SJB | Korschenbroich, 15.11.2012.Im aktuellen Niedrigzinsumfeld entdecken viele Anleger wieder Dividendentitel als Ersatz für Anleihen. Was den Charme dieser Unternehmen ausmacht, erklärt Thomas Schüßler, Manager des DWS Top Dividende.
DAS INVESTMENT: Bei Ihrem Streben nach Sicherheit und der Suche nach Alternativen zu Staatsanleihen scheinen die Deutschen vor allem bei Gold und Immobilien fündig zu werden – zumindest streben viele Leute in diese Anlageklassen hinein. Eine weise Entscheidung?
Thomas Schüßler: Bei Gold würde ich Ihrer Beobachtung widersprechen. Gold ist zwar heute eher in Mode als früher, aber ich glaube nicht, dass viele Deutsche Gold besitzen. Bei Immobilien ist das anders. Dabei kann ich durchaus nachvollziehen, warum viele Deutsche jetzt Immobilien kaufen. Der Sachwertcharakter ist interessant vor dem Hintergrund, dass wir in ein paar Jahren vielleicht eine höhere Inflation haben werden. Nur sollte man meines Erachtens nicht sein ganzes Geld nehmen und ein Haus davon kaufen. Anleger sollten breit diversifizieren. Dann gehören auch Aktien als Sachwertanlage ins Portfolio. Aktien und Immobilien unterscheiden sich nicht so gravierend voneinander, wie viele denken.
Inwiefern?
Schüßler: Beide profitieren von der Inflation. Bei Immobilien steigt der Wert, bei Aktien die Gewinne der Unternehmen und über die Zeit damit auch die Aktienkurse. Sie haben hier also eine Art Sicherung drin, die Sie bei Anleihen nicht haben. Da müssen Sie warten, bis eine Anleihe mit einem höheren Kupon rauskommt. Wenn die Zentralbanken die Zinsen aber künstlich niedrig halten wie im Moment, können Sie lange warten.
Rechnen Sie mit einer höheren Inflation in der nächsten Zeit?
Schüßler: In den kommenden ein, zwei Jahren eher nicht. Das Geld kommt im Moment nicht in der Wirtschaft an. Wenn allerdings dauerhaft so viel Geld gedruckt wird wie jetzt, könnte dies irgendwann auch einen Effekt haben. Dann kann es sehr schnell nach oben gehen.
Welche Vorzüge haben dividendenstarke Aktien?
Schüßler: Neben dem Inflationsschutz, über den wir gerade gesprochen haben, liegt der Hauptvorteil in der Dividendenzahlung. Sie ist wie ein Zins. In der Vergangenheit lagen Dividendenrenditen immer unter dem Zins am Anleihemarkt. Wir sprechen von einem Verhältnis von 4 bis 5 Prozent bei Anleihen zu 3 Prozent bei Dividendenrenditen. Jetzt ist es andersherum: Sie bekommen bei Staatsanleihen einen Zins von 1,5 Prozent, während die Dividendenrendite von Aktien bei 3 bis 4 Prozent liegt. Dividendenaktien sind derzeit also günstiger als Anleihen, auch als Firmenanleihen. Dort erhalten Sie auch nur noch 2 bis 3 Prozent auf eine solide Anleihe.
Worauf kommt es Ihnen bei der Titelauswahl an?
Schüßler: Ich schaue mir die Dividendenhistorie an – wie lange zahlt die Firma schon Dividenden, hat sie die Dividende regelmäßig erhöht, welche Bedeutung misst die Unternehmensführung der Dividendenzahlung zu, versucht sie, auch in schlechten Zeiten eine Dividende zu zahlen? Danach beleuchten wir das Geschäftsmodell. Es gibt Geschäftsmodelle, die auch in schlechten Zeiten Dividendenauszahlungen erlauben, zum Beispiel Konsumaktien oder Tabakwerte. Verbraucher kaufen auch in Krisenzeiten die Produkte dieser Unternehmen. Essen müssen Menschen ja zum Beispiel trotzdem, auch wenn die Welt sich in einer Rezession befindet.
Kann ein Unternehmen auch zu viel Dividende zahlen?
Schüßler: Ja. Eine Dividendenrendite über 10 Prozent ist uns zu hoch. Wir schauen uns in diesem Kontext nach der nachhaltigen Dividende vor allem die Ausschüttungsquote an. Sie gibt an, welchen Teil der Gewinne oder der Cashflows die Firma ausschütten kann. Das ist von Firma zu Firma unterschiedlich. Eine Tabakfirma kann durchaus 70 bis 80 Prozent der Gewinne ausschütten, weil die Gewinne sehr wenig schwanken und nicht viel Geld nötig ist, um die Geschäfte am Laufen zu halten. Nehmen Sie aber eine zyklische Firma wie ein Automobilunternehmen. Dieses ist mal äußerst profitabel und in der nächsten Marktphase vielleicht nicht mehr. In einem solchen Fall kann das Unterneh men, wenn es gerade sehr profitabel ist, nicht viel von den Gewinnen ausschütten. Tut es das doch, muss es im nächsten Abschwung die Dividenden kürzen. Bei zyklischen Firmen sind es also eher 30 oder 40 Prozent, die in guten Zeiten ausgeschüttet werden können.
Kommen auch Dividendenausfälle vor?
Schüßler: Das ist das „Berufsrisiko“ bei dieser Strategie. Doch ist im Schnitt pro Jahr vielleicht eine Aktie dabei, bei der die Dividendenzahlung ausfällt oder die Zahlung stark gekürzt wird. Das wollen wir natürlich nicht sehen, können wir aber verschmerzen, wenn das nur bei einer Aktie von insgesamt 80 im Portfolio passiert.
Wie ist derzeit die Länderaufteilung?
Schüßler: Der Fonds ist relativ gleich verteilt. Die USA machen rund ein Drittel aus. Ein weiteres Drittel ist Europa und ein Drittel Kanada, Japan und kleinere Länder. Emerging Markets liegen bei rund 7 bis 8 Prozent, wobei es sehr auf das Land ankommt. In Indien gibt es zum Beispiel nahezu keine Dividendenkultur, ebenso wie in Korea. In Taiwan beobachten wir eine gute Dividendenpolitik, weshalb wir dort investiert haben.
Auf Fünf- und auf Drei-Jahres-Sicht sieht der Top Dividende gegenüber dem MSCI World sehr gut aus. Auf Ein-Jahres-Sicht liegt er 7 Prozentpunkte hinten. Woran liegt das?
Schüßler: Das liegt am Stichtag, den Sie gewählt haben. Wenn Sie heute ein Jahr zurückgehen, betrachten Sie genau den Absturz, den es im Jahr 2011 gab. In dieser Zeit hat der Fonds sehr gut ausgesehen. Steigt der Markt allerdings wieder stark – und wir sprechen hier allein beim Dax von einem Anstieg von 5.000 auf über 7.000 Punkte –, liegt ein Dividendenfonds typischerweise hinten. Dies ist der Strategie geschuldet. Sie profitieren mit einem Dividendenfonds also nicht vollständig von einer positiven Marktentwicklung, erleiden dafür jedoch umgekehrt in schwachen Marktphasen nicht so hohe Verluste.
STECKBRIEF THOMAS SCHÜSSLER
Thomas Schüßler (46) ist seit 1996 bei der Deutschen Bank und seit 2001 bei DWS Investments tätig. Der Doktor der Physik leitet das Team für Value-Investments und managt unter anderem den DWS Top Dividende, den er im September 2005 von Sonja Schemmann übernahm.
Von: Karen Schmidt
Quelle: DAS INVESTMENT.