Das Investment: BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter: „Das einzig Gute der Deutschlandrente ist ihr Name“

sjb_werbung_das_investment_300_200Riester- und Rürup-Rente sind nicht genug: Drei hessische Minister schlagen nun Deutschlandrente als zusätzliche Altersvorsorge vor. DAS INVESTMENT.com fragte unter anderem bei Fonds- und Beraterverbänden nach, was sie von dem Konzept halten. Hier die Antworten von Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Fondsverbands BVI.

Hintergrundinfo: Um Altersvorsorge für Bürger attraktiver zu machen und Altersarmut zu verhindern, schlagen Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, Sozialminister Stefan Grüttner und Finanzminister Thomas Schäfer das Altersvorsorge-Konzept Deutschlandrente vor. Das Standardprodukt soll zum Selbstkostenpreis von einem zentralen Rentenfonds verwaltet werden. Jeder Arbeitnehmer, der nicht widerspricht, soll automatisch jeden Monat einen Beitrag in das Rentenprodukt einzahlen (Opt-Out-Modell). Der Deutschlandfonds legt das Geld an. Weitere Informationen finden Sie hier.

DAS INVESTMENT.com: Halten Sie die Deutschlandrente in der Form, wie die die drei Minister vorschlagen, für ein realistisches Modell? Wo sehen Sie Schwachstellen und Nutzen des Konzepts?

Thomas Richter: Das einzig Gute der „Deutschlandrente“ ist ihr Name. Ansonsten ist die Idee ein trauriger Beleg der Staatsgläubigkeit, die sich seit der Finanzkrise breit gemacht hat. Helfen würde sie niemandem. Das Modell der drei hessischen Minister sieht unter anderem vor, dass der staatlich verwaltete Vorsorgefonds sicher investieren soll. Allerdings liegt das Sparvermögen beim Staat. Wie sicher ist es dort? Spanien hat 2012 den Reservefonds der Sozialversicherung geplündert, Irland für die Bankenrettung die Rentenkassen angezapft, und auch die Deutsche Rentenversicherung muss regelmäßig für versicherungsfremde Leistungen herhalten.

Eine weitere Schwachstelle ist, dass Staatsbedienstete den Fonds managen sollen. Ich bezweifle sehr, dass sie das besser können als die Fondsgesellschaften. Es ist wahrscheinlicher, dass die Anlagestrategie durch politische Vorgaben künftiger Regierungen gesteuert wird. Das Ganze könnte auf ein politisch korrektes Aktienportfolio und jede Menge Bundesanleihen hinauslaufen.

Auch sind die angeblich niedrigeren Kosten des Staatsfonds nicht belegt. Private Anbieter müssen alle Gebühren ausweisen, inklusive die für den Vertrieb. Die steuerfinanzierten Kosten des staatlichen Fonds stehen dagegen in keinem Produktinformationsblatt. Und dank „Opting-out“ würde der staatliche Fonds massiv in den „Markt“ gedrückt. Das ist eine klare Wettbewerbsverzerrung.

Auch dass die Altersvorsorge-Beiträge einfach erhoben werden können sollen, bezweifle ich. Das gilt allenfalls für die gesetzlich Rentenversicherten. Aber wie sollen denn die Millionen nicht Versicherungspflichtigen einbezogen werden? Für sie müsste ein zusätzliches System geschaffen werden – mit immensem Aufwand.

Halten Sie das Opting-Out-Modell für geeignet, Altersarmut vorzubeugen?

Richter: Die Diskussion um eine drohende Altersarmut lässt sich nicht allein im Altersvorsorgesystem führen, es gehören auch arbeitsmarktpolitische und bildungspolitische Antworten dazu. Das Opting-Out-Modell ist zumindest ein einfacher und wirkungsvoller Ansatz, um die unzureichende Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge auszubauen. Damit erhält jeder neue Arbeitnehmer automatisch eine betriebliche Altersversorgung über Entgeltumwandlung, es sei denn, er spricht sich ausdrücklich dagegen aus. Die USA, Neuseeland, England und die Niederlande haben mit Opting-Out-Modellen gute Erfahrungen gemacht. Diese Lösung muss nicht den Gesetzgeber auf den Plan rufen. Viele Arbeitgeber haben bereits heute die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Personalpolitik betriebliche Altersversorgung auf Opting-Out-Basis anzubieten. Der BVI befürwortet solche Modelle. Hingegen lehnen wir eine gesetzliche Verpflichtung ohne Ausstiegsmöglichkeit ab. Ein Obligatorium würde von den Arbeitnehmern wie eine Steuer empfunden.

