Das Investment: Wie sich Finanzvertriebe für die Digitalisierung rüsten

sjb_werbung_das_investment_300_200„Kunden wollen digital und persönlich bedient werden“, fasst Vertriebsexperte Rudolf Schababerle eine der größten Herausforderungen an deutsche Finanzvertriebe zusammen. Wir haben die wichtigsten Anbieter am Beratermarkt gefragt, wie sie sich darauf einstellen wollen.

Längst nicht mehr nur die traditionellen Anbieter buhlen um die Gunst der Kunden, erklärt Rudolf Schababerle, Leiter Vertriebsservice der Bankenkooperation der Karlsruher und Württembergische, im Interview. „Fintechs und Insurtechs sprießen wie Pilze aus dem Boden.“ In Sachen Kundenorientierung hätten diese jungen Konkurrenten aus dem Internet den bisherigen Platzhirschen einiges voraus.

Wie reagieren die großen Finanzvertriebe?

Doch wie bekommt der Finanzvertrieb die individuelle Betreuung seiner Kunden und das reichweitenstarke Angebot im Internet unter einen Hut? Und inwiefern haben das die Finanzvertriebe in Deutschland bereits in ihren Zukunftsstrategien berücksichtigt? Das wollten wir im Rahmen einer Umfrage von den größten Anbietern am Beratermarkt wissen. Wir haben die Finanzvertriebe daher gefragt: Welchen Stellenwert räumen Sie der Digitalisierung in Ihrem Unternehmen ein? Welche Maßnahmen haben Sie in diesem Bereich bereits umgesetzt? Und wo liegen Ihre Schwerpunkte in den kommenden Jahren? Die Antworten der Unternehmensvertreter lesen Sie auf den folgenden Seiten.

„Beratung von Mensch zu Mensch nicht zu ersetzen“

Hans-Theo Franken: Das Thema der Digitalisierung ist in aller Munde. Dennoch zeigen Untersuchungen von Vergleichsportalen, Anlagerobotern, Finanz-Apps, Online-Beratung und Co. bislang regelmäßig diverse Mängel hinsichtlich deren Leistungsfähigkeit und Kundenorientierung. In absehbarer Zeit wird kein Computer und kein Programm die umfassende Beratung von Mensch zu Mensch ersetzen können. Die fortschreitende Digitalisierung spielt natürlich eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem Bedarf an schnellen und effizienten Geschäftsprozessen. So wird bei uns beispielsweise schon lange die interaktive elektronische Beratungsunterstützung eingesetzt: Vor sechs Jahren ging die DVAG als erster Finanzvertrieb mit dem damals brandneuen Ipad sowie passenden unternehmenseigenen Apps neue Wege in der Vertriebsunterstützung. Heute nutzen über 14.000 hauptberufliche Vermögensberater in der Beratung Ipads und die mittlerweile über 50 speziell entwickelten Apps. Auch für unsere Kunden gehen wir im Bereich der Digitalisierung neue Wege: So wird ab Ende 2016 bei uns die elektronische Kundenakte sowie die elektronische Unterschrift in allen wesentlichen Bereichen eingeführt. Dies erleichtert die Administration und verbessert nachhaltig die Geschäftsprozesse der Antragsstellung und der Policierung – davon profitieren alle Beteiligten. Insofern investieren wir auch weiterhin in den Bereich der Digitalisierung, aber nur dort, wo es auch einen echten Mehrwert für die Kunden und die Vermögensberater bedeutet.

