Die meisten Vermittler mit einer Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung arbeiten zwar nach wie vor auf Basis von Provisionen. Viele erschließen sich daneben aber neue Einnahmequellen und führen Servicegebühren ein. Die Umstellung ist gar nicht so kompliziert. „Man denkt, man hat etwas Riesiges fürs Leben aufgebaut – und plötzlich soll es nichts mehr wert sein“, so umschreibt Finanzanlagenvermittler Antonio Sommese seine Befürchtungen im Jahr 2013: Die damals noch geltende Finanzmarktrichtlinie Mifid I sollte überarbeitet werden. Im Zuge dessen machte auch eine Idee die Runde, die vielen Finanzvermittlern wie ein Damoklesschwert erscheinen musste. Es war die Rede von einem möglichen europaweiten Provisionsverbot.
Der Einschnitt hätte die Geschäftsmodelle der meisten deutschen Finanzvertriebe über den Haufen geworfen, finanzierten diese sich doch in erster Linie über Ausgabeaufschläge und Bestandsprovisionen. Die beiden Vergütungsarten entlohnen den Vertrieb und kommen jeweils vom Produktgeber, im Finanzanlagenbereich also von den Fondsgesellschaften. Beim Ausgabeaufschlag zahlen Kunden bei Fondskauf eine Einmalgebühr, beispielsweise 5 Prozent der Anlagesumme. Das Geld erhält der Vermittler. Ebenso wie die Bestandsprovisionen, auch Kickbacks genannt. Sie machen zum Beispiel 0,4 Prozent der Anlagesumme aus und fließen dem Vermittler über die gesamte Laufzeit des Investments jährlich zu. Die Gesellschaften holen sie über die Fondsgebühren wieder herein.
Mit der Diskussion um ein generelles Provisionsverbot standen diese Einnahmequellen plötzlich infrage, auch bei Antonio Sommese. Der ehemalige Bankmitarbeiter hatte sich 2003 mit eigenem Finanzvertrieb selbstständig gemacht. Heute arbeitet „Finanzstrategie Sommese“ mit einer Lizenz nach Paragraf 34f der Gewerbeordnung (GewO). Sommese hatte bereits in den Nullerjahren mit Rabatten oder Verzicht auf Ausgabeaufschläge experimentiert, die er Kunden anbot. Das habe er als einen Wettbewerbsvorteil gesehen. Später lieferte die Regulierung neue Argumente: Das drohende Provisionsverbot hätte auch sein Unternehmen ins Schlingern gebracht, so Sommese.
Änderungen durch die FinVermV
Obwohl das Verbot irgendwann wieder vom Tisch war, veränderte Sommese sein Geschäftsmodell – Hilfe erhielt er vom Maklerpool Fondskonzept. Der Vertriebler versprach seinen Kunden im Fall einer Vertragsumstellung auf Servicegebühr ein Technikpaket, zum Beispiel mit einer eigenen App und automatisch versendeten Warnhinweisen, wenn der Kurs eines Fonds im Depot abstürzen sollte. Dazu gebe es Zugriff auf eine noch breitere Produktpalette. Die Umstellung würde ein Prozent des verwalteten Vermögens kosten, dafür sollte die gewinnschmälernde Gebühr beim Fondskauf wegfallen, versprach der Finanzdienstleister. Die meisten Kunden seien einverstanden gewesen.
Servicegebühren werden im deutschen Finanzanlagenvertrieb immer beliebter. Diese Beobachtung hat auch Guntram Schloß gemacht. Der Trend gehe zumindest ganz sachte in die Richtung, schätzt der Vorstandschef des Maklerpools Apella. Dass allerdings in den kommenden zwei oder drei Jahren ein kompletter Umschwung bei der Maklervergütung stattfinden werde, mag Schloß nicht so recht glauben.
