Das Investment: Warum die neuen Produktinfoblätter mehr Chaos als Vergleichbarkeit stiften

sjb_werbung_das_investment_300_200Ab 2017 ist das Chaos perfekt. Denn dann gibt es neue Produktinfoblätter, die entgegen ihrer Bestimmung nicht zu mehr Vergleichbarkeit führen werden, glaubt Altersvorsorge-Experte Frank Breiting. Vielmehr wird es so sein, dass der Kunde für ein baugleiches Produkt mindestens drei verschiedene Infoblätter mit unterschiedlichen Kostenkennziffern & Co. bekommen wird.

Die Verbesserung des Verbraucherschutzes ist ein Thema, das Gesetzgeber und Regulierer sich zu Recht auf die Fahnen geschrieben haben.

Vor allem bei so abstrakten Produkten wie Finanzdienstleistungen, ist der Kunde auf Informationen über Risiken, Kosten und mögliche Erträge angewiesen.

Genau diese Informationen sind aber bei vielen Produkten nur schwer zu finden. Und wenn der Kunde sie gefunden hat, sind sie meist schwer zu verstehen und fast unmöglich zu vergleichen. Denn jede Branche der Finanzdienstleister und häufig auch jeder einzelne Anbieter arbeitet mit eigenen Kennzahlen, Transparenzstandards und dementsprechend unterschiedlichen Kundeninformationen.

Die Politik meint es gut, macht es aber oft nicht gut

So ist es verständlich und vernünftig, das Verbraucherschützer, Aufsichtsorgane und Politik hier auf eine Standardisierung und mehr Transparenz pochen. Allerdings gilt leider häufig bei diesen Bemühungen: Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint.

Ein Musterbeispiel dafür dürfte in naher Zukunft die Altersvorsorge liefern. Schon heute bekommt der Kunde hier einiges an Informationen. Beim Abschluss eines Fondssparplans bekommt er für jeden besparten Fonds ein Ucits-konformes KIID (Key Investor Information Document). Bespart er diesen Fonds im Rahmen einer fondsgebundenen Versicherungspolice, erhält er ein Produktinformationsblatt, das dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) entspricht.

Praktisch nicht vergleichbar

Beide Informationen lassen sich praktisch nicht vergleichen und anders als bei den KIIDs gibt es im VVG keine Standardisierung. Gerade bei der Altersvorsorge steht der Sparer aber vor der Frage, welche Produktgattung für ihn die richtige ist. Die vorliegenden Dokumente sind für ihn keine Entscheidungshilfe, erst recht nicht, wenn für ihn auch ein Sparbuch oder ein Bausparvertrag infrage käme, denn hier gibt es wiederum andere Informationsmaterialien.

Nun steht hier eine Reform der Informationsblätter an – und da verschiedene Behörden gleichermaßen daran arbeiten, wird das Chaos am 1. Januar 2017 perfekt sein. Denn es sieht ganz danach aus, dass ein Kunde für ein vollkommen baugleiches Produkt drei unterschiedliche Produkt-Infoblätter erhält, je nachdem, wo er sucht.

Einheitliche Aufklärung gilt nicht für alle Produkte

Grund dafür ist, dass bereits die letzte Bundesregierung für die geförderte deutsche Vorsorge quasi im Alleingang den Vorstoß unternommen hat, bei staatlich geförderter Vorsorge (Riester- und Basisrenten) einheitliche Aufklärung des Kunden zur Pflicht zu machen. Parallel lief in Brüssel eine Initiative, europaweit eine noch breitere Harmonisierung zu erreichen. Diese sogenannten Euro-PIBs (im Fachjargon PRIIPS-KID) sollen gelten für alle Kapitalanlagen, die Privatanleger erwerben können und die „verpackt“ sind (also nicht die Aktie oder die Anleihe, wohl aber der Fonds, das Zertifikat und die Kapitalversicherung).

Berlin hatte nun erwirkt, dass die Euro-PIBs nicht für Riester und Basisrenten gelten, ferner sollen sie nicht in der betrieblichen Vorsorge angewandt werden, da hier ja in der Regel der Arbeitgeber den Vertrag schließt und nicht der Sparer selbst. Zudem bleiben Fonds für ein paar Jahre von der Euro-PIB-Pflicht verschont, da gerade erst die Ucits-KIIDs mit hohem Aufwand eingeführt wurden. Am 1. Januar 2017 sollen nun gleichzeitig Riester-PIB und Euro-PIBs parallel eingeführt werden je nachdem, in welcher Ausprägung das Vorsorgeprodukt vor einem liegt.

Baugleiches Produkt, verschiedene Infoblätter

Ein Beispiel: Nehmen wir mal an, der Anleger weiß noch gar nicht, wie er überhaupt vorsorgen soll, so kann es passieren, dass er das Angebot der Direktversicherung seines Arbeitgebers mit einer Riester-Fondsversicherung oder einer ungeförderten Fondspolice vergleichen möchte, um Klarheit zu erlangen. Nehmen wir weiter an, alle drei Produkte seien vom gleichen Anbieter und vollkommen baugleich, inklusive der Beitragsgarantie bei allen drei Produkten.

Beim Arbeitgeber bekommt er entweder ein VVG-PIB oder ein irgendwie geartetes Merkblatt des Arbeitgebers oder des Anbieters, oder beides. Beim Riestervertrag bekommt er ein Riester-PIB und bei der privaten Versicherung ein PRIIPS-KID. Da das Produkt Fonds enthält wird er zusätzlich wahrscheinlich einige oder viele Ucits-KIIDs erhalten zu den Fonds, die er bespart.

