Die Immobilie: Interview mit Marcus Lemli von Savills: Es gibt wenige Alternativen zu Deutschland

teaser_logo_die-immobilien_300_200Südeuropa ist spannend, in Großbritannien herrscht etwas Stillstand und aus den USA kommen gemischte Signale – doch Deutschland bleibt ein sicherer Hafen für Investoren. Warum das so ist, und welche Assetklasse sich zukünftig etablieren wird, das weiß Marcus Lemli, Vorsitzender Geschäftsführer von Savills Deutschland und Investmentchef des Immobiliendienstleisters für ganz Europa.

DIE IMMOBILIE: Warum ist Deutschland ein sicherer Hafen für Investoren?
Marcus Lemli: Deutschland konnte sich insbesondere im Zuge der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise einen Namen als sicherer Hafen machen. Es galt schon vorher als sicher und konnte diese Annahme bestätigen, durch die Tatsache, dass es sich doch recht schnell wieder erholt hat. Der Arbeitsmarkt ist stabil, die Immobilienpreise, insbesondere die Mieten sind stabil und das bereits über einen längeren Zeitraum.

Deshalb sind diese Sachen für uns in Deutschland fast schon selbstverständlich. Aber für einen globalen Investor sind das ungewöhnlich gute Bedingungen. Kein überschäumendes Wachstum, aber dafür ist es stabil und zuverlässig. Dann kommen noch positive Rahmenbedingungen wie beispielsweise ein zuverlässiges Rechtssystem dazu. All das zusammen wirkt anziehend für internationales Kapital. Schließlich ist sehr viel Geld da. Und die Anleger wollen schon gar keine großen Sprünge mehr machen, Hauptsache Rendite.

DIE IMMOBILIE: Profitiert Deutschland auch davon, dass es wenige Alternativen gibt?
Lemli: Natürlich. Unter den Möglichkeiten, die sich in Europa und der Welt bieten, ist Deutschland als große und stabile Volkswirtschaft hoch angesehen. Aber das kommt ja nicht von ungefähr.

DIE IMMOBILIE: Viele internationale Investoren kommen nach Deutschland – viele heimische gehen dafür verstärkt ins Ausland. Warum?
Lemli: Deutschland hat viel Kapital mit starken institutionellen Investoren. Natürlich müssen die das Geld streuen. Diese Diversifikation  dient der Reduzierung des Risikos. Dieser Trend nimmt international zu.

DIE IMMOBILIE: Hierzulande sinken die Renditen. Kann man zusammenfassend sagen: Internationale Investoren suchen Sicherheit in Deutschland, hiesige Investoren suchen eine höhere Rendite im Ausland?
Lemli: Ganz falsch ist das nicht. Das ist ein wichtiger Faktor bei der Streuung der Portfolios. Weltweit das beste Rendite/Risikoverhältnis zu finden, das ist das Ziel. Da erfüllt Deutschland natürlich den Anspruch, nach einem überschaubaren Risiko. Südeuropäischen Länder misst man ein etwas höheres Risiko bei, sie bieten dagegen etwas mehr auf der Renditeseite an. So bietet jeder Markt unterschiedliche Gelegenheiten für die Strukturierung der Anlegerportfolios.

DIE IMMOBILIE: Gibt es ein Land in Südeuropa, auf dem derzeit Ihr Schwerpunkt liegt?
Lemli: Kurzfristig, ich sage mal, in den nächsten zwei Jahren werden Spanien und Italien sehr interessant sein. Da könnten viele Chancen liegen. Spanien hat bereits einen großen Zufluss von internationalen Kapital gesehen. Dieses kommt bestimmt eher von opportunistischen Anlegern, insbesondere Private-Equity Unternehmen aus dem angelsächsischen Raum. Aber das, ich nenne es mal aufräumen der Bankenbilanzen ist abgeschlossen. Der Markt wird dadurch auch wieder spannend für institutionelle Investoren. Die Herausforderung in Spanien und in Italien ist immer das geeignete Produkt zu finden. Die Märkte sind nicht so liquide wie ein deutscher oder Londoner Markt.

DIE IMMOBILIE: Sie haben vom Londoner Markt gesprochen. Wie wird es der Stadt, dem Land gehen, sollte es am 23. Juni zum Brexit kommen?
Lemli: Derzeit führt diese Situation auf jeden Fall dazu, dass viele Investoren abwarten. Die Dynamik ist gerade etwas raus. Das merkt man bei den Wohnimmobilien noch viel mehr, als im Gewerbebereich. Beim ersten würde ich sogar von einer Abkühlung sprechen. Und die überträgt sich auch langsam auf den Gewerbebereich. Wir haben immer noch hohe Preise, aber mit Blick auf die letzten drei Monate würde ich nicht davon ausgehen, dass sie jetzt noch weiter steigen. Eher gehe ich davon aus, dass sie sich auf dem derzeitigen Niveau stabilisieren. Das kann mit der Abwartehaltung vor der Wahl zusammenhängen. Nach dem Sommer, wenn wieder Klarheit herrscht, wird die Aktivität wieder steigen. Und das ganz unabhängig davon, wie das Votum der Bevölkerung ausfallen wird. Unsicherheit ist nie gut für eine Wirtschaft. Aber bis dahin steht das Geld, das in London nicht investiert wird, in Europa auf der Türschwelle.

