SJB | Korschenbroich, 05.06.2015. Im Süden der Eurozone zeigen sich wirtschaftlich erste Sonnenstrahlen – so mancher Anleger greift deshalb gern nach Staatsanleihen aus Italien, Portugal, Spanien oder Griechenland. Wegen der höheren Zinsen als bei Bundesanleihen schätzen auch viele Fondsmanager dieses Anleihe-Segment. Andere wiederum mahnen zur Vorsicht.
Der Staatsbankrott ist sicherlich das Worst-Case-Szenario für jeden Investor, der auf Staatsanleihen setzt. So manchen hat es schon böse erwischt. Etwa im Fall Argentiniens, das im Spätsommer 2014 zum achten Mal in seiner Geschichte als zahlungsunfähig eingestuft wurde. Wer sich nicht mit Kreditausfallversicherungen – sogenannten Credit Default Swaps – dagegen abgesichert hatte, geht leer aus.
Auch in Europa schwebt dieses Schreckgespenst in den Köpfen vieler Anleger, wenngleich die Befürchtungen um eine Pleite der südeuropäischen Randstaaten Italien, Portugal und Spanien in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen sind.
Besonders in Spanien hat die Konjunktur wieder Tritt gefasst, wovon auch der Staatshaushalt profitiert. Italien ist im Auftakt-Quartal 2015 zum ersten Mal seit drei Jahren wieder gewachsen. Und auch Portugal kommt langsam aus der Krise – zu Jahresbeginn kündigte die Regierung an, ihre Schulden beim Internationalen Währungsfonds vorzeitig zurückzahlen zu wollen.
Irland als nordwestlichstes Mitglied der Eurozone, das beim Ausbruch der Finanzkrise ebenfalls stark unter die Räder geriet, boomt schon seit zwei Jahren wieder. Von Krise mag dort keiner mehr sprechen. Während Griechenland im dritten Quartal 2014 das stärkste Wachstum in der gesamten Eurozone verzeichnete, bleibt es das größte Sorgenkind innerhalb der Währungsgemeinschaft – eine Einigung im Schuldenstreit mit seinen europäischen Gläubigern ist noch immer nicht in Sicht.
Trotz nach wie vor hoher Risiken lassen sich viele Anleger den Köder schmecken, den die staatlichen Emittenten in Form hoher Nominalverzinsungen von bis zu 9 Prozent ihnen hinhalten. Außerdem kann der Käufer von Peripherie-Anleihen die Papiere häufig deutlich unter dem Nominalbetrag einkaufen, zu dem die Schuldverschreibung zurückbezahlt wird, wodurch Renditen im zweistelligen Prozentbereich möglich sind. Auf knapp 12 Prozent Rendite kommen so derzeit zehnjährige griechische Staatsanleihen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Februar 2012 ließen sich mit diesen Anleihen sogar Renditen von über 36 Prozent erzielen.
In den vergangenen drei Jahren ist aber der Renditeabstand von Peripherie-Anleihen zu den als sicherer geltenden Staatspapieren der Kernländer wie Deutschland und Frankreich immer kleiner geworden.
Im Falle Griechenlands beträgt der Renditevorsprung gegenüber zehnjährigen Bundesanleihen aber immer noch gut 10 Prozentpunkte. Anders portugiesische Staatsanleihen: Sie werfen aktuell gerade einmal 2 Prozentpunkte mehr ab als deutsche Staatsanleihen, bei vergleichbaren spanischen und italienischen Papieren sind es sogar nur noch 1,4 Prozentpunkte.
Insgesamt sind die Renditen europäischer Staatsanleihen seit drei Jahren auf Sinkflug. Diese Abwärtsspirale scheint nun aber gebrochen. Seit Anfang Ende April geben die Kurse tendenziell nach, und die Renditen steigen demgegenüber wieder an. Wer vermutet hat, dass der massive Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank zu weiter fallenden Renditen führen wird, sieht sich getäuscht.
Sofern Anleger das Geld aus dem Verkauf von Staatsanleihen in Aktien oder den Konsum stecken, wird sich EZB-Chef Mario Draghi sicherlich bestätigt sehen. Denn genau in diese Richtung zielen die von ihm initiierten Maßnahmen, um die Konjunktur im Euroraum anzuheizen. Auf die Euro-Peripherieländer kann sich diese Entwicklung aber wiederum negativ auswirken, denn für sie verteuert sich durch das steigende Zinsniveau der Schuldendienst.
