Filip Weintraub steuert Anlagepolitik und Titelauswahl des Skagen Focus Fund. Im Interview mit DAS INVESTMENT.com spricht der populäre Fondsmanager über launische Märkte, die Auswirkung von Zinsänderungen – und präsentiert einen erstaunlichen Blickwinkel auf das britische EU-Austritts-Vorhaben.
DAS INVESTMENT.com: Herr Weintraub, kürzlich hat die Entscheidung der britischen Bevölkerung für einen Austritt aus der Europäischen Union die Märkte schockiert. Mit welchen Folgen rechnen Sie langfristig?
Filip Weintraub: Das Votum war eine große Überraschung für alle Marktbeobachter. Der Grund für das Abstimmungsergebnis ist einfach: Seit der Finanzkrise 2007/2008 geht es den meisten Leuten schlechter. Die Finanzmärkte haben sich zwar erholt, aber viele Leute fürchten um ihre Arbeitsplätze. Die meisten Menschen verstehen nichts von EU-Regulierung – dass etwa Griechenland aus ihren Steuergeldern bezahlt wird. Aber die Probleme, die die Flüchtlingswelle mit sich bringt, die haben sie verstanden – und sie haben gegen Europa gestimmt. Positiv ist, dass die Entscheidung stabilisierend gewirkt hat: Vor dem Votum glaubte man noch an baldige weitere Zinsanhebungen in den USA. Jetzt glaubt das keiner mehr.
Aber was wird jetzt passieren? – Wahrscheinlich nichts!
Und ganz konkret im Finanzsektor?
Weintraub: Briten werden weiterhin französischen Wein trinken und Rolls Royce wird Teile an Airbus liefern. Die meisten Leute wissen nicht, dass Großbritannien der größte Handelspartner von Ländern des Euroraums ist. Und umgekehrt.
Natürlich ist es aber eine Unsicherheit, die man berücksichtigen muss – im Finanzsektor wie auf staatlicher Ebene. Die Entscheidung zieht regulatorische und steuerliche Konsequenzen nach sich. Die Märkte haben sich aber jetzt schon wieder beruhigt. Sie sind sogar in vielen Bereichen auf ein Level angestiegen, das über dem Niveau von vor der Brexit-Krise liegt. Mit Ausnahme des Finanzsektors. Möglicherweise haben die Briten Europa auch einen Gefallen getan.
Einen Gefallen – wie meinen Sie das?
Weintraub: Sie zeigen, welche negativen Konsequenzen ein EU-Austritt hat. Wenn man auf Meinungsumfragen in anderen Ländern mit separatistischen Bestrebungen schaut, zum Beispiel Schweden, dann hat ein Festhalten an der EU stark an Popularität hinzugewonnen.
Außerdem hat Großbritannien viele Prozesse innerhalb der EU gestoppt oder verzögert. Auch insofern kann der Austritt des Landes eine gute Seite haben. Es gibt hier viele politische Dimensionen. Aber nochmal: Briten werden auch weiterhin französischen Wein trinken.
Hatte der Brexit-Entscheid unmittelbare Auswirkungen auf Ihren Fonds, den Skagen Focus?
Weintraub: Wir haben viel Cash vorgehalten. Vor der Entscheidung hatten wir einen Cash-Anteil von 7 Prozent im Portfolio. Aber schon am Freitag nach Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses und in den Tagen darauf haben wir viel Geld angelegt. Zum Beispiel haben wir viel in Asien investiert. Außerdem in deutsche Unternehmen. Das war eine gute Entscheidung. Momentan hält der Skagen Focus einen Cash-Anteil von etwa 5 Prozent.
Ich habe mich übrigens weniger über den Einbruch der Märkte als vielmehr über den anschließenden Anstieg gewundert. Die Märkte haben sich in den meisten Bereichen außer dem Finanzsektor schon wieder erholt und liegen auf einem höheren Niveau als vor der Brexit-Entscheidung. Schon vor dem Votum waren sie auf dramatische Höhen angestiegen. Mittlerweile gibt es neue Rekord-Hochs beim Dow Jones.
Welches Ereignis könnte die Märkte demnächst noch so richtig durchschütteln?
Weintraub: Märkte sind wie ein sehr launischer Mensch. Sie reagieren nicht rational. Aber: Das Problem mit China, das eher geopolitischer Natur ist, ist nicht ausgeräumt. Der Mittlere Osten mit seinen Problemen ist da. Das sind sozusagen die klassischen Quellen für unerwartete Ereignisse.
Die Märkte sind aus einem historischen Blickwinkel heraus betrachtet momentan nicht billig. Das ist ein Risiko, falls etwas passiert.
Interessanterweise hatte die Brexit-Entscheidung kaum Einfluss auf die Entwicklung Ihres Fonds. Dagegen sieht man speziell zu Jahresbeginn Schwierigkeiten.
Weintraub: Ja, das stimmt. Der Finanzsektor hat sich dieses Jahr extrem schlecht entwickelt. Er war mit über 20 Prozent der am zweitstärksten gewichtete Sektor in unserem Portfolio. Wir haben in US-Titel, wegen der strengen Regulatorik allerdings nicht in europäische Finanztitel investiert. Aber speziell der Finanzsektor hatte ein schlimmes Jahr.
Das hat man manchmal: Sektoren entwickeln sich anders als gedacht. Der Finanzsektor wurde für einen qualitativ hochwertigen und voraussehbaren Sektor gehalten. In den USA hat man mit einer weiteren Zinsanhebung gerechnet. An die glaubt man jetzt nicht mehr.
Glauben Sie persönlich, dass der US-Zinssatz in diesem Jahr noch ansteigen könnte?
Weintraub: Nein. Und wenn, dann werden es nur 25 Basispunkte sein.
Könnte eine Zinsanhebung Ihren Fonds überhaupt beeinflussen – es ist immerhin ein Aktien- und kein Anleihenfonds?
Weintraub: Eine Zinsanhebung um 25 Basispunkte verändert nicht viel an den Unternehmensgewinnen. Es verändert jedoch etwas an der Wahrnehmung.
Wir sind sehr zuversichtlich für einen großen Teil unseres Portfolios: Wenn die Zinsen steigen oder die Märkte an eine Zinsanhebung glauben, wäre das sehr positiv für uns. Ein wichtiger Sektor, in den wir investiert sind, ist der Finanzsektor. Den wird eine solche Entscheidung beeinflussen. Besonders für Versicherungen, die momentan ganz aus dem Investoren-Blickfeld geraten sind, wäre eine Zinsanhebung sehr positiv.
Würde ein Anstieg des US-Zinssatzes Ihre Titelauswahl im Portfolio beeinflussen?
Weintraub: Wenn ich als Stockpicker ein Unternehmen analysiere und bewerte, ob es ein gutes Investment ist oder nicht – und wenn dann 25 Basispunkte Zinserhöhung einen Unterschied machen sollten, dann ist es das falsche Unternehmen. Wir blicken auf die Dinge von einer substantielleren Warte aus.
Von: Iris Bülow
Quelle: Das Investment