Allianz | Frankfurt, 03.03.2017.
Es ist geradezu ein „Hintertreppenwitz“ der Geschichte: Jetzt, da –der Digitalisierung sei Dank – die Aufbereitung, Speicherung und Verbreitung von Wissen fast nichts mehr kostet und „Information“ wohl zum ersten Mal in der Geschichte die Vorteile unendlicher Skalierbarkeit nutzen könnte, gewinnt der Begriff des „Postfaktischen“ an Bedeutung. Das Emotionale, das Irrationale, die „fake news“ … um das geht es. Was nicht passt, wird passend gemacht. Rationale Investoren sind dabei besonders gut beraten, nicht „post faktisch“ sondern „pro faktisch“ zu investieren. Gründe dafür gibt es auch im März wieder genug.
„Obwohl die Informationsverarbeitung und -verbreitung immer schneller und grenzenloser werden, heißt es „post faktisch“ statt „pro faktisch“. Der Widerspruch könnte größer nicht sein.
• Pro faktisch (1): Die Geopolitik bleibt auf der Tagesordnung. Die britische Regierung will ihren „Hard-Brexit“-Antrag bis zum 31. März einreichen, die Niederlande wählen (15. März) und das Rennen um den Elysée-Palast in Paris geht in die heiße Phase. Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen steht am 23. April an
• Pro faktisch (2): Mitte März endet die Frist für die verfassungsrechtlich festgezurrte Schuldenobergrenze in den USA. Und trotz finanzieller Repression ist der Abstieg vom Schuldengipfel kaum vorangekommen. Spannend zu sehen ist in diesem Kontext,was aus den geplanten Fiskalpaketen des neuen USPräsidentenwird, die an den Börsen bereits eingepreist zu seinscheinen.
• Pro faktisch (3): Diese Fiskalpakete kommen in einer Zeit sowohl expansiver Geld- als auch Fiskalpolitik. Für die Preisstabilität ist dies keine gesunde Mischung. Kein Grund also, eine all zu entspannte Geldpolitik von der US-Zentralbank Fed zu erwarten.
• Pro faktisch (4): Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass die inden impliziten Geldmarktsätzen eingepreisten Zinsanhebungserwartungen hinter dem zurückbleiben, was die Mitglieder des Fed-Geldmarktausschusses (FOMC) erwarten. Da bleibt Raum für negative Überraschungen in Gestalt eines dritten Zinsschrittes im laufenden Jahr. Dies umso mehr, als sich die USamerikanische Wirtschaft als „greater“ erweist, als dies – post faktisch – angenommen wird.
• Pro faktisch (5): Die globale Geldpolitik – US-Zinsschritt hin oder her – bleibt dabei unverändert expansiv und damit ein wichtiger Treiber für Investitionen in risikobehaftetere Anlagegattungen,wie z. B. Aktien. Daran dürften auch die im März anstehenden Tagungen von Fed, Europäischer Zentralbank (EZB) und Bank of Japan (BoJ) nichts ändern.
• Pro faktisch (6): Die Bewertungen sind in Teilen des Aktienmarktes bereits äußerst sportlich (z. B. USA). In Europa zeigen sie sich als moderat bis preiswert und in den Emerging Markets im Durchschnitt ebenfalls als eher preiswert.
In der Summe sollten Aktien auch weiterhin ihren Platz im Portfolio haben, mit Volatilität muss allerdings gerechnet werden:
• Die Verbesserung des globalen Makro-Datenkranzes kommt weiter voran. Das Potenzialwachstum dürfte erreicht werden.
• Die Bewertungen an den Kapitalmärkten sind sehr uneinheitlich. In wichtigen Vermögensgattungen, wie den USamerikanischen Aktien sowie deutschen und USamerikanischen Staatsanleihen, sind sie hoch. Niedrig sind sie
dagegen in den Schwellenländern.
• Die politischen Risiken haben weiter zugenommen.
• Die wichtigste Unterstützung für die Aktienmärkte kommt von der Geldpolitik.
Bleiben Sie pro faktisch und investieren Sie entsprechend, meint Ihr
Hans-Jörg Naumer
Global Head of Global Capital Markets &Thematic Research