Das Investment: EZB kündigt Ende der Anleihekäufe an

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Auf ihrer gestrigen Sitzung haben die Ratsmitglieder der Europäischen Zentralbank einen zaghaften Kurswechsel verkündet: Zu Jahresende soll mit den geldpolitisch stützenden Anleihekäufen Schluss sein. Die Leitzinsen verharren bis auf Weiteres auf Nullniveau.
“Das Ende einer Ära”
Patrick O’Donnell, Senior Investment Manager bei Aberdeen Standard Investments:
„Dies ist eine ziemlich vorsichtige Botschaft der EZB. Indem Draghi sagt, dass das QE-Programm in diesem Jahr endet, aber zumindest bis zum nächsten Sommer keine Zinserhöhung signalisiert, gibt er mit einer Hand etwas und nimmt gleichzeitig mit der anderen wieder etwas zurück.

Für den Moment hat er sich verpflichtet, bis mindestens zur zweiten Hälfte des nächsten Jahres mit einer Zinserhöhung zu warten. Das wird die Märkte beruhigen. Aber man darf nicht vergessen, dass dies derzeit nur eine Leitlinie und keine Garantie ist.

Der Tag ist vor allem symbolisch und markiert das Ende einer Ära in Europa. Er leitet das Ende des billigen Geldes ein und legt die Basis für eine Zinserhöhung im nächsten Jahr. Es ist also ein weiterer Schritt auf dem Weg, den außerordentlichen globalen geldpolitischen Stimulus des letzten Jahrzehnts zu beseitigen. Nach der erneuten Zinserhöhung der Fed gestern und dem heutigen Signal, befinden wir uns in einer ganz anderen Welt als noch vor wenigen Jahren. Die Frage ist, ob der optimistische Ausblick bei den Zinsen anhalten kann. Die Krise Italiens ist über die europäische Wirtschaft hereingebrochen, und sie ist noch lange nicht ausgestanden. Die tiefen strukturellen Probleme in Ländern wie Italien lauern direkt unter der Oberfläche.“

“Das hatten wir nicht erwartet”
Stefan Kreuzkamp, Chef-Anlagestratege der DWS:
„Die Europäische Zentralbank hat sich mit geldpolitischen Abenteuern lange zurückgehalten. Umso eiliger hat sie es nun offenbar bei der Weichenstellung über das Ende von Quantitative Easing und die weitere Zinsentwicklung. Ab September 2018 soll sich das Volumen des Kaufprograms APP auf 15 Milliarden Euro pro Monat halbieren und zum Jahresende ganz auslaufen. Mindestens bis zum Sommer 2019 rechnet die EZB nicht mit Zinserhöhungen.

Eine so frühe und ausdrückliche Festlegung hatten wir für dieses Treffen nicht erwartet. Insgesamt aber decken sich die Zentralbankspläne in etwa mit unseren Einschätzungen. Wieder einmal hat die EZB deutlich gemacht, dass sie keine schnellen Zinserhöhungen will. Das macht, vor dem Hintergrund der Unsicherheiten, z.B. drohender Handelskonflikte, Sinn. Was das aber im Einzelnen heißen wird, muss sich aber erst noch zeigen. Die EZB betont weiterhin die Datenabhängigkeit, auch wenn sie die Fortschritte in Richtung Inflationsziel inzwischen als ‚substantiell‘ ansieht.“

“Schwächende Wirkung auf den Euro”
Garland Hansmann, Portfoliomanager bei Investec:
„Die EZB hat zwar die Leitzinsen unverändert gelassen, dennoch hat sie uns und die Märkte mit einer deutlich kulanter als erwarteten Haltung überrascht. Mit der Aussage die Leitzinsen bis nach dem Sommer 2019 auf den historischen Niedrigständen zu halten, hat die EZB jegliche Fantasie einer früheren Zinserhöhungen aus dem Markt genommen. Das war überraschend und vom Markt nicht erwartet.