Ganz anders schätzt Martin Eberhard von Fondskonzept die Lage ein: Alle Vermittler, die am Markt weiter bestehen wollten, sollten sich schleunigst nach Alternativen zu Provisionen umsehen. Denn wenn demnächst die neue Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) in Kraft tritt, könnte es für 34f-ler ungemütlich werden. Seine Warnung verpackt der Fondskonzept-Vorstand in ein Bild: „Der Schnellzug kommt über Nacht. Viele Makler werden danach aufwachen und unangenehm überrascht sein.“
Die FinVermV legt Regeln für deutsche Finanzmakler fest, die nach der GewO tätig sind. Aktuell hängen 34f-Vermittler allerdings noch in der Luft. Denn bislang existiert die Verordnung erst im Entwurf, und an dem kann sich noch einiges ändern. Während also alle nach Kreditwesengesetz tätigen Berater schon seit Jahresbeginn 2018 nach Mifid II arbeiten, sind die Regeln für Gewerbeordnungsvermittler immer noch unklar.
Trendverstärker ETF
Unter anderem könnte eine Mifid-Bestimmung auf 34f-ler überschwappen, die Kritiker als „Provisionsverbot light“ ansehen: Wer sich von Produktanbietern bezahlen lässt, darf das Geld nur verwenden, um die Qualität seiner Beratung zu verbessern, heißt es in der Richtlinie. Wie eine verbesserte Qualität aussehen könnte, hat die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde Esma erläutert. Es könnte regelmäßige Kundengespräche oder Depotauswertungen geben. Fondskonzept-Mann Eberhard prognostiziert: Wenn diese Vorgabe auch für 34f-Vermittler kommt und das Thema Qualitätsverbesserung eng ausgelegt wird, müssen viele aktuell noch provisionsfokussierte Vermittlervertriebe schließen. Der FinVermV-Entwurf enthält die Regel zwar nicht. Das heißt allerdings nicht, dass sie damit schon vom Tisch ist.
Fondskonzept bietet seit rund fünf Jahren Schulungen für Makler an, die ihr Geschäftsmodell auf Servicegebühren umstellen wollen. Den Trend dahin sieht Eberhard einerseits als Folge der Finanzmarktregulierung. Denn FinVermV hin oder her: Der Streit um Provisionen dürfte auch in den kommenden Jahren nicht verstummen. Als weiteren Auslöser des Trends empfindet Eberhard aber auch den Wandel in der Produktlandschaft: „Ein Makler, der statt in aktive Fonds lieber in ETFs investieren möchte, braucht einen Ersatz für die Provision. Das ist die Servicegebühr.“
Exchange Traded Funds, kurz ETFs, locken aufgrund ihrer automatisierten Anlagestrategie Kunden mit besonders niedrigen Gebühren. Einige Produkte sind bereits zum Preis von 0,01 Prozent der Anlagesumme erhältlich. Dagegen können ihre aktiv gemanagten Geschwister schon mal 1,5 Prozent verschlingen. Die geringen Gebühren dürften der Grund sein, warum Finanzanlagenvermittler um ETFs mehrheitlich noch einen Bogen machen. Die meisten stützen ihre Geschäftsmodelle nach wie vor auf Provisionen, und die lassen sich aus ETFs kaum erwirtschaften.
Zulassungen nach 34h gehen schleppend voran
Seit August 2014 gibt es in Deutschland eine neue Zulassungsart: Vermittler können sich auch nach Paragraf 34h GewO registrieren lassen. Wer als sogenannter Honorar-Finanzanlagenberater tätig wird, verpflichtet sich, keine Vergütung von Produktanbietern anzunehmen. Das Geld kommt stattdessen vom Kunden und bemisst sich in der Regel als Prozentsatz am verwalteten Vermögen. Die Argumentation von Politikern und Verbraucherschützern, die vor einigen Jahren dem „34h“ Vorschub geleistet haben, lautet: Wer sich ausschließlich von seinen Kunden bezahlen lässt, vertritt dann auch ausschließlich die Interessen der Kunden. Ein Gewissenskonflikt zwischen der Sorge um das Kundenwohl und das eigene Portemonnaie bleibt aus.
Im 34h-Universum tragen Servicegebühren den etwas eleganteren Namen „Honorare“. Der Namenszusatz „Honorar“ hat in der Branche allerdings einen erbitterten Streit ausgelöst. „Honorar-Finanzanlagenberater“ (34h) ist ein geschützter Begriff, „Honorar-Berater“ oder „Honorar-Finanzberater“ dagegen nicht. Der Zwist hat schon mehrere Gerichte beschäftigt. Das Modell 34h kommt allerdings nur schleppend in Gang: Anfang Oktober 2018 gab es in Deutschland gerade einmal 193 Berater mit einer 34h-Erlaubnis. Ihnen gegenüber stehen knapp 38.000 Finanzanlagenvermittler und sogar 204.000 Versicherungsvermittler. Am deutschen Beratermarkt ist die 34h-Lizenz damit vorerst eine Randnotiz.