Mauro Valle, Manager des Generali Euro Bonds, richtet seine Aufmerksamkeit viel lieber auf die sich verbessernde Makrosituation der meisten Peripherieländer. Deren Staatsanleihen sieht er mit attraktiven Risiko-Ertrags-Profilen als ideale Diversifizierungs-Bausteine innerhalb von Rentenportfolios an. Nicht so optimistisch ist Michael Merz. Für den Co-Manager des Starcapital Argos überwiegen in der Euro-Peripherie die potenziellen Risiken, die durch die geringen Renditen der Staatsanleihen nicht ausreichend entlohnt werden.
PRO: “Die Fundamentaldaten sprechen für die Peripherieländer.”
Pro: Mauro Valle, Manager des Generali Euro Bonds
In den kommenden Monaten werden Deflationsrisiken und die Erwartungen an das Wirtschaftswachstum in der Eurozone die bestimmenden Faktoren für den Rentenmarkt sein. Um die Gefahr einer Deflation zu vermeiden, wird die Europäische Zentralbank ihren expansiven Kurs fortsetzen und bereit sein für weitere unkonventionelle Maßnahmen. Folglich dürften die Renditen von Staatsanleihen der Kernländer niedrig bleiben, insbesondere bei kurzen Laufzeiten. In den Peripheriestaaten ist gleichzeitig mit einer weiteren Verringerung der Spreads zu rechnen.
Aus heutiger Sicht dürfte der aktuelle makroökomische Befund noch länger anhalten. Das langfristige Refinanzierungsprogramm TLTRO der EZB ist auf vier Jahre angelegt. Die kurzfristigen Renditen dürften folglich niedrig bleiben und auch von niedrigen Volatilitäten geprägt sein.
Es stellt sich daher die Frage, in welchen Rentenbereichen man noch investieren kann und welche Staatsanleihen das attraktivste Risiko-Ertragsprofil bieten.
Grundsätzlich ist Diversifizierung wichtig. Auch im Niedrigzinsumfeld tragen europäische Staatsanleihen positiv zum Risiko-Rendite-Profil eines Portfolios bei. Bei der Länderselektion sehen wir die Peripheriestaaten als attraktiv an. Spanien hat von einer verbesserten innenpolitischen Lage und entsprechenden Reformen profitieren können. Die Wachstumsraten des Landes sind höher als der gesamte Durchschnitt der Eurozone, die Haushaltslage bleibt allerdings schwach.
In Italien ist der Fall umgekehrt: Dort steht der Haushalt besser da, dafür bleiben die Wachstumsraten noch hinter den Erwartungen zurück. Somit befinden sich Italien und Spanien in einer vergleichbaren Situation. Im Fall von Portugal, das im vergangenen Jahr gute Ergebnisse verzeichnen konnte, sollte sich der Spread einhergehend mit der verbesserten Haushaltslage verringern. Das erscheint infolge der Wachstumsraten der vergangenen drei Monate möglich. Irland hingegen hat das Hilfsprogramm nun verlassen und verzeichnet sehr erfreuliche Zuwachsraten. Sollte dieser Makrotrend anhalten, könnte Irland zu den Kernländern der Eurozone aufschließen.
Mit Blick auf die Laufzeiten präferieren wir länger laufende Papiere, vor allem Staatsanleihen Italiens und Spaniens. Nach Ankündigung der EZB, auch Anleihen mit 30 Jahren Laufzeit zu kaufen, sind auch diese Papiere interessant – sowohl aus den Kern- als auch den Peripherieländern. In den Randstaaten weisen aber auch die mittleren Laufzeiten von zwei bis vier Jahren noch attraktive Renditen auf – speziell italienische zweijährige Anleihen, deren Kurs sich seit September verdoppelt hat, bei gleichzeitig eher begrenztem Risiko.
Generell bieten sich italienische Anleihen weiter als Investition an, auch nach der starken Einengung des Spreads in den vergangenen Monaten. Italienische Staatsanleihen sind im Vergleich zu anderen Anlagemöglichkeiten noch immer wettbewerbsfähig, bei ähnlichem Risikoprofil. Außerdem werden sich geeignete Reformen, die die eigene Wettbewerbsstellung stärken sollen, mittelfristig als entscheidende Faktoren für eine neue Markteinschätzung globaler Investoren in Bezug auf den italienischen Markt erweisen.
Wir haben das Übergewicht in italienischen Staatsanleihen in den vergangenen Monaten ausgebaut. Denn wir sind zuversichtlich, dass die Strukturreformen zu einer Erholung der italienischen Wirtschaft führen werden. Der Renditeabstand zu Bundesanleihen dürfte sich deshalb in den kommenden Monaten weiter verringern.
CONTRA: “Marginalen Renditen stehen große potentielle Verluste gegenüber.”
