SJB | Korschenbroich, 17.06.2015. Christian Heger, Investmentchef bei HSBC Global Asset Management Deutschland, erklärt, warum die expansive Geldpolitik sich fortsetzt, zunehmend auch in Asiens Schwellenländern.
Der Mai hat Rentenanleger unangenehm überrascht: Trotz anhaltender Käufe der Europäischen Zentralbank (EZB) brachen die Notierungen innerhalbweniger Tage spürbar ein. Sind die steigenden Renditen Vorboten eines nachhaltigen Trendwechsels? In der Tat gibt es einige fundamentale Argumente für steigende Zinsen. So hat nicht nur das Wachstum der Eurozone im ersten Quartal positiv überrascht, auch die Inflationsrate scheint ihren Tiefpunkt durchschritten zu haben. Optimismus ist verfrüht. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch allzu viel Optimismus verfrüht.
Der Ölpreisrückgang und die kräftige Euroschwäche sind einmalige, kaum wiederholbare Wachstumshelfer. Die Reformen in Italien und Frankreich kommen nur langsam voran. Die Stimmungsindikatoren im Industrie- und Dienstleistungssektor fallen wieder schwächeraus.
2015 könnte die Wirtschaft der Eurozone zwar tatsächlich mit gut 1,5 Prozent Wachstum überraschen. Prognosen von einer Beschleunigung für 2016 haben jedoch kaum eine realistische Basis. Die Europäische Zentralbank hat daher bereits deutlichgemacht, dass sie ihr monatliches 60-Milliarden-Euro-Kaufprogramm konsequent fortsetzt.
Auch in den USA bleibt der Spielraum für steigende Zinsen begrenzt. Zwar dürfte sich die Konjunktur dank des robusten privaten Konsums beschleunigen. Der starke Dollar hat die Perspektiven in der Industrie jedoch nachhaltig getrübt. Die Notenbank Fed befindet sich in einem Dilemma. Ein nominales Wachstum von gut vier Prozent braucht eigentlich keine Nullzinspolitik.
Zudem wächst der politische Druck, aus einer vermeintlich nur der Wall Street helfenden Geldpolitik auszusteigen. Auf der anderen Seite gefährdet eine Zinsanhebung die durch den Börsenaufschwung ausgelösten Wohlstandseffekte. Der langanhaltende Anstieg hat US-Aktien verteuert. Das um zyklische Effekte bereinigte Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt mit derzeit 28 fast 30 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt.
Seit 1953 war der US-Aktienmarkt nur während der Technologieblase teurer. Gleichzeitig bedrohen ein fester Dollar und anziehende Löhne die hohe Gewinndynamik. Bereits im ersten Quartal kam es zum ersten Gewinnrückgang seit 2009. Ein Zinsanstieg am langen Ende dürfte daher fast zwangsläufig zu einer Korrektur am Aktienmarkt führen, um eine halbwegs akzeptable Risikoprämie zu verteidigen.
Nur moderates US-Wachstum
Angesichts dieses Risikos wird die Fed nur dann deutlich restriktiver werden, wenn die US-Wirtschaft in sehr guter Verfassung ist. Da die Vorzeichen eher für moderates Wachstum sprechen, sind allenfalls kleine Schritte zu erwarten. Zahlreiche Länder, insbesondere in Asien, dürften zudem durch niedrige Zinsen versuchen, nicht zum Verlierer der Währungsschwäche von Yen und Euro zu werden.
Die aktuelle Korrektur an den Rentenmärkten stellt daher noch keinen nachhaltigen Trendwechsel dar. Expansive Notenbankpolitik und niedrige Zinsen werden noch länger bestehen. Wir halten an unserer positiven Einschätzung für risikotragende Assets fest. Auf der Aktienseite bleiben asiatische Länder wie Indien und Japan sowie die Eurozone unsere Favoriten. Diese Märkte zeichnen sich durch expansive Geldpolitik, steigende Unternehmensgewinne und eine noch nicht überzogene Bewertung aus.
GRAFIK Asset Allokation: das Portfolio unter der Lupe
Von: Christian Heger
Quelle: Das Investment.