In einer Interview-Reihe befragt DAS INVESTMENT die Vertriebs-Chefs der führenden Fondsgesellschaften zu den wichtigsten Trends in den Bereichen Märkte, Produkte, Zielgruppen und Regulierung. Hier spricht Claude Hellers, Leiter des Privat- und Geschäftskundenvertriebs bei Fidelity International, über die aktuell größten Herausforderungen der Fondsbranche – und wie Fidelity ihnen begegnet.
DAS INVESTMENT: Im ersten Halbjahr gab es einige Ereignisse, die Sie als Vertriebschef nicht gefreut haben dürften: Die Gewinne des Börsenjahres 2015 waren nach nur elf Handelstagen dahin. Syrien, Flüchtlingskrise und weitere geopolitischen Brandherde. Vor kurzem dann das Brexit-Referendum. Aktuell sind die Banken – vor allem die italienischen – in den Schlagzeilen. Wie ist Ihr Fazit aus Vertriebssicht für das erste Halbjahr 2016?
Claude Hellers: Aus Vertriebssicht ist das erste Halbjahr für uns positiv verlaufen. Unsere Kunden haben die Marktschwankungen, die sich aus den von Ihnen genannten Makroereignissen ergeben haben, weitgehend gelassen genommen und sie z.T. zu Nachkäufen bzw. zum Einstieg genutzt. Gerade in Phasen mit größeren Marktschwankungen kann aktives Fondsmanagement seinen Mehrwert für Anleger besonders gut ausspielen.
Was wünschen Sie sich für das zweite Halbjahr und welche realistischen Erwartungen haben Sie?
Hellers: Realistisch ist, dass die Schwankungen an den Aktienmärkten und das Niedrigzinsumfeld weiter anhalten werden. In diesem Umfeld wünsche ich mir zwei Dinge: Erstens, dass unsere Vertriebspartner und deren Kunden sich aus der Niedrigzinsfalle befreien und einen notwendigen Schritt Richtung Risiko gehen. Zweitens, dass sie dabei weiter gelassen bleiben und die Marktschwankungen als das sehen, was sie sind, ein natürlicher Bestandteil des Marktgeschehens. Das ändert nichts daran, dass Aktien langfristig die renditeträchtigste Anlageklasse sind.
Der Niedrigzins dominiert als Thema die Finanzbranche. Ein paar vereinfachte direkte Folgen daraus: Rentenfonds werden zunehmend unattraktiv. Das Sparbuch ist bzw. sollte keine Alternative mehr sein. Die Deutschen stürzen sich auf Immobilien. Gold wird wiederentdeckt. Multi-Asset-Fonds sind in aller Munde. Aktienfonds schlagen sich mittelmäßig, volatile Börsen und Regulatorik verhindern größere Mittelzuflüsse. Möchten Sie etwas ergänzen?
Hellers: Ergänzungen habe ich zu Renten- und Aktienfonds: Im aktuellen Niedrigzinsumfeld darf man nicht den Fehler machen, alle Anleiheklassen über einen Kamm zu scheren. Während es bei Staatsanleihen tatsächlich zunehmend schwierig aussieht, gibt es bei Unternehmensanleihen und Schwellenländeranleihen durchaus noch interessante Möglichkeiten für Anleger.
Und Aktien sind und bleiben trotz aller Volatilität für langfristig orientierte Anleger der Portfoliobestandteil mit den besten Renditeaussichten.
Würden Sie Ihr Haus als Nettoprofiteur der Niedrigzins-Phase betrachten?
Hellers: Für Anleger ist es in dieser Phase notwendiger denn je, Alternativen zu Klassikern wie dem Sparbuch oder Festgeld zu finden. Hier sind Investmentfonds eine gute Alternative. Die erhöhte Nachfrage nach passenden Produkten spüren auch wir.
Quo vadis Aktienfonds: Der oft unter dem Titel „Große Rotation“ vorhergesagte starke Shift von Anleihen in Aktien ist bisher ausgeblieben. Warum ist das so?
Hellers: Die Rotation aus Anleihen in Aktien findet tatsächlich in gewissem Umfang schon statt. Denn Multi-Asset-Fonds, die eben auch in Aktien investieren, sind bereits seit längerem die erfolgreichste Fondskategorie. Der Schritt erfolgt also in diesem Fall nicht direkt von Renten zu Aktien, sondern über den „Zwischenschritt“ Multi-Asset.
Aber auch bestimmte Aktienklassen sind sehr gefragt, vor allem globale Dividendenstrategien, hier sehen wir deutliche Zuflüsse in unseren Fidelity Global Dividend Fund.
Ist der Sturm auf Aktien und Aktienfonds nur verschoben?
Hellers: Langfristig führt kein Weg an Aktien vorbei. Das gilt vor allem auch für das Thema Altersvorsorge. Allerdings kann ein Aktieninvestment über zwei Wege erfolgen – Aktienfonds oder Multi-Asset-Fonds. Hier kommt es auf den Anleger und seine individuellen Bedürfnisse an.
