Seit Jahren stemmt sich Japan gegen die Rezession und sinkende Preise. Bislang ohne nennenswerten Erfolg. Der Aktienmarkt befindet sich derweil in einem stabilen Aufwärtstrend. Wie lange dies noch so weitergehen kann, bleibt allerdings unter Fondsmanagern umstritten.
Geld drucken und kein Ende: Mit aller Macht versucht Japans Ministerpräsident Shinzo Abe mit seiner Abenomics genannten geld- und wirtschaftspolitischen Strategie die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt wieder auf Kurs zu bringen. Mit einem Bündel an bereits Mitte 2013 auf den Weg gebrachten Maßnahmen will Abe ein stabiles Wirtschaftswachstum, moderate Preissteigerungen und eine verbesserte internationale Wettbewerbsfähigkeit erzwingen.
Dazu zählt an erster Stelle das Anwerfen der Notenpresse. Seit nunmehr zweieinhalb Jahren kauft die Bank von Japan in großem Stil Anleihen des Staates und auch private Wertpapiere, um die Teuerung anzuheizen und die Inflation auf den Zielwert von 2 Prozent zu heben. Doch davon ist weit und breit nichts zu sehen: Im August lag der Kernindex der Verbraucherpreise 0,1 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Zum ersten Mal seit Beginn der drastischen quantitativen Lockerung fallen die Verbraucherpreise damit tendenziell wieder.
Weitere wichtige Stellschraube ist für Abe die japanische Währung. Mit einer drastischen Abwertung des Yens hat er erreicht, dass Nippon-Produkte im Ausland billiger geworden sind. Das hat insbesondere die Gewinne der Exportindustrie nach oben getrieben – unterstützt von gesunkenen Rohstoffpreisen. Und auch die zahlreichen Strukturreformen auf Unternehmensebene sorgen dafür, dass viele börsennotierte Gesellschaften heute wesentlich besser dastehen als noch vor ein paar Jahren.
Allerdings ist Japan derzeit nicht das einzige Land, das mit einer schwachen Währung den heimischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile auf den Weltmärkten zu verschaffen versucht. Die jüngste gezielte Schwächung des Renminbi durch die Regierung in Peking hat zu einer merklichen Verteuerung japanischer Waren in China geführt und dem Leitindex Nikkei 225 zwischenzeitlich kräftige Kursverluste beschert. Mittlerweile haben sich die Notierungen aber wieder gefangen.
Insgesamt haben japanische Aktien den Anlegern in den vergangenen fünf Jahren viel Spaß gemacht. Um fast 100 Prozent sind die Kurse an der Tokioter Börse geklettert. Zumindest dort hat Abes aggressive Geld- und Fiskalpolitik Wirkung gezeigt und das Vertrauen der Investoren in den japanischen Aktienmarkt zurückgeholt.
Weniger euphorisch hat sich jüngst Standard & Poor’s gezeigt und im September das Langfrist-Rating Japans um eine Stufe auf A+ gesenkt. Die Ratingagentur hält es für wenig wahrscheinlich, dass es der Regierung gelingen wird, auf Sicht der nächsten Jahre eine Wende beim schwachen Wirtschaftsausblick und der Inflation herbeizuführen. Gleichzeitig schätzt der Internationale Währungsfonds, dass die öffentliche Verschuldung Japans im kommenden Jahr auf fast 250 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen wird.
Auch wenn sich die wirtschaftlichen Aussichten in Japan aktuell eintrüben, stehen nach Ansicht von Jan Ehrhardt weite Teile der japanischen Wirtschaft sehr gut da. Der Manager des Gamax Asia Pacific glaubt zudem, dass die Notenbank mit weiteren monetären Lockerungen beispringt, falls die Konjunktur stärker ins Stocken geraten sollte.
Weniger positiv schätzt dagegen Huub van der Riet den japanischen Aktienmarkt ein. Der Manager des NN Global Equity Opportunities bemängelt unter anderem, dass die Gewinnsteigerungen der Unternehmen zu wenig in der Volkswirtschaft ankommen, beispielweise über höhere Löhne und einen stärkeren privaten Konsum.
GRAFIK: Von Sorgenkind keine Spur
PRO: “Es besteht keine Notwendigkeit, Japan herunterzureden.”
Jan Ehrhardt, Manager des Gamax Asia Pacific
Sicher, auf den ersten Blick spricht einiges gegen die japanische Wirtschaft, die derzeit schwächer wächst als noch zu Jahresanfang prognostiziert. Anfang Oktober reduzierte die japanische Zentralbank ihre Wachstumsprognose für 2015 auf rund ein Prozent. Ein wichtiger Grund hierfür ist die Abschwächung in China und in anderen Schwellenländern, welche insbesondere die japanische Exportbranche belastet. Eine weitere Abschwächung in den Schwellenländern würde sich negativ auf den Absatz vieler Unternehmen auswirken, besonders aus zyklischen Sektoren wie Industrie oder Chemie.
