SJB | Korschenbroich, 15.04.2015. Es ist Frühling, und rund um den Globus zeigen sich Unternehmen in Sachen Dividenden so spendabel wie nie. Nur deutsche Anleger wollen sich noch nicht so recht auf den Geldsegen einlassen. Letztlich bleibt ihnen aber kaum eine Wahl.
Die Kundinnen von Barbara Rune fragen nicht von sich aus. Wenn die Inhaberin der Berliner Frauen-Finanzberatung Rune Finanz über Dividenden sprechen will, muss sie schon selbst davon anfangen. „Ich versuche immer, meine Kundinnen davon zu überzeugen, dass Aktien zu einem gut angelegten und vor allem breit gestreuten Vermögen dazugehören“, erzählt die Beraterin. Wenn das gelingt, sagt sie, dann nehme sie trotzdem nur selten reine Aktienfonds: „Viele Anlegerinnen halten die Kursschwankungen einfach nicht aus.“
Wobei es künftig vielleicht gar nicht so schlecht wäre, wenn sich ihre Kundinnen abhärten könnten. Denn auch Barbara Rune ist von einem wichtigen Trend überzeugt: Dividenden sind die neuen Zinsen.
Warum? Ganz einfach: Weil es kaum noch Zinsen gibt. Und noch schlimmer: Inzwischen bekommt man nicht nur keine Zinsen, wenn man Geld sicher anlegen will, man zahlt sie sogar. In sechs europäischen Ländern liegen die Renditen für fünfjährige Staatsanleihen inzwischen unter null (Stand: 16. Februar 2015). Schaut man sich hingegen den Aktienmarkt an, finden sich dort allein bei ganz normalen Standardwerten jährliche Dividendenausschüttungen von 2 Prozent und häufig deutlich mehr.
37 Milliarden Euro für Aktionäre
Einige Fakten sprechen dafür, dass über Aktionäre in den kommenden Jahren ein schöner warmer Regen herniedergeht. So schätzt das „Handelsblatt“, dass Unternehmen in der Eurozone auf 800 Milliarden Euro Cash sitzen. Dieses Geld komplett zu investieren, dazu fehlt derzeit die wirtschaftliche Perspektive. Es auf Konten zu horten ist teuer geworden, seit die Zentralbank den Zins für Guthaben unter null drückte. Also ist tatsächlich zu erwarten, dass vieles davon als Dividende an Anleger fließt.
In ihrer jährlichen Dividendenstudie gehen die Analysten der DZ Bank davon aus, dass die Unternehmen des H-Dax in diesem Jahr 37 Milliarden Euro ausschütten werden. Das sind 11 Prozent mehr als im Vorjahr und absolut betrachtet so viel wie nie zuvor. Der H-Dax enthält die 110 Unternehmen aus den Indizes Dax, M-Dax und Tec-Dax. Für ganz Europa rechnen die DZ-Banker damit, dass die Dividenden um etwa 6 Prozent pro Jahr steigen.
Es ist schwierig, sich diesen rosigen Aussichten zu entziehen. Und doch scheint der warme Regen an deutschen Anlegern vorbeizuziehen. Im vergangenen Jahr gab es erneut 500.000 Aktionäre weniger in Deutschland als ein Jahr zuvor, fand das Deutsche Aktieninstitut heraus. Nur 8,4 Millionen Deutsche, also 13,1 Prozent der über 14-jährigen, haben mit Aktien zu tun. Nach Barbara Runes Ansicht müsste es aber fast jeder sein. Es bleibt viel zu tun.
Ähnliches berichtet der Möllner Vermögensberater Wolfgang Blechenberg. Auch Anleger, die ihn um Rat bitten, fragen nur selten von sich aus nach Dividenden. Viele wüssten noch nicht einmal, was eine Dividende überhaupt ist. Blechenberg mag Dividenden auch nicht ohne Weiteres als Zinsersatz ansehen: „Es mag sein, dass Dividenden inzwischen eine wichtige Alternative zu Zinsen sind. Aber es sind und bleiben Aktien und sind daher nicht mit festverzinslichen Anlagen gleichzusetzen.“ Sorgfältige Aufklärung sei deshalb sehr wichtig. Natürlich ist auch da etwas dran. Kein Unternehmen ist verpflichtet, Dividenden zu zahlen, Zinsen auf Anleihen schon. Bevor eine Anleihe ausfällt, geht die Dividende hops.