Nicht einmal 15 Prozent der Deutschen im Alter von über 14 Jahren besitzen Aktien oder Aktienfonds. Worauf führen Sie das zurück – und wie müsste man die Vertriebsansätze ändern?
Hellers: Der womöglich wichtigste Grund, warum die Menschen in Deutschland weniger direkte Anlagen in Aktien(fonds) besitzen als z.B. Menschen in den USA, liegt in der staatlichen Förderung der Altersvorsorge. Während in Deutschland Versicherungslösungen in der Altersvorsorge gefördert werden und dominieren, sind es in den USA direkte Fondsanlagen – über die 401k-Pläne. Hier wäre daher vor allem der Gesetzgeber in Deutschland gefordert, die Bedingungen für direkte Anlagen in Aktien(fonds) für die Altersvorsorge zu verbessern.
Allerdings sind Versicherer bereits heute eine der größten Kundengruppen für Aktienfonds bzw. Multi-Asset-Fonds in Deutschland. Und aufgrund von Regulierung und Niedrigzinsumfeld nimmt der Bedarf noch zu. In der verstärkten Zusammenarbeit zwischen Versicherern und Asset Managern liegt daher eine große Chance, den Anteil von Aktien an der Altersvorsorge und damit den Aktienbesitz der Deutschen zu erhöhen.
Multi-Asset-Lösungen sind mehr als ein Trend und in den vergangenen Jahren zu einer etablierten Fonds-Klasse herangereift. Wie haben Sie sich hinsichtlich Ihrer Kompetenz, Produktpalette und Ihrer Zielgruppen hier positioniert?
Hellers: Multi-Asset-Fonds stehen auch bei Fidelity im Fokus. Wir haben in den vergangenen Monaten eine komplette Multi-Asset-Fondsfamilie entwickelt, mit Fonds die je ein klar definiertes Ziel, d.h. Anlegerbedürfnis im Fokus haben: Laufende Erträge, ein klares Renditeziel, eine feste Risikoklassifizierung oder ein festes Auszahlungsdatum.
Dabei erleben wir gerade eine Evolution der Mischfonds: Viele der populären Mischfonds der ersten Stunde investierten nur in Aktien und Anleihen. Moderne Multi-Asset-Fonds gehen einen entscheidenden Schritt weiter: Sie investieren breiter gestreut und verfolgen verschiedene Strategien. Dabei werden alternative Investments und marktneutrale Strategien wichtiger.
Wo legen Sie klare Schwerpunkte und warum?
Hellers: Unser Schwerpunkt liegt darauf, Anlagelösungen anzubieten, die die konkreten Anlegerbedürfnisse in den Mittelpunkt stellen. Hier sehen wir im Wesentlichen vier Bedürfnisse: Eine klar formulierte Zielrendite, ein Risikoniveau, das nicht überschritten werden darf, klar definierte laufende Erträge aus der Anlage und einen fest definierten Auszahlungszeitpunkt.
In diesem Zusammenhang spielt insbesondere unsere Familie an flexiblen und breit diversifizierten Multi-Asset-Lösungen eine tragende Rolle. Jede Lösung hat dabei eines der genannten vier Bedürfnisse im Fokus.
Sind Liquid Alternatives die neuen Multi Assets? Wie sind Sie hier aktuell aufgestellt und was planen Sie in dem Bereich?
Hellers: Moderne Multi-Asset-Fonds investieren breiter gestreut als die Mischfonds der ersten Stunde und verfolgen verschiedene Strategien. Dabei sind alternative Investments / Liquid Alternatives ein zentraler Bestandteil. Daher sind liquide Alternative Anlagen auch Teil der Portfolioallokation unserer Multi-Asset-Fonds, beispielsweise des Fonds Fidelity Zins & Dividende, der beiden Fidelity SMART Global Funds oder der beiden Fonds Fidelity Vermögensverwaltung Defensiv und moderat.
Wir planen, die Bandbreite der genutzten Anlagen in diesem Bereich schrittweise auszubauen.
Welches ist derzeit aus Ihrer Sicht der wichtigste Produkttrend in der Fondsindustrie?
Hellers: Der meiner Meinung nach aktuell wichtigste Produkttrend ist die oben beschriebene Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung bei Multi-Asset-Fonds. Dabei spielen Total Return Ansätze eine immer wichtigere Rolle, wie wir sie beispielsweise bei unseren beiden seit Juli erhältlichen Fidelity SMART Global Funds umsetzen.
Der wichtigste Produkttrend in Ihrem Haus?
Hellers: Mit Blick auf unsere Mittelzuflüsse sind unser Fidelity America Fund, der Fidelity Global Dividend Fund, aber auch unsere Schwellenländer- und Asienfonds – sowohl im Aktien- als auch im Anleihebereich – im Trend. Also klassische Einzelbausteine für Portfolios, um es einmal so zu formulieren.
Daneben ist aber auch bei uns im Haus der wichtigste aktuelle Produkttrend die Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung der Multi-Asset-Lösungen.
Vor allem unsere beiden Fidelity SMART Global Funds verfolgen einen neuen Ansatz.
