Von Anleihen lässt sich auch bei steigenden Zinsen profitieren, rät Florian Uleer. Hier erklärt der Deutschlandchef von Columbia Threadneedle, welche Faktoren neben den Zinsen noch Einfluss auf Anleihen haben – und wie Anleger sie sich zunutze machen können.
Die US-Notenbank Fed steckt schon mittendrin. Und kürzlich hat auch die Europäische Zentralbank damit begonnen, die Märkte auf einen allmählichen Kurswechsel in der Geldpolitik einzustimmen. Damit steigt die Nervosität unter den Anlegern. Denn viele von ihnen verbinden das Kurspotenzial von Anleihen vor allem mit der Zinsentwicklung. Dementsprechend fürchten sie, dass die Kurse von Anleihen sich in einem Umfeld steigender Zinsen schlechter entwickeln könnten – weil bestehende Papiere gegenüber Neuemissionen mit höheren Kupons an Attraktivität verlieren.
Was neben dem Zinsänderungsrisiko noch zählt. Diese Sichtweise greift zu kurz. Denn das Zinsänderungsrisiko ist nicht der einzige Faktor, der die Erträge von Anleihen beeinflusst. Anleger sollten drei weitere Faktoren im Auge behalten: Kreditrisiko, Inflationsrisiko und Währungsrisiko. Zudem zeigt die Erfahrung, dass Market-Timing auch am Anleihenmarkt äußerst schwierig ist.
Das Kreditrisiko, sprich das Risiko, dass ein Emittent seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, ist in einigen Marktsegmenten wichtiger als das Zinsänderungsrisiko – etwa bei variabel verzinslichen oder Hochzinspapieren. In der Regel lohnt es sich vor allem in Phasen, in denen die Wirtschaft gesund ist und die Unternehmen wachsen.
Noch etwas früher im Wirtschaftszyklus, sprich in der Expansionsphase, besitzt das Inflationsrisiko sein größtes Potenzial für Anleger. Die Kurse klassischer Anleihen können in einem solchen Umfeld zwar nachgeben, weil Zinserhöhungen wahrscheinlicher werden. Inflationsgeschützte Anleihen profitieren jedoch, wenn die realisierte Inflation höher ausfällt als zuvor erwartet.
Das Währungsrisiko ist in den vergangenen Jahren stärker in den Vordergrund getreten. Angesichts der erhöhten Volatilität bei Hart- und Schwellenländerwährungen hat es sich auch am Anleihenmarkt zu einem entscheidenden Renditefaktor entwickelt. Aus Anlegersicht ist es vorteilhaft, wenn die Währung, in der eine Anleihe notiert, gegenüber der eigenen Währung an Wert gewinnt.
„Bei Zinserhöhungen die Anleihenquote nicht aus Prinzip senken“
Dadurch, dass Zinsänderungs-, Kredit-, Inflations- und Währungsrisiko unterschiedlich auf makroökonomische Bedingungen wie Wirtschaftswachstum und Kreditzyklus reagieren, entwickeln diese Faktoren sich weitgehend unabhängig voneinander. Miteinander kombiniert, bieten sie jenseits verschiedener Sektoren und Anlageregionen eine zusätzliche Diversifikationsmöglichkeit und können die Rendite-Risiko-Profile von Anleihenportfolios dadurch weiter optimieren.
Vor diesem Hintergrund sollten Anleger mit Blick auf mögliche Zinserhöhungen ihre Anleihenquoten nicht generell herunterfahren. Dafür spricht zudem die Erfahrung, dass Market-Timing auch am Anleihenmarkt ein schwieriges Unterfangen ist. Beispiele dafür finden sich schon in der jüngeren Vergangenheit.
So entschieden sich Anleger im Jahr 2008, ihre Anleihenbestände zu reduzieren. Denn die Zinsen notierten damals im historischen Vergleich bereits so niedrig, dass ein weiterer Rückgang kaum vorstellbar war – das Kurspotenzial schien ausgereizt. Fünf Jahre später legte die Fed ihr Quantitative-Easing-Programm auf, um die Konjunktur über niedrige Leitzinsen hinaus etwa mit Anleihenkäufen zu unterstützen.
„Langfristige Portfoliokomponente“
Das führte dazu, dass die Anleihenkurse weiter zulegten und Anleger vor allem 2016 wieder massiv in den Markt einstiegen – vielfach zu spät, denn im Dezember 2016 erhöhte die Fed tatsächlich die Zinsen, die Kurse gaben nach. Damit waren den Anlegern die hohen Kursgewinne zwischen 2008 und 2016 entgangen.
Für Anleger ergibt sich daraus zweierlei: Zum einen sollten sie die Attraktivität von Anleihen als Anlageklasse nicht allein an den Zinsaussichten festmachen. Zum anderen sollten sie Anleihen als langfristigen Portfoliobestandteil betrachten, anstatt die richtigen Zeitpunkte zum Ein- und Ausstieg zu suchen. Flexible Strategien, die je nach Marktumfeld Zinsänderungs-, Kredit-, Inflations- und Währungsrisiko unterschiedlich gewichten können, bieten Zugang zum gesamten Potenzial des Anleihenmarktes. Damit bieten sie sich als langfristige Portfoliokomponente an.
Autor: Florian Uleer
Quelle: DAS INVESTMENT.