Bei Claus Walter wiederum interessieren sich Kunden zwar durchaus für Aktien, aber nicht nur aus dem einen Grund. „Sie schauen gar nicht ausschließlich auf die Dividenden. Es geht ihnen auch darum, Produktivkapital zu besitzen“, berichtet der Geschäftsführer des Finanzdienstleisters Freiburger Vermögensmanagement. Dividenden seien zwar ein wichtiger Teil der Aktienanlage, aber nicht alles.
Hohe Dividende = Alarmsignal
Verschiedene Kunden, verschiedene Ansichten. In einem Punkt sind sich aber Berater wie auch erfolgreiche Dividendenfondsmanager einig: Bei einem umsichtig gemanagten Dividendenportfolio kommt es mitnichten nur auf die Höhe der Dividende an. Im Gegenteil: „Eine hohe Dividendenrendite ist oftmals ein Zeichen, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten steckt oder nur begrenzte Wachstumsaussichten hat“, warnt Stuart Rhodes, der mit dem 11,7 Milliarden Euro schweren M&G Global Dividend eines der erfolgreichsten Produkte auf dem Markt managt. Eine Aktie kommt für ihn nur infrage, wenn er Vertrauen in die zukünftigen Dividendenströme hat. Zudem muss die Aktie günstig bewertet sein. „Das ist wichtig, um sicherzugehen, dass wir auch wirklich gute Investments und nicht nur gute Unternehmen haben“, so der Fondsmanager.
„Nehmen wir als Beispiel die Banco Santander mit einer Dividendenrendite von 10 Prozent. Sie musste sie kürzen, weil sie sich eine so hohe Ausschüttung nicht mehr leisten kann“, berichtet Michael Fraikin, der bei Invesco in Frankfurt den Bereich Quantitative Strategies leitet. Er hält für ein ausgewogen gemanagtes europäisches Dividendenportfolio eine Rendite von 3,5 bis 4 Prozent für angemessen: „Bei einem höheren Wert ist das Risiko zu groß, dass etwas schiefgeht.“
Je sorgfältiger man auf Dividenden und das Finanzgerüst dahinter schaut, desto sicherer ist man unterwegs. So baute sich LBBW Asset Management gleich eine eigene Dividendendatenbank für ganz Europa auf. Hauseigene Analysten schätzen die Dividenden ein. Lohn des Aufwands ist unter anderem der mehrfach preisgekrönte LBBW Dividenden Strategie Euroland, mit dem die Fondsgesellschaft seit 1999 am Markt ist.
Wie falsch man mit der reinen Sicht auf die Dividendenhöhe liegen kann, zeigt noch immer das Jahr 2008. Bis dahin galten Banken als zuverlässige Dividendenzahler. Das änderte sich mit der Finanzkrise, als sie ihre Dividenden kürzten oder strichen. Entsprechend überdurchschnittlich stürzten Dividendenindizes ab, die Aktien nur nach der Dividendenrendite gewichtet hatten. Damals brauchte der Manager eines Dividendenfonds nur Banken misstraut zu haben, um einen Dividendenindex zu schlagen.
Schlechtes Jahr 2014 für Dividenden
Etwas schwieriger ist es, sich heute als aktiver Manager gegenüber dem Markt zu behaupten. Stephen Thornber etwa verzeichnete vergangenes Jahr einigen Gegenwind: „2014 führte die Begeisterung von Anlegern für Risiko und Wachstum dazu, dass Aktien mit niedriger oder ganz ohne Dividende überdurchschnittlich gut liefen“, sagt der Manager des Threadneedle Global Equity Income. Beispiele seien das Biotech-Unternehmen Gilead und Apple.
Eine Investmentstory im Thread-needle-Fonds sind Manager von alternativen Investments. Sie sind Nutznießer, wenn Anleger vor niedrigen Zinsen in ausgefeilte Anlagestrategien fliehen. Im März 2012 kaufte Thornber die Aktie des Vermögensverwalters Blackstone und hält sie noch immer. Seitdem legte das Papier fast 230 Prozent zu, inklusive Dividenden. Der S&P 500 schaffte lediglich 83 Prozent.
Es sind über alle aktiv gemanagten Fonds hinweg immer die gleichen Fragen: Wie nachhaltig ist die Dividende? Kann das Unternehmen sie steigern? Verausgabt es sich mit der Dividende? Häufig gelten für verschiedene Branchen verschiedene Maßstäbe. „Eine Tabakfirma darf ruhig 70 Prozent ihrer Gewinne ausschütten. Bei einem Automobilkonzern wären mehr als 40 Prozent schon mutig“, zitiert „Fonds Professionell Online“ Thomas Schüßler, Manager des DWS Top Dividende. In einer so zyklischen Branche sei es sonst nicht möglich, die Dividende über längere Zeit stabil zu halten.
