Alexander Zeh, Geschäftsführer der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Österreich, spricht im Interview über Kundenbedürfnisse und Kundenanforderungen an digitale Finanzdienstleistungen aus Sicht eines Marktforschers.
DAS INVESTMENT: Wie unterscheiden sich Kundenanforderungen an digitale Finanzdienstleistungen gegenüber den herkömmlichen Vertriebs- und Beratungswegen?
Alexander Zeh: Man kann die Anforderungen nicht unterscheiden und man darf das auch nicht.
Weil der Kunde an sich nicht unterscheidet, ob etwas digital ist oder nicht, Der Kunden lebt in seiner Welt und kauft Produkte. Er lernt durch unterschiedliche Aktionen und Mechanismen sein Leben zu gestalten, auch sein Konsumverhalten. Er adaptiert Verhaltensweisen aus anderen Konsumbereichen auch in der Finanzdienstleistung. Das heißt er geht davon aus, dass es hier genauso funktioniert wie in anderen Bereichen.
Was hat sie bei Ihrer Forschung überrascht?
Wir messen kontinuierlich und wir sind überrascht, in welchem Ausmaß die Themen Connected Devices (mobile Endgeräte), das permanente Online-Verfügbarsein und die Online-Informationssuche an Bedeutung gewinnen. Zudem ist der Konsument sehr offen, neues auszuprobieren und sich der neuen Technologie sofort anzuschließen. Das ist kein Thema mehr für early adopter, sondern längst ein Thema für alle.
Unterschätzen die klassischen Finanzdienstleister die Kunden, was ihre Online-Affinität angeht – anders als die Fintechs?
Sicher tun sie das auch. Ich würde hier aber nicht generalisieren. Das ist kein Phänomen, das sich auf Finanzdienstleister beschränkt, es betrifft alle Branchen. In fünf Jahren wird es so manches Marktforschungsunternehmen auch nicht mehr geben, weil es die Digitalisierung verschlafen hat. Die Definitionen verändern sich. Sicher wird es einige der klassischen Finanzdienstleister in unseren Breiten nicht mehr geben, dafür komplett neue Player. Man muss die Zeichen der Zeit wie die Digitalisierung erkennen und für das eigene Unternehmen nutzen.
Sicherheit und Vertrauen sind sehr wichtig und begrenzen offenbar das Wachstum der Fintechs. Haben jüngere Kunden andere Einstellungen?
Nein, im Grunde nicht. Wenn man Finanzdienstleistungen über alle Kunden analysiert, ist nicht das Alter, sondern die Lebensphase der größte Hebel, um zu unterscheiden. Natürlich korreliert die Lebensphase mit dem Alter. Älteren Menschen ist Sicherheit besonders wichtig, aber man kann nicht sagen, dass jüngeren Leuten die Sicherheit ihrer Daten egal ist. Sie haben eine höhere Affinität zu mobilen Endgeräten, weil sie diese auch in anderen Lebensbereichen täglich benutzen. Bei den Kundengruppen gibt es zwar noch traditionelle Offline-Kunden, aber diese sind biologisch am Aussterben. Die hybriden Kunden, die mehrere Kommunikationswege nutzen, sind bereits zahlenmäßig die größte Gruppe und werden weiter zunehmen.
In welchem Ausmaß wird es rein digitale Kunden geben?
Das werden deutlich weniger als die hybriden Kunden sein und hier wird es sehr auf die Produktkomponente ankommen. Kreditkarten sehe ich zum Beispiel in Zukunft ausschließlich online, es geht nur mehr darum, wie schnell kann ich als Kunde die Karte haben? Da sind die Zulassungsprozesse in Europa derzeit noch katastrophal lang. Interessant sind auch „digital wallets“. Ich selbst habe meine Kundenkarten auf meinem I-Phone gespeichert, warum nicht auch meine Kreditkarte? Was ist an meiner Drogeriemarktkarte so viel wertvoller als an meiner Kreditkarte?
Wie wird sich Finanzberatung durch die Digitalisierung verändern?
Finanzberatung wird umfassender sein, sie wird sich viel mehr darauf fokussieren müssen, ein Erlebnis beim Kunden zu erzeugen, statt unterschiedliche Paragrafen und Detail-Features zu besprechen. Wir sehen, dass zum Beispiel die Autoverkaufsberatung immer noch gut funktioniert, weil es da auch um ein Erlebnis geht. Man wird zu einer Probefahrt eingeladen, eben zu einem Erlebnis. Dann kann man im Anschluss die Produkt- und Verkaufsdetails klären. Wenn einem das Auto nicht gefällt, braucht man auch nicht weiter zu beraten. Auch in der Finanzberatung muss man tief in die Erlebniswelt eintauchen. Ich kann mir gut vorstellen, dass etwa ein Traum, den man sich durch eine Finanzierung verwirklichen möchte, auch entsprechend dargestellt wird. Es wird Umstellungen geben, aber das ist für uns ein spannender Prozess.
Hat der unabhängige Berater hier Nachteile gegenüber anderen finanzkräftigeren Vertriebswegen?
Der einzelne unabhängige Berater hat keine gravierenden Nachteile dabei, denn was macht einen guten Berater aus? Er verfügt über Kundenbindung, eine Kundenbeziehung und vermag seine Beratung so zu erklären, dass der Kunde sie interessant findet. Ob er unabhängig ist, wie breit sein Angebot ist und auf welchen Support eines Unternehmens er zurückgreifen kann, spielt aus meiner Sicht keine große Rolle für das Schaffen eines Erlebnisses. Das Aussterben des unabhängigen Beraters nur aufgrund der Digitalisierung zu prognostizieren, ist absolut nicht haltbar.
Von: Oliver Lepold
Quelle: DAS INVESTMENT.