Obwohl der Anteil von Dienstleistungen am Sozialprodukt Afrikas stetig steigt, prägen Rohstoffe nach wie vor das Bild der afrikanischen Wirtschaft. Besonders der Preisverfall beim Öl macht vielen Firmen zu schaffen. Ob sich Investments auf dem Kontinent dennoch lohnen, beurteilen Experten höchst unterschiedlich.
Wüsten und mediterrane Vegetation im Norden, tropischer Regenwald in der Mitte, blühende Savannen im Süden: Der afrikanische Kontinent steht für eine landschaftliche Vielfältigkeit, die ihresgleichen sucht. Ähnlich vielfältig zeigen sich die Volkswirtschaften und Finanzmärkte.
Während insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder über gar keine Wertpapierbörsen verfügen, bringen es einige Staaten auf ansehnliche und im internationalen Kontext ernst zu nehmende Handelsplätze.
Die Aktienmärkte in Südafrika, Ägypten, Nigeria, Namibia und Marokko sind quasi die Big Five der afrikanischen Börsenlandschaft. Darüber hinaus finden sich 20 weitere afrikanische Länder, deren Börsen Mitglied im Börsenbund Asea sind. Sie spielen aber nur eine untergeordnete Rolle – Liquidität und Größe sind im internationalen Kontext zu vernachlässigen. Den Löwenanteil der gesamtafrikanischen Marktkapitalisierung hält Südafrika. Mit 1,2 Billionen Dollar (per Ende 2014) ist die Börse in Johannesburg größer als alle anderen des Schwarzen Kontinents zusammen.
Auch bei den Kursen scheint am Kap noch alles in Ordnung zu sein: Ausländische Investoren steckten 2015 trotz schwacher Konjunktur über 3 Milliarden Dollar in südafrikanische Unternehmen. Im Schluss-Quartal sorgten dann aber politische Probleme und Abwertungen einiger Ratingagenturen dafür, dass mehr als die Hälfte der Investments wieder abgezogen wurden. Doch die kamen schnell wieder zurück: Seit Jahresanfang hat der FTSE-JSE All Share Index die im vergangenen Herbst erlittenen Verluste wieder aufgeholt.
Auch langfristig läuft es für Südafrika-Investoren prächtig: Wer in den vergangenen fünf Jahren im südafrikanischen Markt investiert war, konnte sich über einen Zuwachs von 63 Prozent freuen. Für Stabilität sorgt nicht zuletzt der hohe Anteil des Dienstleistungssektors. Er liegt traditionell bei über 60 Prozent und trägt damit dazu bei, den Verfall des Platinpreises zu kompensieren, der seit 2011 um mehr als ein Drittel gefallen ist. Platin zählt zu den wichtigsten Rohstoffen Südafrikas.
Wenngleich die Orientierung auf Dienstleistungen auf dem afrikanischen Kontinent insgesamt beständig zunimmt, sind viele Länder nach wie vor von Rohstoffexporten und damit auch von der Preisentwicklung für Rohstoffe auf dem Weltmarkt abhängig. Und die befinden sich derzeit überwiegend auf Talfahrt. Allen voran der Ölpreis, der seit Mitte 2014 um mehr als die Hälfte nachgegeben und damit Erdöl-Förderer wie Nigeria und Angola in schwere Bedrängnis gebracht hat.
Da wundert es nicht, dass der nigerianische Aktienindex NSE All Share in der gleichen Zeit ebenfalls um fast die Hälfte eingebrochen ist. Abgeschmiert ist auch der Kupferpreis – in den vergangenen fünf Jahren um fast 60 Prozent. Zum Leidwesen von Sambia, das mit seinen immensen Vorkommen zu den weltweit größten Kupferproduzenten zählt. Aktionäre konnten sich seit dem Ende der Finanzkrise bis Mitte 2014 trotzdem über satte Gewinne freuen. Sambias Aktienindex LSE All Share legte in dieser Zeit um das Dreifache zu. Erst mit dem sinkenden Ölpreis gaben auch dort die Kurse nach.
Brauchen Anleger bei Afrika-Investments also nur eine gesunde Portion Optimismus und gute Nerven? Es kommt ein bisschen darauf an. Vor allen Dingen, wo man investiert. Wer ein gutes Knowhow für die einzelnen doch sehr unterschiedlichen Märkte und ihre Unternehmen mitbringt, kann durchaus interessante Investmentgelegenheiten identifizieren. Claus Born aus dem Managementteam des Templeton Frontier Markets Fund kann sich zum Beispiel für Kenia und Nigeria begeistern – gerade unter langfristigen Aspekten.
Mut machen seiner Ansicht nach die dynamische Konsumentennachfrage und Verbesserungen bei der Infrastruktur, die zu einem gesunden Wachstum dieser Volkswirtschaften beitragen. Nicht so optimistisch ist Stefan Böttcher. Insbesondere die wirtschaftliche und politische Situation in Nigeria beurteilt der Manager des Magna New Frontiers kritisch. Die extrem große Abhängigkeit von Ölexporten und die gleichbedeutenden direkten Verluste in Bezug auf Deviseneinnahmen sowie bislang leere Versprechungen amtierender Staatspräsidenten halten ihn derzeit von Investitionen ab.