„Dreh- und Angelpunkt der Kundenbeziehung“

Dirk Bohsem: Wir entwickeln das MLP Geschäftsmodell mit unserer Digitalisierungsstrategie konsequent weiter, ohne unsere traditionellen Stärken zu vernachlässigen. Die umfassende Ausbildung der MLP-Berater, die deutlich über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgeht, bildet die Basis für eine Rundum-Beratung in allen Lebensphasen. Wir sind der Gesprächspartner in allen Finanzfragen von Vorsorge, Gesundheit, Versicherung über Vermögensmanagement sowie Finanzierung und Immobilie bis hin zum Banking. In diese Kernleistung betten wir unser Online-Angebot ein. Somit kann der Kunde entscheiden, wann er mit dem Berater in Kontakt tritt – und wann er sich vielleicht erst einmal online informieren. Einfache Produkte lassen sich zudem gleich im Netz abschließen, zum Beispiel per Smartphone kurz vor dem Urlaub noch eine Auslandsreisekrankenversicherung. Aber wenn es um die private Altersvorsorge, eine Immobile oder die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit geht, wird es schon anspruchsvoller. Hier spielen viele – sehr individuelle – Aspekte mit in die Entscheidung. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger ergab kürzlich, dass 65 Prozent aller Befragten marktweit zu komplexen Produkten beraten werden möchten. Bei all unseren Maßnahmen, die wir bereits angeschoben haben und noch ausrollen werden, geht es uns daher nicht um ein Entweder-oder von persönlicher Beratung und Online – sondern um ein intelligentes Und. In komplexen Fragestellungen steht unseren Kunden mehr denn je ihr MLP Berater als Gesprächspartner zur Seite. Er ist und bleibt Dreh- und Angelpunkt der Kundenbeziehung, auch wenn die Zugangswege und Kontaktpunkte zu MLP gezielt erweitert werden – digital und bei Bedarf in Kooperation mit Fintechs.

„Von Angesicht zu Angesicht besprechen“

Matthias Wald: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das persönliche Beratungsgespräch zwischen dem Kunden und seinem Berater nicht zu ersetzen ist. Es ist doch klar, dass teilweise sehr vertrauliche Details im Erstgespräch am besten von Angesicht zu Angesicht besprochen werden und eine Beratung nur dann sinnvoll und gut für den Kunden sein kann, wenn die Vorsorgestrategie den tatsächlichen Kundenbedarf deckt. Die Online-Beratung via Webcam ist, ebenso wie die telefonische Beratung, ein sehr wichtiges ergänzendes Angebot, das besonders für den Fall gedacht ist, dass Kunden mit einem bereits bestehenden Vertrauensverhältnis zu ihrem Berater zwischendurch Fragen stellen können.

„Unabhängig von räumlichen und zeitlichen Rahmen“

Edgar Salzmann: Die Digitalisierung verändert unser Leben rasant und vor allem nachhaltig. Die damit verbundenen Herausforderungen, insbesondere aber die mit ihr einhergehenden Chancen gehen wir als Postbank Finanzberatung aktiv an.Unser Ziel ist es, unsere Online-Aktivitäten konsequent und kundenorientiert auszubauen. Damit zahlen wir gleichzeitig auf die Positionierung „digital & persönlich“ der gesamten Postbank ein. Ein konkretes Beispiel dafür ist das Pilotprojekt „Bauen – Kaufen – Wohnen“ zur Verbindung zwischen digitalen Informationsangeboten und individueller, persönlicher Beratung bei der Baufinanzierung. Dazu haben wir den gesamten Prozess neu aufgesetzt, sodass unsere Kunden im für sie passenden Zusammenspiel zwischen Online und persönlicher Beratung schnellstmöglich zu einer geeigneten Immobilienfinanzierung gelangen können. Ein anderes Beispiel für die direkte Verknüpfung zwischen Online-Service und persönlicher Beratung ist die Video-Chat-Lösung, wie die Postbank sie aktuell bereits für Geschäftskunden anbietet: Kunden und Berater werden so zunehmend unabhängig von räumlichen oder zeitlichen Rahmenbedingungen.

„Digitalisierung bei Versicherungen unumgänglich“

Stephan Gawarecki: Das Medium der Videoberatung ist besonders in unseren Niederlassungen ein wichtiger Fortschritt. Hier beraten wir nicht nur Kunden am Standort, sondern auch verstärkt überregional. Durch den Einsatz dieser neuen Medien erzielen wir eine noch hochwertigere Fernberatung. Auch eine Steigerung der Konversion ist hierbei festzustellen. Die Videoberatung halten wir für sinnvoller als reine Text-Chats. Unsere Erfahrung zeigt, dass Kunden gerne das Gesicht des Beraters sehen, also Face-to-Face-Kontakt bevorzugen.Im Versicherungsbereich ist das Vorantreiben der Digitalisierung unumgänglich. Das automatisierte Buchen und Verarbeiten von Dokumenten haben wir mit einer eigenen IT-Architektur vorangetrieben. Nur so wird es in Zukunft möglich sein, effizient und skalierbar Bestände aufzubauen. Auch die Brancheninitiative Prozessoptimierung, kurz Bipro, wird uns in Zukunft hierbei maßgeblich helfen.