Weit verbreitet: gemischte Vergütung
Statt mit der klassischen Provisionsvergütung ganz zu brechen und nach Paragraf 34h tätig zu werden, führen viele 34f-Vermittler lieber eine Doppelexistenz. Wie Antonio Sommese führen sie Mischmodelle ein: Servicegebühren mit umfangreicher Beratung für vermögende Kunden, Provisionsmodell mit wenig Drumherum für den kleinen Sparplan. Bei Sommese hatte das den Effekt, dass in der Firma heute mehrere Vergütungsformen nebeneinander existieren.
Die Standardpreise sind auf der Internet-Seite nachzulesen: Es gibt Kunden, die ein Prozent ihres verwalteten Geldes als jährliche Gebühr zahlen und dafür digitalen Einblick und automatisierte Auswertungen ihrer Portfolios erhalten – plus Beratung nach Bedarf. Sogenannten Premiumkunden berechnet Sommese 1,5 Prozent Servicegebühr, dafür verspricht die Firma hier intensivere Beratung. Ratsuchende Nichtkunden zahlten üblicherweise einen Stundensatz, verrät Sommese. Und dann gebe es noch eine Reihe langjähriger Kunden, die kein Interesse am neuen Gebührenmodell gezeigt hätten. Hier sei alles beim Alten belassen worden – aus alten Verträgen flössen nach wie vor einige Bestandsprovisionen.
Provisionsaverse Vermittler haben übrigens zwei Möglichkeiten, mit der Bestandsvergütung umzugehen, die ihnen aus Fondsklassen für Privatanleger regelmäßig noch zufließt. Einerseits können sie sie an ihre Kunden weiterreichen. Andererseits können sie sie einbehalten. Gespräche mit Marktteilnehmern legen nahe, dass viele Makler mit Servicegebühr-Geschäftsmodell das so handhaben. Sebastian Grabmaier, Chef der JDC-Gruppe, die auch den Maklerpool Jung, DMS & Cie. beherbergt, hat dafür Verständnis: Finanzämter würden durchgeleitete Bestandsprovisionen möglicherweise nicht als Betriebskosten anerkennen, Vermittler müssten sie versteuern. Bei viel Verwaltungsaufwand komme dann wenig beim Kunden an. Ohnehin sieht der JDC-Chef ein generelles Provisionsverbot kritisch. „Ein kleiner Investmentvermittler ist unter Umständen froh, wenn er am Monatsende 3.000 Euro nach Hause trägt. In unserem Beruf ist fast niemand richtig reich.“ Die seiner Meinung nach sehr hart geführte Diskussion um Provisionsverbote findet Grabmaier unverständlich.
Allerdings haben sich auch einige Fondsgesellschaften mittlerweile der Strömungsrichtung weg von der Provisionsvergütung angepasst. Sie bieten provisionsfreie Anteilsklassen an, sogenannte Clean Share Classes, die ähnlich günstig sind wie institutionelle Fondstranchen. Weil die eingebetteten Vertriebsgebühren fehlen, ist hier auch der Verwaltungsaufwand für Vermittler geringer.
Es gibt einen Wermutstropfen, den Vermittler in Kauf nehmen müssen, wenn sie mit Servicegebühren arbeiten wollen: Im Gegensatz zur Bestandsprovision wird hier die Mehrwertsteuer fällig. Immerhin 19 Prozent gehen an den Fiskus. Vermittler Sommese hat seine Entscheidung bis heute trotzdem nicht bereut. „Vermittler, die Servicegebühren einführen, werden mit dieser Taktik größer“, glaubt er. Bei Sommese selbst hat das geklappt. Gestartet 2003 mit knapp 9 Millionen Euro, verwaltet das Unternehmen heute mehr als 50 Millionen Euro. Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass sich in diesem Zeitraum auch die Märkte recht erfreulich entwickelt haben und für einigen Zuwachs gesorgt haben dürften.
Von: Iris Bülow
Quelle: Das Investment