Das Investment: „Mit Win-win-Strategien kommen Sie hier nicht weiter“

sjb_werbung_das_investment_300_200Warum Preisverhandlungen oft einem Boxkampf ähneln, wie man mit Humor weiter kommt und warum Fragen die besseren Argumente im Verkaufsprozess sind, erklärt Vertriebstrainer und mehrfacher Buchautor Lothar Stempfle.

DAS INVESTMENT.com:„Verhandeln ist wie Boxen“, so ist die Kernaussage Ihres Buchs „In 12 Runden zum Erfolg“, das vor wenigen Tagen erschienen ist. Wie meinen Sie das?

Lothar Stempfle: Denken Sie nur an die Preisverhandlung. Spätestens dann wird mit harten Bandagen bekämpft, der Gesprächspartner trickst, vertritt aggressiv seinen Standpunkt, er provoziert vielleicht und wird persönlich.

Der Verhandlungsgegner wird dann zuweilen zum Verhandlungsgegner. Mit dem beziehungsorientierten Verkauf und Win-win-Strategien kommen Sie hier nicht weiter. Sollten Finanzvermittler denn nicht unter allen Umständen fair bleiben, sachlich argumentieren und versuchen, Kunden mit Fachargumenten statt mit psychologischen Tricks zum Verkauf zu bewegen?

Stempfle: In der Regel verlaufen Verkaufsgespräche und Verhandlungen in sachlichen Bahnen. Aber es ist doch nicht abzustreiten, dass es eben auch jene schwierigen, harten und umkämpften Verhandlungen gibt. Es nutzt nichts, die Augen davor zu verschließen, nach dem Motto: Was es nicht geben darf, gibt es auch nicht. In solchen Situationen dürfen Sie nicht in der Harmonie-Soße versinken, sondern müssen sich konstruktiv zur Wehr setzen. Sie müssen mal zurückweichen, mal zum Angriff übergehen, mal die Deckung verlassen. Ziel ist es, nach diesem Zwischenstadium dem Verhandlungspartner eine Brücke zurück ins sachliche Fahrwasser zu bauen. Das Entscheidende ist ja: Der Angriff ist von ihm ausgegangen, Sie reagieren entsprechend, etwa mit Humor: „Sie scheinen der Meinung zu sein, Angriff sei die beste Verteidigung. Ich bin aber auch ein guter Boxer. Lassen Sie mich nochmals in die sachliche Offensive gegen …“

In solchen Situationen raten Sie zur Fragumentation. Was ist das und wozu wird sie eingesetzt?

Stempfle: In schwierigen Verhandlungen nutzt der Verhandlungspartner die Argumente des Finanzvermittlers vor allem als Informationsquelle, um sich zu munitionieren und seine Einwände zu unterfüttern: „Ihre Infos zur Laufzeit der Finanzanlage sind interessant. Aber Ihr Wettbewerber mit genau denselben Konditionen ist im Preis günstiger. Was ist da noch möglich?“ Und schon hat der Kunde Oberwasser und die Führung im Gespräch übernommen. Das heißt: Jedes Argument, das Sie vortragen, ist für ihn Material, in das er den Widerhaken seiner Einwände versenken kann. Hier kommt die Fragumentation ins Spiel: Sie hilft Ihnen, den Ball immer wieder in das Feld des Kunden zurückzuspielen. Damit ist nicht allein die Anwendung der üblichen Fragetechniken gemeint, sondern der strikte Aufbau des Kundengesprächs mithilfe von Fragen: Sie treffen keine Aussagen, Sie tragen keine Argumente vor, sondern kleiden jede Ihrer Aussagen und jedes Ihrer Argumente in eine Frage. Bei Aussagen Ihres Gesprächspartners bohren Sie konsequent mit Fragen nach und versuchen, immer mehr Informationen zu erhalten, um ihm schließlich ein Produkt anbieten zu können, das seinen Vorstellungen entspricht.

Und was macht der Vermittler, wenn der Kunde genauso geschickt ist auf seine Fragen mit Gegenfragen antwortet?

Stempfle: Warum macht der Kunde das? Klar, er will sich mit der Gegenfrage dem Frage-Sog, den der Vermittler mit der Fragumentation erzeugt, entziehen. Die Folge: Ihr Gesprächspartner und Sie werfen sich quasi eine Frage nach der anderen an den Kopf. Der Vermittler sollte trotzdem an der Fragumentations-Strategie festhalten und das Pingpong-Spiel so lange wie möglich durchziehen. Er gibt also keine Antworten und verbleibt konsequent auf der Frage-Schiene.

Können Sie ein konkretes Beispiel für ein solches Gespräch nennen.

Stempfle: Die Fragumentation lässt sich im jedem Verkaufsgespräch einsetzen, und zwar immer dann, wenn es dem Vermittler darum geht, möglichst viel vom Verhandlungspartner zu erfahren und ihn zum Reden zu animieren. Dabei helfen schon so einfache Fragen wie „Was meinen Sie denn dazu?“ oder „Was sagen Sie zu dem Vorschlag?“ Entscheidend ist: Der Vermittler sollte es vermeiden, sich festzulegen. Denn Festlegungen kann die Gegenseite nutzen, um ihn auf eine Position festzunageln, von der er nicht mehr abrücken kann. Klassisches Beispiel: Artikulieren Sie niemals Ihre Verhandlungsziele. Das wäre eine Festlegung, von der Sie sich nicht mehr lösen können. Das wäre dem unsinnigen Vorgehen vergleichbar, in einem Verkaufsgespräch von Anfang an einen Preis zu nennen, der für Sie nicht verhandelbar ist.

Vor einigen Jahren haben Sie das Konzept des Provozierenden Problemlösungsverkaufs (PPV) entwickelt. Was ist der Grundgedanke dahinter und wie funktioniert das?

Stempfle: Lassen Sie mich mit einer typischen PPV-Musterformulierung beginnen: „Wenn Sie, lieber Kunde, nicht schnellstmöglich eine Lösung für das genannte Problem finden, wird es eng für Sie, und zwar aus folgenden Gründen …“ PPV heißt, provozierende Behauptungen aufzustellen, um den Kunden in aller Deutlichkeit auf sein wirkliches Engpassproblem aufmerksam zu machen. Und auf die schmerzhaften Folgen, die eintreten, wenn er dazu keine Lösung findet. Wichtig ist, dass der Vermittler seine Behauptungen Punkt für Punkt beweist, seriös und faktenreich, etwa mit Grafiken, Abbildungen, Charts, Falldarstellungen, Referenzen und Musterbeispielen.

Es geht nicht darum, den Kunden zu verängstigen. Ein PPV-Verkäufer will den Kunden unmissverständlich auf seine Schwachstelle aufmerksam machen, um ihm dazu eine Lösung anzubieten. PPV-Verkäufer erleben es immer wieder, dass der Kunde so eine neue Perspektive einnimmt. Eine typische Äußerung ist dann: „So habe ich das bisher noch nicht gesehen. Gut, dass Sie es so deutlich auf den Punkt bringen. Wie können wir das Problem lösen?“

Von: Svetlana Kerschner

Quelle: DAS INVESTMENT.

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