SJB | Korschenbroich, 31.08.2015. Die Flaggschiff-Produkte des ETF-Anbieters Wisdom-Tree zählen zu den größten Indexfonds weltweit. Im Gespräch mit DAS INVESTMENT.com erklärt Viktor Nossek, Leiter Research von Wisdom Tree Europe, wie es zu den jüngsten Turbulenzen auf dem deutschen Aktienmarkt kam und warum die Indexfonds und deren Investoren nichts mit dem Einbruch zu tun haben.
DAS INVESTMENT.com: Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass ETFs beziehungsweise die ETF-Großinvestoren größtenteils schuld am jüngsten Dax-Einbruch sind?
Viktor Nossek: ETFs sind nicht der Auslöser für kräftige Korrekturen eines Marktes oder Index. Seit dem 10. August, dem Montag an dem der Ausverkauf in China gestartet ist, haben die grössten fünf DAX-ETFs Nettozuflüsse von 0.4 Milliarden Euro verbucht.
Wie erklären Sie sich den Dax-Crash?
Nossek: Der DAX ist ein High-Beta-Investment auf das globale Risiko-Klima. Also wenn Aktien in den USA, Grossbritannien oder den Emerging Markets fallen, neigt der DAX dazu proportional stärker zu korrigieren. Das begründet sich in der Zusammensetzung des Index. Die Blue Chips machen einen signifikanten Teil ihrer Umsätze auf den Weltmärkten. Innerhalb der Nicht-Finanzwerte ist der Anteil der Zykliker stark. Damit sind die Industriewerte wie Siemens, Linde oder ThyssenKrupp gemeint. Dann sind da die weltweiten zyklischen Konsumwerte wie BMW, VW oder Lufthansa. Innerhalb der Finanzwerte gibt es die Makro-Wetten wie den weltgrössten Versicherer Allianz und die MunichRe. Solche Aktien haben signifikante Schwerpunkte in Asien, China. Das sind die Hauptgründe für die Korrektur im DAX.
Handelt es sich beim jüngsten Dax-Einbruch um eine fällige Korrektur, die Chancen zum Einstieg bietet oder um eine nachhaltige Trendumkehr?
Nossek: Die Korrektur wurde nicht von der hohen Verschuldung der Haushalte und Unternehmen in den Industrieländern hervor gerufen, sondern von dem Einbruch der Rohstoffpreise, der den Druck auf die chinesischen Hersteller vergrösserte. Chinesische Hersteller kämpfen damit profitabel zu bleiben und ihre überschüssigen Produktionskapazitäten abzubauen. Es ist eine klassische Aktienmarkt-Korrektur bei der die Wachstumserwartungen zu gross waren und jetzt auf realistischere Werte zurück gestutzt wurden.
Interessant ist, dass sich der US-Arbeitsmarkt nach wie stabil zeigt und die Expansion der Ausbau der Produktionskapazität in den USA nach wie vor nachhaltig steigt – und das ohne einen damit einher gehenden exzessiven Anstieg der Schulden zur Finanzierung. In der Eurozone festigt sich das Wirtschaftswachstum. Der Finanzsektor beginnt wieder mehr Kredite an den Privatsektor zu vergeben, wenn auch nur in einem langsamen Tempo. Die Aktienkurse in den USA und Europa haben sich stabilisiert. Das deutet darauf hin, dass der unvermeidliche Abschwung in China nicht in einer Bruchlandung enden wird. Die europäischen und US-Märkte haben sich von den chinesischen Märkten abgekoppelt, wo die Korrektur weiter geht. Die Bewertungen sind in den Industrieländern im mittleren Zehner-Bereich.
Angesichts der niedrigen Renditen auf den Anleihenmärkten ist das, sowohl absolut als auch relativ, keine Überbewertung. Das eröffnet für Anleger auf den Aktienmärkten der Industrieländer Chancen.
Von: Svetlana Kerschner
Quelle: DAS INVESTMENT.