Die Weltwirtschaft wird auch 2016 nicht zu alter Stärke finden. Da sind sich die Experten sicher. Ein Ende der Aktien-Hausse befürchten die meisten dennoch nicht. Für Anleihe-Investoren könnte es sehr ungemütlich werden.
Geht die Angst bereits um auf dem Börsenparkett? Einen Anlass gäbe es: Just im November hat „Bild“ ihren Lesern wieder Aktien ans Herz gelegt, diesmal in Form von Sparplänen mit Indexfonds. Da werden dunkle Erinnerungen wach. Ob Technologie-Aktien oder Goldinvestments, die Prognosen des Boulevardblatts entpuppten sich oftmals als Kontra-Indikator. Anstelle von Kursfeuerwerk und schnellem Reichtum erlebten die Anlegerherbe Abstürze. Sollte nun auch die lukrative Börsenparty nach sieben Jahren Bullenmarkt ihr Ende finden?
Keineswegs, meint Robert Halver. Der Leiter Kapitalmarkt-Analyse der Baader Bank erwartet zum Jahresende 2016 vielmehr einen Kursrekord: „Wir werden ein neues Allzeithoch des Dax bei 12.500 Punkten sehen.“ Damit könnte der deutsche Leitindex, der am 30. November 2015 bei knapp 11.400 Punkten stand, um weitere 10 Prozent zulegen. Markus Herrmann, Leiter Strategie-Research bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), geht von einem Durchmarsch bis auf 12.000 Punkte aus: „Die EZB-Politik des billigen Geldes wird auch 2016 den Aktienmarkt prägen.“ Der Euro Stoxx 50 wird nach Herrmanns Prognose bis Ende 2016 auf 3.700 Punkte und der US-Index Dow Jones auf 19.500 Punkte steigen. Damit preist die LBBW Zuwächse von 6 bis 9 Prozent ein.
Anders als dem Aktienmarkt traut die Expertenschar der Wirtschaft nur ein gemächliches Wachstum zu, die DZ Bank beispielsweise kalkuliert mit einem Plus der globalen Produktion von 3,3 Prozent. Euroland (plus 1,7 Prozent) und Japan (plus 1,0 Prozent) sind die Wirtschaftsmächte mit dem geringsten prognostizierten Zuwachs. Nicht zuletzt deswegen favorisieren viele Börsianer diese Regionen. Denn dort stellen die Notenbanken in Aussicht, ihre expansive Geldpolitik noch auszubauen. Die EZB ist bislang an ihrem Inflationsziel von 2 Prozent ebenso gescheitert wie die Bank of Japan.
GRAFIK: Nüchterne Prognosen
Zinswende in den USA
In den USA vollzieht sich derweil eine Zinswende, die neben US-Aktien auch Schwellenländerbörsen mit einem Kapitalentzug unter Druck setzen kann. Dass Euro und japanischer Yen bereits gegenüber dem US-Dollar abgewertet haben, stärke zudem ihre Wettbewerbsfähigkeit, so Halver. Trotzdem sollten Investoren 2016 nicht den Autopiloten einschalten: „Das Ausmaß der Schwankungen wird vor allem bei Aktien zunehmen.“ Die zur konjunkturellen Stimulierung großzügigste Zins- und Liquiditätspolitik aller Zeiten sorge bei Investoren für dramatische Anlagenotstände, analysiert der Börsenexperte: „Diese führen dazu, dass Renditepotenziale immer zügiger abgeweidet werden und danach die Karawane plötzlich weiterzieht.“ Einen tiefen Absturz werde die Geldpolitik aber wie bisher verhindern.
Für Anleihen erwarten Analysten dagegen ein schwieriges Jahr. „Das Dilemma des Renteninvestors wird ein Zinsanstieg sein, der zwar stark genug ist, um sich negativ auf die Kurse auszuwirken, aber zu schwach, um wieder zu attraktiven Renditen zu führen“, erklärt Lars Edler, Leiter Investmentstrategie bei der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim. Konkret geht der Experte 2016 von einem sogenannten Total Return, also Kursgewinne plus Auszahlungen, von minus 1,8 Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen aus. Ihre US-Pendants dürften mit 2,8 Prozent Verlust noch stärker leiden. Auf der Gewinnerseite sieht Edler Titel der Euro-Peripherie und Unternehmensanleihen.
Für den Goldpreis macht der Stratege indes wenig Hoffnung: „Gold ist volatil und leidet insbesondere in Phasen, in denen der US-Realzins steigt.“ Der Ölpreis kann laut Edler nach einem Kapazitätsabbau in den beiden kommenden Jahren wieder von aktuell gut 43 auf 55 US-Dollar pro Barrel steigen. Eine moderate Inflation der Energiepreise spricht neben der günstigen Finanzierung dafür, dass die Unternehmensgewinne den Börsenkursen auf ihrem Weg nach oben folgen. Ein weiteres Indiz, dass die „Bild“-Empfehlung diesmal keine Kurskatastrophe nach sich ziehen wird.
Von: Marc Radke
Quelle: DAS INVESTMENT.