Die Aussage hat wahrscheinlich nur eine recht geringe Auswirkung auf die längerfristigen Zinssätze, hält sie aber unter Umständen stabiler auf dem aktuell niedrigen Niveau als es sonst der Fall gewesen wäre. Man könnte sich jedoch vorstellen, dass es eine schwächende Wirkung auf den Euro zur Folge hat, insbesondere im Vergleich mit dem US-Dollar, wo die Fed ja zuletzt gestern die Leitzinsen erhöht hat. Somit versucht Draghi wohl sicherzustellen, dass die Inflation weiterhin auf das Zielniveau der EZB steigt. Er will damit vermutlich auch der europäischen Konjunktur, die zuletzt schwächere Zahlen aufgewiesen hat, Halt zu geben. Das Ende des Wertpapierankaufprogramms für Dezember war weitgehend erwartet.“

“EZB hat ihre Aufgabe übererfüllt”
Salman Ahmed, Chef-Investmentsratege Lombard Odier Investment Managers:
„Während dieses geldpolitischen Zyklus hat die EZB unter Draghi, trotz des starken Widerstandes durch die Bundesbank und ihrer Verbündeten, ihre politische Unterstützung übererfüllt. Heute fand eine weitere Anpassung mit kompromissbereitem Ergebnis statt, indem Draghi bei der Pressekonferenz in gewohnt souveräner Manier einen gemäßigten Übergang mit Wort und Tat eingeleitet hat.

Wir erwarten derzeit bis zum 4. Quartal 2019 keine Zinserhöhungen und gehen daher davon aus, dass die EZB auf negative Überraschungen im Hinblick auf das genaue Datum achten wird – zumal derzeit die Handels- und Italienrisiken im Vordergrund stehen. Die Messlatte, um die Entscheidung zur geldpolitischen Lockerung nochmals zu ändern, ist sehr hoch. Dennoch behält sich die EZB genügend Flexibilität bei, um die akkommodierenden politischen Bedingungen in der Währungsunion, trotz der allmählich Auslaufenden expansiven Geldpolitik, aufrechtzuerhalten.

Diese Bedingungen dürften den Euro von hier aus in den Hintergrund treten lassen, da sich die Zinsdifferenz gegenüber den USA weiter ausweiten dürfte. Die immer noch recht zurückhaltende EZB sollte den risikobehafteten europäischen Assets, bei denen die Risikoprämien aufgrund der Entwicklungen in Italien gestiegen sind, weiter helfen.

Alles in allem bewegt sich die globale Liquidität in Richtung einer strafferen Haltung, wenngleich die EZB ihrer Rolle versucht treu zu bleiben, diesen Übergang schrittweise und moderat zu gewährleisten.“

Auf ihrer gestrigen Sitzung im lettischen Riga stellte der Rat der Europäischen Zentralbank seinen neuen Kurs in Aussicht: Demnach wollen die Währungshüter im vierten Jahresquartal die Anleihekäufe noch einmal von derzeit 30 Milliarden auf dann 15 Milliarden Euro pro Monat herunterfahren. Zu Jahresende sollen sie voraussichtlich ganz eingestellt werden. Um die Wendung nicht zu abrupt zu vollziehen, sollen allerdings die Zinsen, die der Zentralbank aus noch laufenden Anleihen zufließen, „für längere Zeit und in jedem Fall so lange wie erforderlich“ wiederangelegt werden.

Außerdem beließen die Ratsmitglieder – für Kapitalmarktbeobachter nicht ganz überraschend – den  Leitzinssatz bei 0 bis 0,25 Prozent sowie den Einlagensatz für Guthaben bei der EZB bei -0,4 Prozent. Gleichzeitig machen die Währungshüter Spekulationen über eine baldige Kehrtwende eine Ende: Die Zinsen im Euroraum sollen „über den Sommer 2019“ auf dem jetzigen Niveau verharren. Sie sollen nicht angehoben werden, bevor die Inflation nicht nachhaltig die Marke von 2 Prozent erreicht hat, die sich die Stabilitätshüter wünschen.

Wie namhafte Kapitalmarktkenner die Folgen des gestern verkündeten EZB-Entscheids einschätzen, stellen wir hier vor.

Von: Redaktion
Quelle: Das Investment

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