„Konsequente Optimierung des vertrieblichen Supports“

Martin Lütkehaus: Derzeit beobachten wir die Entwicklungen im Markt sehr genau, setzen dabei aber weiter auf unsere Kernkompetenz der persönlichen Beratung. Aufgrund von Großprojekten im Bereich der Erneuerung der IT-Infrastruktur hat dieses Thema aktuell bei Bonnfinanz nicht die höchste Priorität. In Zusammenarbeit mit der Zurich Gruppe Deutschland starteten wir im April mit einem digitalen Antragsprozess – einschließlich Risikoprüfung und elektronischer Unterschrift – im Bereich des Lebensversicherungsgeschäftes. Die Entwicklung von Teaser-Tools für das Endkunden-Beratungsgespräch und zur Bewusstseinsbildung in der Online-Kommunikation – inklusive Social Media – nimmt einen zunehmend größeren Raum im Rahmen einer strategischen Teildigitalisierung ein. Unsere Schwerpunkte liegen in der konsequenten Optimierung des vertrieblichen Supports für den Außendienst. In erster Linie durch die Verbesserung und Verzahnung der Antragsprozesse, die Bereitstellung von themenbezogenem Online-Content – unter anderem themenbezogene und personalisierte Micro Sites für Vertrieb und Kunden –, Inforce-Maßnahmen und einen verstärkten Support im Bereich des Lead-Managements und der dahinterliegenden Prozesse. In den kommenden Jahren planen wird den Ausbau unserer CRM-Systeme und Ausweitung der Kundenbindungs- beziehungsweise Loyalty-Programme.

„Schwerpunkt wird persönliche Beratung bleiben“

Michael Heinze: Der Schwerpunkt wird aus unserer Sicht immer die persönliche Beratung sein und bleiben. Wir verfolgen konsequent den Ansatz der vollumfänglichen und ganzheitlichen Beratung, dafür ist es wichtig und notwendig den Kunden genau und persönlich zu kennen. Im weiteren Verlauf der Betreuung ist auch die eine oder andere Ergänzung online zum Beispiel per Chatroom möglich. Hier werden wir alle Möglichkeiten prüfen.Einen großen Stellenwert hat die digitale Verarbeitung der Kundendaten, eine vollumfängliche Datenbank, um so schnell und unkompliziert mit und für (Makler) den Kunden handeln zu können, wenn dies notwendig ist. Ebenso findet das Thema „digitale Unterschrift“ immer mehr Einzug in die verschiedenen Produktsparten, was die Genauigkeit und Geschwindigkeit sowohl im Sinne des Kunden, als auch des Beraters erhöht.

„Wir bauen Aktivitäten bei Facebook, Xing und Co. aus“

Franz-Josef Rosemeyer: Wir können diesen Trend auch bei unseren jungen Kunden nur begrenzt feststellen. Selbstverständlich bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, über digitale Kanäle mit uns zu kommunizieren und gehen so auch aktiv auf sie zu. Derzeit bauen wir unter anderem unsere Aktivitäten bei Facebook, Xing und Co. aus. Mittelfristig wird auch der digitale Versicherungs- und Anlageproduktordner ein Thema. Insgesamt wird die intensive, umfassende Beratung wie wir sie durchführen auch in Zukunft vor allem im direkten Gespräch stattfinden, davon sind wir überzeugt.Allerdings finden unsere Mandantengespräche eher nicht im „heimischen Wohnzimmer“ sondern in ganz überwiegendem Maße in einer unserer bundesweit vertretenen Geschäftsstellen statt. Wenig erklärungsbedürftige Produkte werden zukünftig sicherlich verstärkt online gekauft. Auch darauf werden wir uns einstellen.

Von: Christian Hilmes

Quelle: DAS INVESTMENT.

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