Claus Born, Templeton Frontier Markets Fund
In 2015 lieferten die meisten afrikanischen Aktienmärkte in Sub-Sahara-Afrika – in US-Dollar gerechnet – negative Renditen. Ausnahmen waren Uganda und die west-afrikanische Regionalbörse BRVM, die den Börsenhandel für Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo abwickelt. Aber auch hier lag das Ergebnis nur im mittleren einstelligen Prozentbereich. Ist das nun ein Zeichen dafür, dass die Zeiten starken Wachstums und hoher Renditen in Afrika vorbei sind?
Wir denken nicht – trotz vieler Herausforderungen. Insgesamt ist das Wirtschaftswachstum in Sub-Sahara-Afrika weiter positiv und weit höher als im Rest der Welt. Fallende Rohstoffpreise üben zwar einen negativen Einfluss aus. Insbesondere Erdöl-Exporteure wie Nigeria sowie der Kupfer-Exporteur Sambia sind hierfür gute Beispiele. Aber viele Länder profitieren auch von geringeren Energiepreisen, unter anderem durch eine Abnahme des Inflationsdrucks.
Ein gutes Beispiel hierfür ist Kenia. Das Wirtschaftswachstum steht auf einer breiten Basis und ist weiter sehr robust. Für 2016 rechnen Analysten mit einer Wachstumsrate von 5 bis 6 Prozent, ähnlich wie im Vorjahr. Eine dynamische Nachfrage der Konsumenten und eine starke Investitionstätigkeit spielen hierbei eine wichtige Rolle. Der Elektrizitätssektor – generell einer der größten Schwachpunkte in afrikanischen Ländern – ist in den vergangenen Jahren ausgebaut worden.
Vielversprechend ist auch die voranschreitende wirtschaftliche Integration innerhalb der East African Community, die im Jahr 2000 von Kenia, Tansania und Uganda wiedergegründet wurde und mittlerweile auch Burundi, Ruanda und den Südsudan umfasst.
Aber auch Länder in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation sollte man als langfristig orientierter Investor nicht aus den Augen verlieren. Unter den größeren Märkten in Afrika zählt dazu vor allem Nigeria. Das Land sticht durch einen aktiven Aktienmarkt mit einer großen Bandbreite von potenziellen Anlagechancen hervor. Ohne Frage aber steht Nigeria derzeit vor einer Reihe von Herausforderungen, kurzfristig insbesondere durch den Verfall des Ölpreises. Hiervon hängen insbesondere die Staatseinnahmen ab. Der Preiseinbruch bietet aber auch den Anreiz und die Chance, die nigerianische Volkswirtschaft zu reformieren und zu diversifizieren.
Die Infrastruktur ist weiter ein großer Engpass in Nigeria. Beispielsweise gibt es dort so gut wie kein öffentliches Stromnetz. Ein Großteil der Bevölkerung kommt daher entweder ohne Strom aus oder benutzt individuelle Stromaggregate auf Basis von Benzin oder Diesel. Die Fähigkeit der nigerianischen Bevölkerung, mit widrigen Bedingungen zurechtzukommen, ist beeindruckend. Selbst marginale Verbesserungen können hier ein sehr starkes Potenzial entfalten.
Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auch die schnelle Adaptation von technischen Innovationen hervorzuheben. Mobiltelefonie und Internet werden in Nigeria – wie auch in den meisten anderen Ländern Afrikas – intensiv genutzt und das Smartphone ist weit verbreitet. Es hat ein Sprung stattgefunden, vom Nichtvorhandensein von Telekommunikationsdienstleistungen hin zu einer starken Penetration von Mobilfunk.
Auch mobiles Banking ist in Afrika recht weit entwickelt, da große Teile der Bevölkerung keinen Zugang zu Filialen oder Geldautomaten haben. Hier haben afrikanische Unternehmen in einigen Bereichen sogar die globale Innovationsführerschaft übernommen. Große, multinationale Unternehmen bauen ihre Präsenz in Afrika weiter aus, um sich Zugang zu den dortigen großen, dynamischen und jungen Bevölkerungen zu verschaffen. Sub-Sahara-Afrika hat fast eine Milliarde Einwohner, und die Bevölkerungszahl wird sich voraussichtlich im Laufe der nächsten drei Jahrzehnte verdoppeln.
Damit ist Afrika zunächst einmal als Konsumentenmarkt interessant, könnte sich aber darüber hinaus auch zu einem wichtigeren Standort für einfache Industrieproduktion entwickeln. Das gilt insbesondere für Länder, in denen Verbesserungen bei der Infrastruktur und den Wirtschaftsbedingungen zu beobachten sind. Afrika bietet nach unserer Ansicht die spannendsten Zukunftsaussichten unter den Schwellenländern.
