SJB | Korschenbroich, 16.11.2014. Obwohl es schwer ist bei Wachstumsmärkten Entwicklungen vorherzusagen, gibt es Ausnahmen. Eine davon ist der asiatische Gesundheitsmarkt, meint Ekkehard J. Wiek, Vermögensverwalter und Asien-Fondsmanager bei Straits Invest in Singapur.
Langfristig stabile Wachstumsmärkte sind der Traum eines jeden Investors. Leider wusste jedoch schon der Kabarettist Karl Valentin, dass Prognosen vor allen dann schwierig sind, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen.
Wirklich verlässliche Vorhersagen von Entwicklungen sind daher rar. Eine der wenigen Ausnahmen bildet der asiatische Gesundheitsmarkt. In Asien leben 60 Prozent der Weltbevölkerung.
Dieser Teil der Welt schickt sich seit zwei Jahrzehnten mit Erfolg an, zu den entwickelten westlichen Industriegesellschaften aufzuschließen. Alle namhaften Forschungsinstitute und Think-Tanks gehen sogar davon aus, dass in nicht allzu ferner Zukunft die asiatischen Volkswirtschaften die Ökonomien des Westens überflügelt haben werden.
Viele Entwicklungen, die sich in den Gesellschaften der westlichen Welt in den letzten hundert Jahren vollzogen haben, können in Asien im Zeitraffertempo beobachtet werden. Dazu gehört vor allem auch die Entwicklung eines gehobenen und damit auch umsatzstarken Gesundheitswesens.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat errechnet, dass ab einem Pro-Kopf-BIP von etwa 1.000 US-Dollar mit dem Aufbau eines staatlichen Gesundheitswesens gerechnet werden kann. Diese Schwelle ist in den meisten asiatischen Ländern schon längst überschritten. Beispiel China (Pro-Kopf-BIP 6.000 Dollar): Hier beschloss die Regierung Anfang 2009 eine umfassende Gesundheitsreform. Ziel ist es, für alle Chinesen bis 2020 eine medizinische Grundversorgung innerhalb von 30 Minuten sicherzustellen.
Seit dem Beschluss ist viel geschehen. Bislang wurden rund 1.000 der geplanten neuen Krankenhäuser gebaut oder von Grund auf saniert, knapp 4.000 der avisierten 30.000 Gesundheitszentren sind bereits entstanden. Etwa 80 Prozent der chinesischen Bevölkerung verfügen über eine Krankenversicherung, Ziel ist eine Versicherungsquote von 90 Prozent. Interessant für Investoren: Die Gesundheitsausgaben steigen pro Jahr um 17 bis 20 Prozent.
Vor allem die Sektoren Generika und Medizintechnik wachsen überdurchschnittlich. Von der steigenden Nachfrage profitieren in besonderem Maße die heimischen Unternehmen. China produziert inzwischen bereits 50 Prozent des einfachen Medizintechnikbedarfs selbst, 2001 lag der Anteil noch bei 15 Prozent.
Nicht alle Ökonomien Asiens sind im Aufbau der Gesundheitsversorgung schon so weit fortgeschritten wie China. Beim Milliardenvolk Indiens (Pro-Kopf-BIP 1.400 Dollar) steckt die Versorgung noch in den Anfängen.
Während es in Deutschland 8,3 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner gibt, sind es in Indien nur 0,9. Dabei ist nicht berücksichtigt, dass die Betten in Deutschland in zumeist hoch technisierten Einrichtungen stehen, während wir in Indien überwiegend von Gesundheitszentren mit einfachster medizinischer Ausstattung sprechen.
Auch die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben sind noch nicht nach westlichen Maßstäben zu messen, von Land zu Land je nach Entwicklungsstand aber extrem unterschiedlich. So liegen die Pro-Kopf-Ausgaben in Indien bei knapp einem Dollar pro Jahr, in China sind es bereits 100 Dollar.
Der Weg hin zu einer Gesundheitsversorgung, wie sie im Westen vorzufinden ist, ist für die meisten asiatisch-pazifischen Schwellenländer noch weit. Die Richtung ist angesichts stetig wachsender kaufkräftiger Mittelschichten und ihrer steigenden Ansprüche jedoch unumkehrbar.
Dabei ist noch keineswegs ausgemacht, ob sich in Asien Gesundheitssysteme nach dem gesellschaftlichen Solidarprinzip oder auf der Basis von privaten (Pflicht-)Versicherungssystemen durchsetzen werden.
Die Beantwortung dieser Frage wird auch darüber mitentscheidend sein, ab wann dem bis dahin sicheren Wachstum des Gesundheitsmarktes Grenzen gesetzt sein werden. In dem nach dem Solidarprinzip organisierten Gesundheitssystem Japans liegen die Pro-Kopf-Ausgaben bereits bei 4.000 Dollar pro Jahr.
Hier wird, wie in vielen westlichen Ökonomien, nicht mehr der Fokus auf Wachstum, sondern vielmehr auf Kostensenkungen gelegt. Doch bis dahin ist es für die meisten Schwellenländer der Region noch ein langer Wachstumsweg.
Von: Ekkehard J. Wiek
Quelle: DAS INVESTMENT.