Sollte die Deutschlandrente eingeführt werden – was geschieht dann mit der Riester-Rente der privaten Anbieter? Bleibt sie für Sparer nach wie vor attraktiv?

Richter: Die Deutschland-Rente verzerrt den Wettbewerb, weil die Kosten aus Steuermitteln getragen werden und nicht direkt vom Anleger. Dadurch erscheint das Produkt billiger, was selbstverständlich dazu führen kann, dass die Riester-Rente weniger nachgefragt wird. Dabei steht auf einem ganz anderen Blatt, ob die Deutschland-Rente wirklich kostengünstiger ist, denn der Anleger braucht Beratung. Auch der Staat müsste sich auf Anfragen einstellen, wenn verunsicherte Anleger beispielsweise wegen fallender Aktienmärkte beim ihm Rat suchen. An wen sollten sie sich wenden?

Kritiker der Deutschlandrente befürchten unter anderem, dass ein derart schwerer, zentral verwalteter Fonds, Marktverzerrungen bewirken könnte. Wie sehen Sie das?

Richter: Das sehe ich auch so. Große Staatsfonds können das Vermögen gezielt für politisch motivierte Anlageentscheidungen einsetzen und damit Märkte beeinflussen. Nehmen wir den norwegischen Staatsfonds als Beispiel. Vor einem Jahr hat der Finanzausschuss des norwegischen Parlaments beschlossen, dem Fonds strengere Klimaschutz-Kriterien aufzuerlegen. Unternehmensbeteiligungen, die bei mehr als 30 Prozent ihres Geschäfts von der Kohle abhängig sind, sollen verkauft werden. Seitdem wird öffentlich darüber diskutiert, welche Unternehmen in Frage kommen, und andere institutionelle Anleger planen, ihre Strategie anzupassen. Ein weiteres Beispiel ist China. In den letzten Wochen haben offenbar chinesische Staatsfonds massiv Aktien gekauft, um den Kurssturz an den chinesischen Börsen zu dämpfen.

Mit der Deutschlandrente würde der Staat die Altersvorsorge weitgehend in die eigene Hand nehmen und so den Fondsgesellschaften eine wichtige Einnahmequelle entziehen. Sehen Sie das Geschäft der Fondsgesellschaften dadurch bedroht

Richter: Ich glaube nicht, dass diese sogenannte Deutschland-Rente Realität wird. Und wenn, bliebe abzuwarten, ob der Staat wirklich der bessere Asset Manager ist. Ich sehe das nicht so. Die Fondsbranche kann auf eine jahrzehntelange Expertise, große Professionalität und ein breites Angebot in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge verweisen. Derzeit betreuen die Fondsgesellschaften direkt und indirekt das Kapital von rund 50 Millionen Deutschen.

Insbesondere in der betrieblichen Altersversorgung führt an Investmentfonds kein Weg vorbei. Sie bilden das Rückgrat für die Kapitalanlage der externen Durchführungswege und spielen eine entscheidende Rolle für die Ausfinanzierung von Direktzusagen, dem mit Abstand bedeutendsten Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung. Altersvorsorgeeinrichtungen gehören zu den wichtigsten Kunden der Fondsbranche. Über maßgeschneiderte Konzepte trägt die Fondsbranche den individuellen Verhältnissen und Anforderungen sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers Rechnung.

Der deutsche Versichererverband GDV will mit einem 7-Punkte-Plan die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) erhöhen. Wie bewerten Sie das bewährte bAV-Modell zum Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge für Arbeitnehmer im Vergleich zur vorgeschlagenen Deutschlandrente?

Richter: Grundsätzlich positiv. Die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge ist in den letzten Jahren jedoch ins Stocken geraten. Erst 60 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben eine Anwartschaft auf Betriebsrente aufgebaut. Es besteht also Handlungsbedarf. Das sieht die Bundesregierung auch so. Sie zielt insbesondere auf eine stärkere Verbreitung in kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Das finden wir gut und unterstützen die Erreichung dieses Ziels mit eigenen Vorschlägen. Eine Deutschland-Rente à la Hessen brauchen wir nicht.

Von: Svetlana Kerschner

Quelle: DAS INVESTMENT.

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