Die Verlangsamung des Wachstums im Exportsektor bestätigt der jüngste Tankan-Bericht. Dabei handelt es sich um die Quartalsumfrage der Bank of Japan unter tausenden Unternehmen. Große Industriegesellschaften beurteilen demnach ihre Geschäftsaussichten inzwischen verhaltener als noch im vorangegangenen Quartal. Mit einem Wert von 12 liegt der Teilindex aber noch immer im positiven Bereich. Somit deutet die Befragung bisher nicht auf eine bereits von einigen Experten erwartete Abwärtsspirale der japanischen Wirtschaft.
Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor beurteilen ihre Geschäftsaussichten dagegen überwiegend positiv. Dies deutet unter anderem auf eine weiter stabile Binnenkonjunktur hin. So entwickeln sich Sektoren wie Tourismus oder Transport, insbesondere aufgrund eines starken Anstiegs der Besucherzahlen aus China, weiter relativ gut. Auch die Geschäftsperspektiven von Unternehmen aus defensiven Sektoren, etwa Nahrungsmittel- und Getränkeproduzenten mit einem hohen Umsatzanteil in Europa, sind aktuell erfreulich.
Sollten sich die Aussichten für die gesamte japanische Wirtschaft nachhaltig verschlechtern, könnte ein weiteres Mal die japanische Notenbank aktiv werden. Einige Marktbeobachter gehen bereits davon aus, dass sie im Falle einer anhaltenden Schwäche der japanischen Konjunktur das bestehende Anleihekaufprogramm ausweiten wird. Als Grund für diese Maßnahme könnte auch die Entwicklung der Inflation herangezogen werden, denn die aktuellen Teuerungsraten liegen klar unterhalb des ausgegebenen Inflationsziels von 2 Prozent.
Im Falle einer Ausweitung des Quantitative Easings durch die Notenbank wäre die gesamte Tokioter Börse aus dem monetären Blickwinkel noch stärker begünstigt. Der Yen würde dann wahrscheinlich erneut schwächeln, was dann wiederum positiv für exportorientierte Unternehmen wäre.
CONTRA: “Japans Unternehmen investieren zu wenig.”
Huub van der Riet, Manager des NN Global Equity Opportunities
Wenn man angesichts der aktuellen Volatilität an den Märkten die japanische Wachstumsrate des ersten Halbjahres betrachtet – auf das Jahr hochgerechnet etwas mehr als 1,5 Prozent – sieht dies auf den ersten Blick ganz ordentlich aus. Davon sollte sich jedoch kein Anleger in Euphorie versetzen lassen, denn die große Frage in Japan lautet nach wie vor: In welchem Maße werden die steigenden Unternehmensgewinne für Ausgaben genutzt, die sich positiv auf die Haushaltseinkommen und die Konsumbereitschaft der Verbraucher auswirken und damit wieder in die Unternehmen zurückfließen?
Denn dieser Aspekt ist entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung und Dynamik des Wachstums. Und langsam wird sichtbar: Das Tempo der Unternehmensinvestitionen ist geringer als das Gewinnwachstum. Dementsprechend wächst zwar das Unternehmenskapital. Die Inlandsnachfrage aber stagniert, der Export ebenfalls.
Dass die Stimmung insgesamt skeptischer wird, zeigen Umfragen unter japanischen Firmen. Auch eine Studie, die Arbeitnehmer mit direkten Kundenkontakten befragt und dementsprechend als Frühindikator gilt, kommt zu diesem Ergebnis. Nachdem das Verbrauchervertrauen im Juli abgestürzt war, gab es im August zwar wieder eine Gegenbewegung. Aber für einen nachhaltigen Impuls in Richtung wieder steigender Konsumfreude reicht das wohl nicht aus.
Auch das Wachstum der Industrieproduktion Japans bleibt ziemlich schwunglos, wahrscheinlich teilweise durch die Schwäche in China hervorgerufen. Zudem beschränkt der Abbau der Lagerbestände das Produktionswachstum. Gleichzeitig sind die Auftragseingänge für Investitionsgüter im Sommer weiter deutlich gesunken. Auch das ist eine Entwicklung, die an japanischen Aktien interessierte Anleger kritisch beobachten sollten.
Von: Carsten Krüger
Quelle: DAS INVESTMENT.