Contra: Michael Merz, Co-Manager des Starcapital Argos
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Eurozone haben sich jüngst zwar verbessert. Der schwache Euro, die niedrigen Refinanzierungskosten und tiefe Energiepreise haben zu einer zyklischen Erholung in Europa geführt. Zu viele strukturelle Probleme, die eine nachhaltige Entschuldung der Peripheriestaaten auf absehbare Zeit kaum zulassen, bleiben aus unserer Sicht jedoch ungelöst.
Zum Beispiel das Potentialwachstum, das schon längere Zeit rückläufig ist und unterhalb von einem Prozent liegt. Die Schuldenstand-Quoten liegen außerdem in der Nähe ihres Hochs oder haben den Hochpunkt noch gar nicht erreicht. Auch die Bruttoinlandsprodukte der Peripherieländer haben das Vorkrisenniveau noch nicht wieder ins Visier genommen. Besonders kritisch ist die Arbeitslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen: In Spanien liegt sie beispielsweise bei knapp über 50 Prozent.
Größter Risikofaktor in der Gruppe der Peripherieländer bleibt Griechenland. Die Gefahr eines Zahlungsausfalls beziehungsweise eines Austritts aus der Eurozone nimmt stetig zu. Unabhängig davon, dass noch immer keine Einigung bezüglich der Auszahlung der letzten Tranche des Hilfsprogramms in Höhe von 7,2 Milliarden Euro erzielt wurde, glauben nur noch die kühnsten Optimisten, dass Griechenland danach kein weiteres Geld benötigt.
Geradezu absurd erscheint darüber hinaus die Tatsache, dass Italien und Spanien für griechische Schulden bürgen. Europa ist zwar deutlich besser auf einen möglichen Grexit vorbereitet als 2012, allerdings bleibt die Ansteckungsgefahr bestehen. Damit wäre ein Präzedenzfall geschaffen, dass die europäische Währungsunion keine irreversible und unteilbare Gemeinschaft ist. Dies würde zu einem erhöhten Risiko von Kapitalabflüssen und dem Verkauf von Staatsanleihen der übrigen Peripherieländer führen. Wie hoch das Ausmaß der Verwerfungen in einem solchen Fall wäre, hängt entscheidend von den Reaktionen der europäischen Institutionen ab, allen voran der EZB.
In Spanien und Portugal stehen dieses Jahr Parlamentswahlen an. Ein starkes Abschneiden europakritischer Parteien wie Podemos könnte zumindest temporär zu einem Anstieg der Volatilität führen. Die Renditen der Peripherie-Staatsanleihen sind seit 2012 kontinuierlich gesunken. Dieser massive Renditerückgang ist keinesfalls dadurch untermauert, dass sich die Fundamentaldaten verbessert hätten. Er geht fast ausschließlich auf die expansive Geldpolitik der EZB zurück. Es gibt wohl nur wenige Investoren, die portugiesische Staatsanleihen gegenüber US-Staatsanleihen bevorzugen würden, wenn es die EZB nicht gäbe. Zum Vergleich: Ende April lag die Rendite zehnjähriger portugiesischer Staatspapiere bei 2,10 Prozent, vergleichbare US-Titel lagen mit 2,03 Prozent auf gleicher Höhe.
Wie attraktiv oder unattraktiv sind nun Anleihen der Peripherie-Staaten? Es kommt ganz entscheidend auf den Blickwinkel an. Investoren, die ausschließlich in europäische Staatsanleihen investieren wollen oder müssen, mögen ein Peripherie-Investment als attraktiv und nahezu alternativlos gegenüber Anleihen der Kernländer erachten. Folgendes Beispiel veranschaulicht den Sachverhalt: Italienische Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von sieben Jahren warfen Ende April noch 1,1 Prozent Rendite ab. Ein Investmentfonds, der ausschließlich in europäische Staatsanleihen investiert, muss bei einer angenommenen Total Expense Ratio von einem Prozent Peripherie-Anleihen erwerben, nur um die Kosten decken zu können. Denn zehnjährige deutsche Bundesanleihen lieferten zum gleichen Zeitpunkt nur eine kümmerliche Rendite von 0,37 Prozent.
Aufgrund der wirtschaftlichen Rahmendaten erwarten wir weiter niedrige Kapitalmarktrenditen. Trotzdem ist das asymmetrische Chance-Risiko-Profil europäischer Staatsanleihen sehr ungünstig. Die beschriebenen Risikofaktoren werden durch den Preis nicht mehr korrekt reflektiert. Marginalen Renditen und potentiell geringen Kursgewinnen stehen erheblich größere potentielle Kursverluste entgegen. Durch den jüngsten Renditeanstieg wurde unsere Einschätzung bis dato bestätigt.
Von: Carsten Krüger
Quelle: DAS INVESTMENT.