Vergleichbarkeit gleich null

Und nun wird er feststellen, dass es unmöglich ist, einen Vergleich zu ziehen. Denn nichts in diesen Blättern ist in irgendeiner Weise im Vorfeld harmonisiert worden. Die Formate werden stark voneinander abweichen, Kostenkennziffern werden unterschiedlich berechnet oder völlig andere Kennziffern kommen zum Einsatz. Die Eingruppierung der Produkte in Risikoklassen wird stark voneinander abweichen, denn für Harmonisierung ist es nun zu spät.

Die Riester-PIBs sind bereits über Gesetz und Verordnung zu 80 Prozent in Stein gemeißelt. Die drei europäischen Aufsichtsorgane (Banken-, Fonds- und Versicherungsaufsicht), die sich nun um PRIIPS kümmern, sind aktuell noch in der Findungsphase und diskutieren, was überhaupt ein Risiko ist und was eigentlich zu Kosten gehört und wie man selbiges messen kann.

Das Ergebnis sind also mindestens drei (plus X) verschiedene Informationsblätter, unterschiedliche Zahlen, Ziffern und Symbole. Gut gemeint, aber nicht gut gemacht.

Akzeptanz wird es wohl nicht geben

Für diese babylonische Kennzifferverwirrung Akzeptanz zu schaffen, dürfte weder beim Berater noch beim Endverbraucher möglich sein. Und da das schon jetzt absehbar ist, sind die Investitionen in Systeme, die Simulationsrechnungen machen, Blätter individualisieren und bereitstellen, Investitionen in ein obsoletes Vehikel, das über kurz oder lang abgelöst werden muss.

Zudem stellen schon jetzt Juristen durchaus berechtigte Fragen, wie die schon vorliegenden Regelungen zu interpretieren sind. So verändert sich bei einem Riesterprodukt gegebenenfalls durch eine Zuzahlung zum Jahresende die Effektivkostenquote. Unweigerlich jedes Jahr ändern sich bei Fonds die laufenden Kosten um ein paar Basispunkte (meist durch externe Faktoren wie Steuern, Wirtschaftsprüfer, Transaktionskosten und so weiter).

Vor jeder Kostenänderung ein neues Infoblatt

Den Buchstaben des Gesetzes folgend, müsste vor jeder Kostenänderung ein neues Produktinformationsblatt erstellt werden. Theoretisch muss der Anleger also vor der Überweisung des Beitrags erneut zum Berater, um ein neues PIB zu erhalten, weil eine Zuzahlung, eine Beitragserhöhung, der Wegfall einer Kinderzulage oder ein anderer Zahlrhythmus den Kostensatz von 1,65 auf 1,67 Prozent angehoben hat. Mindestens einmal pro Jahr erhielte er ein weiteres PIB wegen der Änderung der Fondskosten oder der Kapitalanlagekosten des Anbieters. Streng genommen zu spät, da der Anbieter nicht im Vorfeld sagen kann, wie die laufenden Kosten eines Fonds im nächsten Geschäftsjahr (oder auch nur „morgen“) ausfallen oder welche Transaktionen morgen getätigt werden.

So kommt ein dicker PIB-Ordner zusammen, wenn sich diese Meinung durchsetzt. Das eine PIB, in dem der Anbieter dann tatsächlich eine von ihm zu verantwortende „echte“ Kostenerhöhung ankündigen will, wird so sicher unbemerkt bleiben, und genau wie jährliche Kontoauszüge und Depotstandsmeldungen ungelesen in die runde oder eckige Ablage wandern. Das ist definitiv so nicht gedacht gewesen und würde selbst in dem Bereich, wo einheitliche Produktinformationen vorliegen (Riester und Basisrente) für eine unnötige Papierflut sorgen.

Neue Infos nur bei substanziellen Änderungen

Zum Glück gibt es zumindest bei diesen Produkten noch gute Chancen, dass es hier zu praktikablen Lösungen kommt, bei denen der Kunde nur dann informiert wird, wenn es wirklich substanzielle Änderungen vom Anbieter am Produkt gibt, die von ihm eine Entscheidung erfordern.

Das Wirrwarr der unterschiedlichen Blätter in verschiedenen Vorsorgeschichten wird aber sicher Realität. Es wird noch Jahre dauern, bis hier eine „echte“ Harmonisierung stattfinden wird. Das muss nicht zwingend durch Aufseher oder Regulierer geschehen – vielleicht verständigen sich ja national die Anbieter auf gemeinsame Standards.

Bis dahin wird der Sparer wohl ziemlich ratlos versuchen unvergleichbare und widersprüchliche Informationen nebeneinander zu legen und zu vergleichen. Am Ende wird er blind darauf vertrauen müssen, dass irgendwer eine Bresche durch den Blätterwald für ihn schlägt und Licht in den Vorsorge- und Spar-Dschungel bringt. Aber, dass diesem Experten das auch wirklich gelingt, ist durch die neuen Blätter leider kein bisschen wahrscheinlicher geworden. Und, dass Sparer sich auch mehr und freiwillig und mit mehr Spaß um ihr Geld zu kümmern, ebensowenig.

Von: Frank Breiting

Quelle: DAS INVESTMENT.

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