Der verpatzte Jahresstart des deutschen Aktienmarktes bereitet vielen Anlegern Bedenken. „Nicht verunsichern lassen, Wachstumsunternehmen herausfiltern und die Schwäche zur Investition in diese Unternehmen nutzen“, sagt Christian von Engelbrechten, der mit seinem Fidelity Germany Fund den Dax im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent geschlagen hat.
Das Jahr am deutschen Aktienmarkt hat sehr volatil begonnen. Ist das schon ein Indikator für die Richtung des deutschen Aktienmarktes in 2016?
Christian von Engelbrechten: Nein, dafür ist es viel zu früh. Als Investor orientiere ich mich ohnehin an langfristigen Faktoren. Wer sich nur kurzfristig an der Börse positioniert, der spekuliert, aber er investiert nicht. Marktschwankungen gehören dazu. Das war auch im vergangenen Jahr so und am Ende haben der Deutsche Aktienindex eine Rendite von 9,6 Prozent und der Fidelity Germany Fund eine Rendite von 21,9 Prozent in 2015 erzielt. Mittelfristig orientieren sich Aktienkurse immer an der Gewinnentwicklung der Unternehmen. Da sah es in 2015 gut aus und auch für 2016 rechne ich im Durchschnitt mit sieben bis zehn Prozent Gewinnsteigerung.
Viele deutsche Unternehmen sind in China aktiv. Sehen Sie angesichts des dortigen Kurseinbruchs besondere Risiken?
von Engelbrechten: Der chinesische Markt entwickelte sich lange Zeit stark, da ist eine Korrektur nicht ungewöhnlich. Die Regelungen zum Abbruch des Handels haben meines Erachtens den Abwärtsdruck verstärkt. Da war mehr Psychologie und Herdentrieb der Beschleuniger als die fundamentale Situation. Wir sehen eine Wachstumsverlangsamung schon seit einiger Zeit.
Branchen wie Chemie oder Automobil, die in China in der Vergangenheit hohe Wachstumsraten zeigten, dürften sich abkühlen. Den Autosektor muss man daher genau beobachten, denn es könnte wieder nach dem alten Muster ablaufen: In guten Zeiten werden die Potenziale überschätzt und die Kapazitäten erweitert. Fällt anschließend die Nachfrage schwächer aus, führen Überkapazitäten zu Preis- und Margendruck.
Die Regierung in China hat sowohl auf der geld- als auch fiskalpolitischen Seite noch viel Potenzial zum Gegensteuern. Auch das strukturelle Wachstum des chinesischen Konsumenten birgt noch auf lange Zeit hohes Potenzial auch für westliche Unternehmen. Die Mehrheit der deutschen Unternehmen dürfte auch bei einer langsameren Entwicklung in China weiter wachsen können.
Was macht den Wirtschaftsstandort Deutschland zu einem bewährten Markt?
von Engelbrechten: Die deutschen Unternehmen sind grundsolide, innovativ und profitieren sowohl von der starken Binnenwirtschaft als auch von der Globalisierung. Die Innovationsstärke der deutschen Unternehmen wird oft unterschätzt. Wer weiß zum Beispiel, dass Continental 12.000 Softwareingenieure beschäftigt? Damit spielt Conti in einer Liga mit dem „Apple“-Konzern, für den schätzungsweise bis zu 16.000 Software-Ingenieure arbeiten. In der Autobranche ist Conti damit führend in neuen Technologien, etwa bei Fahrerassistenz-Systemen.
Bei der Webseitenerstellung gehört United Internet zu den weltweit führenden Unternehmen, Zalando weist den Weg in die Zukunft des Modeeinkaufs und CTS Eventim ist führend bei Systemen für Eintrittskarten zu Veranstaltungen. Es gibt viele deutsche Unternehmen, die bei Zukunftstechnologien ganz vorne mitspielen.
Der schwache Euro macht deutsche Unternehmen für Beteiligungsgesellschaften günstig. Wie bewerten Sie die Situation?
von Engelbrechten: Aus Anlegersicht sind Übernahmen eher positive Risiken, da in der Regel hohe Aufschläge bezahlt werden müssen. Weltweit gab es im vergangenen Jahr so viele Fusionen und Übernahmen wie seit dem Ausbruch der Finanzkrise nicht mehr. Deutschland hinkte etwas hinterher. Das könnte sich aber dieses Jahr ändern und zusätzliche Chancen für Anleger eröffnen. Mir wäre es allerdings auch recht, wenn die Deutschen Potentiale ihrer heimischen Unternehmen selbst erkennen und investieren würden. In kaum einem anderen Land ist der Anteil der im Inland gehaltenen Aktien von Unternehmen so niedrig wie in Deutschland.
Stichwort Bewertungen: Wie stehen die deutschen Aktien im europäischen Vergleich da?
von Engelbrechten: Der deutsche Markt ist sowohl zu seiner eigenen Vergangenheit als auch im europäischen Vergleich attraktiv. Der Abschlag zur eigenen Historie beträgt für den Dax im Durchschnitt mehr als 25 Prozent, und der Abschlag zu Europa ist so hoch wie selten zuvor. Das ist interessant, denn der Dax hat sich gegenüber Europa in 2015 besser entwickelt. Weil die Gewinnaussichten für die Dax-Unternehmen gleichzeitig aber deutlich besser werden, hat der Bewertungsabschlag sogar noch zugenommen. Eine bessere Bestätigung der Solidität und Attraktivität deutscher Unternehmen kann es kaum geben.
Bei der Performance haben Sie den Dax im vergangenen Jahr deutlich geschlagen. Was sind die Gründe dafür?
von Engelbrechten: Mit unseren mehr als 140 Analysten überprüfen wir die Gewinnaussichten jedes einzelnen Unternehmens und filtern diejenigen für den Fonds heraus, die auch in Zukunft stark wachsen werden. Ich meide auf der anderen Seite die Unternehmen, die kaum Gewinnsteigerungen erwarten lassen oder kaum ihre Kapitalkosten verdienen. Da sich Aktienkurse mittelfristig an den Gewinnentwicklungen orientieren profitiert der Fonds von diesen Analysen.
Sie haben Im Januar 2011 das Fondsmanagement des Fidelity Germany Fund übernommen – wie haben sich die Herausforderungen verändert?
von Engelbrechten: Ich freue mich, dass der Fonds nun eine Ein-, Drei- und Fünfjahresbilanz der Strategie zeigen kann. Die Herausforderung ist dieselbe wie vor fünf Jahren: Zu analysieren, welche Unternehmen das beste Gewinnpotenzial haben. Im Vergleich zu 2010 haben wir unsere Ressourcen weiter ausgebaut und haben nun noch mehr Analysten für Unternehmen in den Absatzmärkten der deutschen Unternehmen, sowohl in Asien als auch für die USA.
GRAFIK: Der Fidelity Germany Fund hat den Dax langfristig übertroffen
Quelle: DAS INVESTMENT.