Für viele Anleger sind zwischenzeitliche Wertschwankungen ihrer Geldanlage ein echter Schmerzpunkt. Sie möchten daher von vornherein wissen, welche Schwankungsbreite sie erwartet. Risikokontrollierte Vermögensverwaltungen sind hier eine gute Lösung. Die Fidelity SMART Global Funds – SMART steht für Systematic Multi Asset Risk Targeted – greifen dieses Konzept auf. Die Kernidee der neuen Produkte ist es, für den gesamten Anlagezeitraum das Vermögen innerhalb definierter Schwankungsbreiten zu managen. Zur Portfoliosteuerung bedienen sie sich des Synthetischen Risiko Rendite Indikators SRRI. Er berücksichtigt die Schwankungsbreite einer Anlage in den vergangenen fünf Jahren und kategorisiert das entsprechende Risiko in sieben Klassen.
Die Fidelity SMART Global Funds werden dauerhaft die in der Praxis häufig nachgefragten SRRI-Klassen 3 und 4 mit einer maximalen Schwankung von weniger als 5 bzw. 10 Prozent besitzen und verfolgen einen Total-Return-Ansatz.
Im Beratungsgespräch lässt sich die so klassifizierte und dauerhaft feststehende Schwankungsbreite der Fidelity SMART Global Fonds transparent dem jeweiligen Risikoappetit des Kunden gegenüberstellen.
Für Anleger wie für Finanzberater sind diese Merkmale ein entscheidendes Plus, da sie Risikokontrolle und Beratungssicherheit miteinander kombinieren.
Welchen Produkttrend sehen Sie in den kommenden Jahren, über den heute noch kaum gesprochen wird?
Hellers: Das Thema Altersvorsorge wird für die Menschen in Deutschland weiter an Bedeutung gewinnen. In diesem Zusammenhang werden Produkte wichtig, die beide Phasen – die Anspar- und die Auszahlphase – in einem Produkt vereinen und dabei auch auf Aktien setzen.
Auf welche Produktinnovation der vergangenen Jahre aus Ihrem Hause sind Sie besonders stolz?
Hellers: Aus Innovationssicht besonders stolz bin ich auf die Fidelity Target Funds und ganz aktuell auf die Fidelity SMART Global Funds. Fidelity ist einer der Pioniere im Bereich Target Funds und in Deutschland Marktführer. Diese Lebenszyklusprodukte liefern seit vielen Jahren den Beweis, dass man Sicherheit ohne Garantien erreichen kann. Ihre Multi-Asset-Kapitalanlage orientiert sich am gewünschten Auszahlungstermin des Anlegers, beispielsweise dem Rentenbeginn.
Je weiter der Renteneintritt in der Zukunft liegt, desto länger investiert der Fonds in wachstumsorientierte Investments. Etwa 20 Jahre vor dem Zielzeitpunkt beginnt der Fondsmanager sukzessive mit der Beimischung stabilerer Anlagen, um so die zuvor erzielten Erträge zu sichern. Während des dynamischen Umschichtungsprozesses hat der Fondsmanager stets den Markt im Blick und kann anders als bei statischen Modellen flexibel auf dessen Entwicklung reagieren. Auf diese Weise wird für den Anleger ein optimales Risiko-Rendite-Verhältnis bis zum gewünschten Auszahlungstermin erreicht.
Bezüglich Performance und Vertriebserfolg ist der Fidelity Global Dividend Fund ein Grund zur Freude. Er ist seit seiner Auflegung im Januar 2012 einer der besten globalen Dividendenfonds, hat mit seiner Performance alle großen und bekannten Wettbewerber hinter sich gelassen und hat bereits rund 4 Mrd. Euro eingesammelt.
Beschreiben Sie unseren Lesern bitte ein spannendes Projekt, an dem Sie oder Ihr Team gerade arbeiten.
Hellers: Sehr spannend und vor allem wichtig ist die interne Nachbearbeitung unserer sehr umfang- und erfolgreichen Berater-Roadshow 2016 – es geht darum, unsere Kundennähe bei Finanzberatern weiter zu optimieren.
Fidelity und die FFB haben bei Ihrer Berater-Roadshow im Juni 18 Städte auch jenseits der Metropolen besucht. Nach einem Überblick über die weltweiten Aktien- und Anleihemärkte war Multi-Asset neben Dividendenstrategien das Thema der Roadshow.
Das Interesse der Kunden war so groß, dass an vielen Standorten kurzfristig zwei Termine angeboten wurden. So konnten Fidelity und die FFB mehr als 600 Kunden bei 23 Veranstaltungen begrüßen. Entscheidend dafür war das Konzept, lokale Nähe zu zeigen und es Beratern zu ermöglichen, die Veranstaltung als Lunch & Learn Termin mit geringem Zeitaufwand zu besuchen.
Im Nachgang geht es nun darum, die wertvollen Rückmeldungen zu verarbeiten, die wir von den Roadshow-Teilnehmern erhalten haben, um unseren Service für die uns sehr wichtige Zielgruppe der Berater weiter zu verbessern.
Von: Felix Hannemann/Iris Bülow
Quelle: Das Investment