Stefan Böttcher, Manager des Magna New Frontiers
Afrikanische Staaten leiden unter dem Verfall der Rohstoffpreise. So ist eine Vielzahl von Unternehmen, die noch vor weniger als fünf Jahren zu den Perlen des Frontier-Aktienuniversums gehörten, nicht mehr aufzufinden oder massiv dezimiert. Eisenerz-Produzenten wie African Minerals oder London Mining in Sierra Leone oder Bellzone in Guinea sowie das Agrar- und Nahrungsmittelkonglomerat Zambeef in Sambia oder Mosambiks Titanmineralien-Produzent Kenmare waren einst Hoffnungsträger des Schwarzen Kontinents – heute sind sie pleite oder bis zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft.
Wie schwierig die Rahmenbedingungen einzelner afrikanischer Staaten derzeit für Investoren sind, lässt sich gut am Beispiel Nigerias erläutern. Dort scheint eine Währungsabwertung von mehr als 50 Prozent nur eine Frage der Zeit zu sein. Der Schwarzmarkt antizipiert bereits seit Monaten einen drastischen Verfall der nigerianischen Währung auf ein Niveau von 300 bis 400 Naira je US-Dollar. Derzeit ist der offizielle Kurs bei 199 Naira eingefroren, was zur Folge hat, dass die Währung nur sehr bedingt handelbar ist.
Für nigerianische Unternehmen führt dies zu einem stark eingeschränkten oder überhaupt keinem Zugang zu Einfuhrgütern. So kommt es beispielsweise zu ständigen Engpässen an den Tankstellen – und das in einem Land, dem prognostiziert wird, in wenigen Jahren bis zu 25 Prozent des gesamtafrikanischen Sozialproduktes beizusteuern. Nigeria ist Afrikas größter Ölproduzent, hat aber nur unzureichende Währungsreserven, um verarbeitete Ölprodukte wie Benzin und Diesel zu importieren.
Für Anleger bedeutet die derzeitige Situation, dass Naira-Investitionen nur bedingt konvertierbar sind oder mit anderen Worten: Wer nigerianische Aktien kauft, braucht sehr viel Mut und Geduld – ein Umtausch in Euro oder Dollar ist nicht garantiert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie ein Fonds seine Anlagen in Nigeria bewerten sollte. Zum offiziellen Kurs oder zum konvertierbaren Schwarzmarktkurs?
Nigeria ist mit 160 Millionen Einwohnern nicht nur das bevölkerungsreichste Land Afrikas, sondern mit einer Gewichtung von 12 Prozent im MSCI Frontier Markets der größte afrikanische Frontier-Aktienmarkt. Der unzureichende politische Reformprozess des westafrikanischen Landes ist leider nicht untypisch für den ganzen Kontinent. Im März 2015 wählte Nigeria mit dem ehemaligen Militärgeneral Muhammadu Buhari einen damals 72-jährigen Präsidenten, der radikale Reformen versprach.
Mittlerweile hat er sich unter seinen Landsleuten den unrühmlichen Spitznamen „Baba Go Slow“ eingehandelt. Buhari brauchte neun Monate, um seine Regierung zu bilden, und ein Haushalt wurde immer noch nicht verabschiedet. Auch Länder wie Simbabwe halte ich aus politischen Aspekten für nicht investierbar. Es gibt allerdings Hoffnung: Kenias Aktienmarkt präsentiert sich erheblich stabiler als der vieler Nachbarn. Er ist derzeit allerdings der einzig halbwegs liquide und investierbare Markt in Sub-Sahara-Afrika.
Die Gewichtung des kenianischen Marktes mit 6 Prozent im MSCI Frontier Markets reflektiert seine relativ hohe Signifikanz unter den Frontiermärkten. Sowie politisch als auch wirtschaftlich präsentiert sich das ostafrikanische Land erheblich stabiler als beispielsweise Nigeria. Die Wirtschaft wird in diesem Jahr um etwa 6 Prozent wachsen. Das Haushaltsdefizit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von 6,5 Prozent und das Leistungsbilanzdefizit ähnlicher Größenordnung sollten allerdings nicht ignoriert werden.
Der Aktienmarkt in Nairobi scheint von den Problemen der anderen Börsen in Sub-Sahara-Afrika zu profitieren. Die Bewertungen sind hoch und preisen die Erwartungen von Stabilität und hohem Wachstum ein. So handelt Kenias führendes Kreditinstitut, die Equity Bank, mit dem Zweifachen ihres Buchwertes. Aber auch die Zeit anderer afrikanischer Börsen wird kommen – spätestens dann, wenn die Rohstoffpreise wieder steigen.
Aktuelle Hintergrundartikel zum Thema:
Afrika – Wachstum durch Digitalisierung (Deutsche Welle Online vom 4. April 2016)
Rohstoffpreise: Sozialer Sprengstoff (E + Z Online von 2. April 2016)
Fällt China, fällt Afrika (FR Online vom 7. Februar 2016)
Von: Carsten Krüger
Quelle: DAS INVESTMENT.