Schon jetzt sorgt ein möglicher Brexit für Unruhe an den Märkten. Die Anlageteams von Fidelity für Aktien, Anleihen und Immobilien erläutern, wie sich ein Austritt Großbritanniens aus der EU auf die Märkte auswirken könnte – und was ein Verbleib bedeuten würde.
Am 23. Juni stimmen die Briten ab, ob sie in der Europäischen Union bleiben wollen. Zurzeit deuten die Meinungsumfragen zwar eher darauf hin, dass die Mehrheit der Briten gegen einen Austritt votiert. Dennoch hat allein die Debatte um den Brexit das Britische Pfund auf Talfahrt geschickt. Die Marktteilnehmer trauen dem Frieden nicht. An den Finanzmärkten ist schon einiges an Pessimismus eingepreist. Daher könnte nicht nur ein Ja zum Austritt, sondern auch ein Nein zu drastischen Bewegungen an den Märkten führen.
Anleihen: Streuung ist die beste Verteidigung
An den Anleihemärkten hat die Gefahr eines Brexits für sinkende Renditen bei den britischen Staatsanleihen gesorgt. Auf Pfund lautende Unternehmensanleihen hingegen mussten eher Kursrückschläge hinnehmen. Das Anleihe-Team von Fidelity geht in seinem Basisszenario von einem Verbleib der Briten in der EU aus und erwartet, dass Anleger dann wieder aus Staatsanleihen in risikoreichere Papiere umschichten, was auch das Pfund unterstützen würde.
Was aber, wenn es doch zum Brexit kommt? Dann könnte der britische Staatsanleihemarkt zunächst weiteren Auftrieb bekommen. Das Anleiheteam rechnet anfangs mit einer Flucht in sichere Häfen entlang der Zinskurve, wobei diese steiler werden dürfte. Bei den länger laufenden Staatsanleihen dürften aufgrund des gestiegenen Kreditrisikos höhere Risikoprämien und auch eine unsichere Inflationserwartung eingepreist werden. „Sollte allerdings das Vertrauen gänzlich verloren gehen – etwa bei einem Bruch der Cameron-Regierung mit anschließenden Neuwahlen –, könnte das für erheblichen Druck auf britische Staatsanleihen sorgen“, so die Anleihe-Experten.
Bei den Unternehmensanleihen würden nach Einschätzung des Fidelity-Anleiheteams Banken bei einem Brexit ganz vorne in der Schusslinie stehen. Ein schwächeres Wirtschaftswachstum mit steigender Arbeitslosigkeit und fallenden Hauspreisen im Gefolge würde sie zu höherer Risikovorsorge zwingen. Allerdings seien britische Banken gut gerüstet, um eine ein bis zwei Jahre dauernde Rezession zu überstehen. Da der Ausgang des Referendums und damit die weitere Entwicklung an den Anleihemärkte recht unsicher sind, sehen die Fidelity-Experten eine breite Streuung als beste Verteidigung.
Aktien: Brexit trifft Nebenwerte
Auch an den Aktienmärkten sind die Brexit-Sorgen bereits erkennbar. Vor allem die Kurse in konjunkturempfindlicheren Branchen wie Banken, Baugewerbe und Konsum leiden. Sollte die Mehrheit der Briten mit einem Nein zum Austritt stimmen, könnte nach Ansicht des Fidelity-Aktienteams viel Geld zurück in auf Pfund lautende Risikoanlagen fließen und für eine schnelle Erholung am Aktienmarkt sorgen. Binnenorientierte Zykliker dürften dabei besser abschneiden als defensive Qualitätsaktien und den Trend der letzten Monate umkehren.
Im Falle einer Zustimmung zum Austritt erwarten die Aktien-Spezialisten widerstreitende Kräfte, die den Ausblick für die Märkte kurz- bis mittelfristig bestimmen werden. Die Hauptlast der Schwankungen sehen sie auf den Devisenmärkten. „Schon jetzt wird das Pfund Sterling zum Dollar so tief gehandelt wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Kommt es zum Brexit, halten wir einen massiven Einbruch zum Dollar auf unter 1,40 und damit den tiefsten Stand seit über 30 Jahren für möglich“, so die Experten. Viele in Großbritannien gelistete Unternehmen generieren allerdings einen Großteil ihrer Umsatzerlöse in ausländischer Währung und dürfen weniger betroffen sein. Anders sieht es tendenziell bei kleineren Firmen aus. Nebenwerteindizes, in denen Unternehmen mit hohem Gewinnanteil in Pfund stärker vertreten sind, werden dann vermutlich anders als in den letzten sechs Jahren hinter dem Markt zurückbleiben.
Immobilien: Schwächeres Pfund schmälert Immobilienwerte
Auch an den Immobilienmärkten spielt die Währungsentwicklung eine zentrale Rolle. Bis zur Abstimmung rechnet das Fidelity-Immobilienteam mit einer Abwertung des Pfunds gegenüber den großen Währungen. Das würde einerseits den relativen Wert bestehender Immobilienvermögen schmälern. Andererseits bietet sich für ausländische Investoren eine gute Gelegenheit für einen Einstieg in den britischen Immobilienmarkt. Vor allem US-Investoren nutzen schon seit einigen Jahren die Währungsschwäche gegenüber dem US-Dollar. Und die Fidelity-Experten erkennen zurzeit keinerlei Anzeichen, dass sich ausländische Investoren aufgrund des Brexits von britischen Immobilien fernhalten.
Ein Austritt Großbritanniens aus der EU könnte sich nachteilig auf die britische Finanzbranche auswirken, sollte die EU beschließen, ein eigenes Finanzzentrum aufzubauen. Derzeit ist London die wichtigste Drehscheibe für Finanzdienstleistungen in der EU. Die Fidelity-Experten halten es jedoch für fraglich, ob Paris oder Frankfurt über das nötige Know-how und ausreichend Finanzexperten und entsprechende Dienstleistungen verfügen, um der Londoner City ernsthaft Konkurrenz zu machen.
Von: Sabine Groth
Quelle: DAS INVESTMENT.