellen einen „beträchtlichen Zeitraum“ mit etwa sechs Monaten. So war die Welt erleichtert, als sie am 17. September verkündete, den Leitzins nach Auslaufen des Anleihekaufprogramms noch eine „beträchtliche Zeit“ auf dem aktuellen Niveau halten zu wollen.

Allerdings werde man Arbeitsmarkt und Inflation im Auge behalten und reagieren, sobald konkrete Gefahr drohe. Damit gibt sich die Fed lockerer als die eher preishüterisch wirkenden Briten.

Punktuell schimmern in Yellens Erklärung sogar etwas Wärme und soziales Verständnis durch. Sie stellte fest, dass noch immer „zu viele Menschen keinen Job finden, obwohl sie einen suchen, und Teilzeit arbeiten müssen, obwohl sie Vollzeit wollen, und gern wieder auf Arbeitssuche gehen würden, wenn die Chancen besser wären.“

Das ist ein anderer Zungenschlag als beim kernigen Carney und vielen Volkswirten, denen eine wachsende Wirtschaft als der bessere Indikator für steigende Zinsen erscheint.

Yellens Gedanke ist gar nicht so absurd. Die Jahre nach der Finanzkrise zeigten, dass auf den Markt geworfenes Geld bislang keine Inflation erzeugt. Denn es landet nicht bei Menschen, die es ausgeben und die Nachfrage erhöhen. Der Zusammenhang zwischen Arbeitsmarkt und Inflation erscheint zwingender.

Die Wetten für den Zinsschritt in England liegen nun bei Frühling 2015, für die USA liegen sie bei Mitte 2015. Wenn der Arbeitsmarkt mitmacht.

Die Bank of England …

… trägt den Spitznamen „Old Lady of Threadneedle Street”. Gegründet im Jahr 1694, wurde sie nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlicht. 1997 beschloss das Parlament, dass die Bank unabhängig arbeiten dürfe, um eines der größten vorangegangenen Probleme zu lösen: die Preise stabil zu halten. Seit April 2013 überwacht und regelt sie zudem das Finanzwesen in Großbritannien.

Von: Andreas Harms

Quelle: DAS INVESTMENT.

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