DIE IMMOBILIE: Sie meinen, ein Brexit hätte keine großen Auswirkungen?
Lemli: Aus der rein immobilienwirtschaftlichen Sicht glaube ich, wird Großbritannien auch nach einem Brexit nah genug an der Europäischen Union bleiben. Aber die Finanzindustrie wird sich sicherlich umstellen, der Wettbewerb zwischen dem Kontinent und London wird sich erhöhen, bis ein neues Gleichgewicht gefunden ist. Aber London wird einer der Weltfinanzplätze bleiben. Allein wegen der Sprache und der kulturellen Nähe zu den USA. Er könnte vorübergehend gegenüber dem Kontinent an Bedeutung verlieren, aber London ist eine so dynamische Stadt, die kann sich den Einfluss auch zurück erkämpfen und den kleinen Knick recht bald wieder vergessen machen.

DIE IMMOBILIE: Sie würden den Briten den Brexit aber nicht empfehlen?
Lemli: Auf gar keinen Fall. Ich denke, ein Brexit würde einfach nicht zu den Herausforderungen passen, die wir in der Welt haben. Die Länder sollen sich nicht auseinander entwickeln und voneinander abschotten, sondern zusammen wachsen und große gemeinsame Wirtschaftsräume schaffen. Austausch macht Wettbewerbsfähig. In der Zukunft findet der Wettbewerb zwischen globalen Wirtschaftsblöcken statt. Einzelne Länder werden dazwischen zerrieben.

DIE IMMOBILIE: Die EZB beeinflusst den Wirtschaftsblock Europa mit dem Niedrigzins…
Lemli: Herr Draghi bekommt von der Bundesbank Druck, die Zinsen zu erhöhen. Aber viel politischen Druck bekommt er denke ich nicht. Auch die deutsche Wirtschaft profitiert ja von dem Zins. Billiges Geld kurbelt immer Wachstum an und entlastet den Staatshaushalt. Der Zins hat die schwarze Null ermöglicht und schafft finanzielle Spielräume, die jetzt beispielsweise durch die Flüchtlingskrise gebraucht werden. Das gilt für Deutschland und die südeuropäischen Länder. Unterm Strich sind die Zinsen für die deutsche Wirtschaft aber natürlich zu niedrig. Aber die Situation ähnelt der vor knapp 13 Jahren. Da wurden die Zinsen heruntergesetzt, damit Deutschland wieder auf die Beine kommt. Die Südeuropäer hätten das damals nicht gebraucht. Deshalb: Der ideologische Druck auf Draghi ist mit Sicherheit höher als der politische und die niedrigen Zinsen denke ich, werden uns noch eine ganze Weile begleiten. Fünf Jahre würden mich nicht überraschen. Bundesbank und EZB sind ja nicht mehr so unabhängig von der Politik, wie es vielleicht wünschenswert wäre.

DIE IMMOBILIE: Sie haben eine Top-10 der besten Anlagetipps zusammengestellt. Fünf für gemäßigte, fünf für risikofreudige Anleger. Warum gehören Gesundheitsimmobilien in Frankreich und Deutschland zur zweiten Gruppe?
Lemli: Für den institutionellen Investor ist so eine Art des Investments im höheren Risiko einzustufen. Noch. Das liegt daran, dass diese Nische bislang nicht so liquide ist. Des Weiteren gibt es Betreiberrisiken und es ist noch eine sehr junge Immobilienart. Es gibt also noch keine etablierten Konzepte. Beispielsweise, welche Objekt- und Zimmergröße ist ideal. Wie sieht die Nachnutzungsfähigkeit aus. Viele Fragen, die institutionelle Investoren gerne beantwortet haben wollen, bevor sie aktiv werden. Dafür bietet diese Anlageklasse allerdings auch interessante Renditen. Langfristig, sollte sich die Asset-Klasse etablieren, könnte dies zu weiteren Preissteigerungen führen.

DIE IMMOBILIE: Denken Sie die Gesundheitsimmobilien können in den kommenden Jahren aus der Nische rauskommen, es sozusagen den Hotels nachmachen?
Lemli: Ja, davon gehe ich aus. Es ist viel Potenzial vorhanden. Durch neue Baumethoden, wie die Modul-Bauweise, lassen sich beispielsweise Risiken in der Nachvermietung minimieren.

DIE IMMOBILIE:  In den USA nimmt das House-Flipping wieder zu. Diese Art des schnellen An- und Verkaufs löste damals die US-Immobilien- und damit die Weltfinanzkrise aus…
Lemli: Ja, aus den USA bekommt man sehr gemischte Signale. Auf der einen Seite ist das Interesse an Immobilien nach wie vor sehr hoch und die Preise steigen auch im privaten Bereich weiter. Auf der anderen Seite gibt es insbesondere im gewerblichen Bereich Situationen, in denen der Mieter wieder an Kraft gegenüber dem Eigentümer gewinnt. Das ist noch keine Trendwende, aber Anzeichen häufen sich, dass Mieter wieder besser ihre Konditionen durchsetzen können. Das Angebot ist also gar nicht mehr so knapp. Noch kann ich aber ruhig schlafen (lacht).

Quelle: DIE IMMOBILIE.

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