Der Markt hat für besonders stetige Zahler den Namen „Dividenden-Aristokraten“ erfunden (Kasten Seite 30). So hob Coca-Cola vor einem Jahr zum 52. Mal in Folge die Dividende an. Procter & Gamble („Pampers“, „Ariel“, „Wella“) bringt es auf 58 erhöhte Dividenden in Folge.
Und von Johnson-&-Johnson-Finanzchef Dominic Caruso ist dieser Satz überliefert: „Zu Beginn jedes Geschäftsjahrs erhöhen wir immer zuerst einmal die Dividende.“ Stuart Rhodes, dem Caruso das sagte, kam dadurch auf die Idee mit dem M&G Global Dividend.
Ölpreis sorgt für Chancen
Solche Aristokraten mögen Fondsmanager wie auch Anleger. Wenn die Aussichten stabil sind, nimmt mancher sogar niedrigere Renditen in Kauf. Zum Beispiel beim Autozulieferer Dürr, den Sebastian Müller sogar mit einer Dividendenrendite von unter 2 Prozent ins Portfolio geholt hat. Der Manager des vor allem auf Sicht von drei Jahren äußerst stark abschneidenden First Private Euro Dividenden Staufer verweist auf die guten Geschäftsaussichten und die niedrige Ausschüttungsquote des Unternehmens – gerade mal 36 Prozent.
Einen ebenfalls unterdurchschnittlichen Dividendenzahler akzeptiert Andreas Zöllinger für seinen noch nicht fünf Jahre alten, aber sehr gut gestarteten Blackrock European Equity Income (A0P AZR): den Schweizer Dufthersteller Givaudan. Das Management fahre eine klare Dividendenpolitik, meint Zöllinger. Er erwartet gutes Wachstum über die kommenden Jahre. Schon dick dabei mit der Ausschüttung ist dagegen der französische Immobilieninvestor Unibail-Rodamco. Er verwaltet hauptsächlich Einkaufszentren und steckte 860 Millionen Euro in das Hamburger Prestige-Projekt Hafencity. Die Dividendenrendite liegt bei gut 4 Prozent und soll Zöllinger zufolge in den nächsten Jahren um 6 bis 7 Prozent weiter wachsen.
Ein interessanter Sonderfall ist derzeit die Öl- und Gasbranche. Der stark gefallene Ölpreis bringt Ölförderer in Schwierigkeiten, Konkurse sind nur eine Frage der Zeit. Dasselbe gilt für die ersten gekürzten Dividenden bei den bislang als sehr zuverlässig geltenden Energieunternehmen. „Basierend auf Aussagen aus der Industrie ist davon auszugehen, dass die Dividenden vorerst noch nicht im großen Stil gekürzt werden. Die Ausschüttungspolitik bleibt damit klar im Interesse der Aktionäre“, heißt es dazu in der Studie der DZ Bank. Allerdings sinken die Gewinne der Branche schon deutlich. Sollte also der Ölpreis nicht bald nach oben drehen, könnten Dividenden ausfallen, so die DZ-Analysten. Doch vorerst bescheren die ebenfalls gesunkenen Aktienkurse Dividendenrenditen zwischen 5 und 6 Prozent.
Aktienfondsmanager haben das sehr wohl zur Kenntnis genommen. „Der kollabierte Ölpreis hat ein paar einzigartige Gelegenheiten ergeben“, sagt M&G-Mann Rhodes. Vor allem die Anbieter von Energie-Infrastruktur findet er zu Unrecht abgestraft, weil sie gar nicht direkt am Ölpreis hängen. Also griff er beim kanadischen Öltransporteur Gibson Energy zu. Dividendenrendite: 4,5 Prozent.
Im LBBW Dividenden Strategie Euroland sind Öl- und Gaswerte schon höher gewichtet als im Vergleichsindex. Thread-needle-Mann Thornber hält sich dagegen noch zurück und prüft die Faktenlage in den Bilanzen. Allerdings spielt er den Ölpreis über Bande: Im August kaufte er die Aktie von Daimler. Durch steigende Löhne und sinkende Spritkosten fühlten sich die Menschen reicher, so sein Gedanke. Das bringe sie eher dazu, sich ein größeres Auto mit dickerem Motor zu kaufen. „Das bedeutet höhere Gewinnmargen für die Autoproduzenten.“
Von: Andreas Harms
Quelle: DAS INVESTMENT.