Ein Makler braucht einen neuen Kunden nicht aufzuklären, wenn kein bestimmter Anlass besteht: Nach einem Urteil des OLG Frankfurt sind Makler ohne Weiteres weder zur Führung von Jahresgesprächen noch zu einer Risikoanalyse bei der Übernahme laufender Verträge in die Betreuung verpflichtet, erklärt Jürgen Evers, Partner bei Blanke Meier Evers Rechtsanwälte.
Streitfall: 1996 hatte ein Kunde eine Hausratpolice abgeschlossen. Umzugsbedingt war der Vertrag 2003 von einem Makler erweitert worden, der später sein Geschäft aufgegeben und auf den beklagten Makler übertragen hatte. Der beklagte Makler hatte den Kunden nicht persönlich kontaktiert. Auf Grund eines sich 2012 ereigneten Einbruchdiebstahls war dem Kunden unter anderem Schmuck im Wert von rund 50.000 Euro abhandengekommen. Infolge policierter Beschränkung der Deckungssumme für Schmuck erhielt der Kläger lediglich 20.000 Euro vom Versicherer.
Der Kunde begehrte vom beklagten Makler Ersatz des Differenzbetrages. Er warf ihm vor, dass dieser ihn wegen der größtenteils nach Änderung der Police angeschafften Wertgegenstände darauf hätte hinweisen müssen, dass sein Vertrag angepasst werden müsse. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es vermochte eine Pflichtverletzung des Maklers nicht zu erkennen. Jedenfalls habe der Makler einer Hinweispflicht schon durch den Versand von Newslettern genügt, die in verständlicher Sprache über die Bedeutung von Wertgrenzen und die Notwendigkeit eines Tresors informiert haben. Die Berufung beim OLG blieb erfolglos.
Hintergrund: Ohne besonderen Anlass sei der Makler bei Übernahme bestehender Versicherungen in die Betreuung nicht verpflichtet, Kunden zu belehren, dass der Versicherungsschutz auf 20 Prozent der Versicherungssumme für Wertsachen und zusätzlich auf 20.000 Euro für Schmuck begrenzt ist, der außerhalb eines Wertschutzschrankes aufbewahrt wird. Sollte dem Kläger dieser Umstand unbekannt geblieben sein, sei die Pflichtverletzung allein dem Ursprungsmakler anzulasten, der die Vertragsänderung vermittelt habe. Dem beklagten Makler sei auch nicht vorzuwerfen, nach Vertragsübernahme in die Betreuung weder eine Bestandsaufnahme des Versicherungsschutzes noch eine Bedürfnisprüfung vorgenommen zu haben.
Nehme ein Makler eine Hausratversicherung in die Betreuung, sei er nicht von sich aus verpflichtet, den Kunden aufzusuchen. Er müsse den Kunden also nicht darauf ansprechen, ob sich das Risiko durch nachträgliche Anschaffungen erhöht habe, um anschließend Vorschläge für eine Anpassung der Police zu unterbreiten.
Zwar sei er als treuhänderischer Sachwalter (auch) im Kundeninteresse tätig. Zudem sei er nach Vertragsschluss zu ständiger, unaufgeforderter Betreuung der Versicherung verpflichtet. Abgeschlossene Verträge müsse er auf erforderliche Anpassungen hin beobachten, die vereinbarte Versicherungssumme auf Angemessenheit überprüfen und gegebenenfalls auf Änderungen des Versicherungsschutzes drängen. Dies besage aber noch nichts für die Frage, wann die konkrete Pflicht des Maklers ausgelöst werde, ungefragt das Versicherungsinteresse des Kunden und den tatsächlichen Versicherungsschutz zu prüfen.
Bei Anpassungsbedarf wegen Veränderungen nach Vertragsschluss sei zu unterscheiden: Ergeben sich Veränderungen aus der Sphäre des Kunden, etwa durch Neuanschaffungen, Werterhöhungen oder neue Gefahrenpotentiale, könne der Makler nur auf Kundeninitiative tätig werden. Bei außerhalb der Sphäre des Kunden liegenden Veränderungen, sei es Änderung der Recht- oder Geschäftslage müsse der Makler ungefragt tätig werden.
Auch aus Rechtsprechung ergebe sich bisher nicht, dass Makler schon aus geringerem Anlass selbst tätig werden müsse. Weder das “Sachwalter-Urteil” noch spätere Entscheidungen des BGH oder der Obergerichte hätten Fälle nachträglicher Änderungen der Risikolage des Kunden behandelt.
Eine “Bestandsaufnahme” anlässlich der Übernahme eines Versicherungsvertrages in den Betreuungsbestand sei ebenso wenig geboten wie jährliche Bestandsaufnahme mit Besuch beim Kunden. Dies gelte jedenfalls soweit kein konkreter Anlass bestehe.
Es sei auch keine Pflichtverletzung, wenn der Makler den Kunden nicht darüber aufkläre, dass dieser werterhöhende Anschaffungen mitteilen müsse, damit er mit ihm die Erhöhung der Versicherungssumme oder eine andere Anpassung des Vertrages bespricht und prüft. Zwar träfen den Versicherungsvermittler Aufklärungs- und Beratungspflicht über vereinbarte Obliegenheiten. Bei der Frage, ob der Kunde dem Makler werterhöhende Anschaffungen mitteilen muss, stehe aber keine Obliegenheit aus dem geschlossenen Versicherungsvertrag in Rede. Vielmehr handele es sich um eine nicht-rechtstechnische Obliegenheit des Kunden gegenüber dem Makler: Damit den Makler eine Pflicht zum Tätigwerden trifft, müsse der Kunde diesen zunächst über tatsächliche Veränderungen des (noch) zu versichernden Risikos informieren.
Soweit es einem Makler obläge, den Kunden darüber aufzuklären, dass er werterhöhende Anschaffungen mitteilen müsse, beträfe dies den abschlussvermittelnden Makler. Für die Annahme einer Pflicht des Maklers hieran ständig zu erinnern, bestehe kein Anlass. Dies gelte jedenfalls, wenn in den Jahresrechnungen der Versicherer unter “Hinweis zur Hausratversicherung” ausdrücklich danach gefragt werde, ob der Kunde neuen Hausrat angeschafft habe und der Kunde daran erinnert werde, die Versicherungssumme zu prüfen. Im Übrigen sei der beklagte Makler einer entsprechenden Hinweispflicht jedenfalls durch die Kundenzeitschrift nachkommen.
Fazit
Die Entscheidung verdient Zustimmung. Sie lässt sich aus der Rechtsstellung der Versicherungs- und Finanzmakler als Handelsmakler ableiten. Diesem obliegt kraft Gesetzes weder eine Prüfungspflicht bei der Übernahme eines laufenden Vertrages noch die Pflicht zur Durchführung turnusmäßiger Bedürfnisprüfungen. Die Entscheidung verdeutlicht zugleich, welchen Wert Kunden dadurch erlangen, dass Makler ihnen im Rahmen von entgeltlichen Servicegebührenkonzepten Bestandsaufnahme- und regelmäßige Bedürfnisprüfungen anbieten. Zugleich macht das Urteil aber auch deutlich, dass der Gesetzgeber in die falsche Richtung tendiert, wenn er Servicegebührenkonzepte im Zuge der Umsetzung der IDD zu beschränken sucht.
Autor: Jürgen Evers
Quelle: DAS INVESTMENT.