Wohin geht der Goldpreis – bis Jahresende und im nächsten Jahr? Welche Faktoren beeinflussen ihn derzeit und in Zukunft maßgeblich? DAS INVESTMENT hat fünf Edelmetall-Experten gefragt.
„Physische Nachfrage unverändert stabil“
„Eine konkrete Vorhersage ist immer schwierig. Wir sehen die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Goldpreis in US-Dollar (Spot) weiter in einem Korridor von 1.000 bis 1.200 US-Dollar bewegt, als relativ hoch an, da bis auf weiteres Unsicherheit in Bezug auf die Leitzinsentwicklung in den USA besteht.
Die physische Nachfrage ist unverändert stabil und sollte eine Unterstützung bei einem Preis bei ungefähr 1.100 US-Dollar gewährleisten. Man kann aber ein Ausbrechen aufgrund eher spekulativer Paper Trades nie ganz ausschließen.
Auf der anderen Seite kann der Goldpreis durchaus auch nach oben ausbrechen, beispielsweise wenn die Zinsunsicherheit durch eine ausschließlich nominale Zinserhöhung abnimmt oder schwache US-Wirtschaftsdaten den Dollar sinken lassen.
Es ist aber auch ganz wichtig, den Goldpreis in anderen Währungen zu beobachten, hier in Deutschland zum Beispiel in Euro (in dieser Währung ist der Goldpreis dieses Jahr gestiegen). Des Weiteren können bestimmte Goldanlagen (wie zum Beispiel in bestimmten Goldminenaktien) gegebenenfalls selbst dann gute Gewinne abwerfen, wenn sich der US-Dollar-Goldpreis in dem oben genannten 1.000-bis-1.200-Dollar Korridor bewegt.“
„Goldpreis sollte 2016 tief bleiben“
Carsten Menke, Rohstoffanalyst bei Julius Baer: Aus unserer Sicht bleibt der Fokus des Marktes sowohl über die letzten Wochen dieses Jahres als auch im nächsten Jahr auf der US-Geldpolitik.
„Die Frage, wann die US-Notenbank die Zinsen erhöhen wird, ob schon im Dezember oder doch erst nächstes Jahr, sollte die Stimmung auf dem Goldmarkt weiterhin bestimmen, das heißt die Positionierung im Terminmarkt beeinflussen. Aktuell sind die Marktteilnehmer dort eher negativ eingestellt, was sich in vergleichsweise hohen Short-Positionen äußert. Sollte die US-Notenbank entgegen der momentanen Markterwartung schon im Dezember die Zinsen erhöhen, dürfte es zur Eindeckung dieser Short-Positionen kommen, was dem Goldpreis kurzfristig Auftrieb geben könnte. Eine Kaufgelegenheit sehen wir aktuell und mit Sicht auf das Jahresende dennoch nicht.
Derartige Veränderungen in der Positionierung am Terminmarkt wirken in aller Regel nur kurzfristig und haben selten einen mittel- bis längerfristigen Einfluss auf den Goldpreis. Hier zählt vielmehr die physische Nachfrage der Anleger nach Barren und Münzen. Angesichts der Erwartung eines soliden, aber nicht übermäßig dynamischen Wachstums, höherer Zinsen und einer anhaltend tiefen Inflation rechnen wir mit einer weiterhin rückläufigen Anlegernachfrage. Wir gehen nicht davon aus, dass Käufe aus China oder Indien die rückläufiger Anlegernachfrage kompensieren können. Damit sollte der Goldpreis auf Sicht des nächsten Jahres tief bleiben.
Terroranschläge beeinflussen den Goldpreis langfristig nicht
Trotz der tragischen Terroranschläge gehen wir nicht davon aus, dass zunehmende geopolitische Risiken einen nachhaltig positiven Einfluss auf den Goldpreis haben werden. Unsere Analyse zeigt, dass die Unterstützung der Preise durch geopolitische Ereignisse üblicherweise nur eine kurzfristige Abweichung vom längerfristigen Trend zur Folge hat, der sich in der mittleren und längeren Frist fortsetzt. Dieses Bild zeigte sich unter anderem beim ersten Golfkrieg und den Anschlägen auf das World Trade Center.
Unsere Preisziele auf Sicht von drei und zwölf Monaten liegen bei USD 1,150 und USD 1,100 je Unze.
Folgende „Wildcards“ sehen wir für das kommende Jahr:
Eine spürbare Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in den USA könnte die US-Notenbank zu einer Kehrtwende veranlassen, das heißt die Geldpolitik lockern anstelle sie zu straffen. Dies sollte die Anlegernachfrage beleben und Gold nachhaltig Auftrieb geben. Ein besser als erwartetes Wachstum hätte den umgekehrten Effekt und würde wohl zu einem noch stärkeren Nachlassen der Anlegernachfrage führen.
Die Verschärfung des Abschwungs in den Schwellenländern legt strukturelle Probleme offen und könnte sich zu einer Solvenzkrise auswachsen. Auch dies sollte die Anlegernachfrage beleben und Gold stützen. Jedoch würde in diesem Falle wohl weniger Gold in den Schwellenländern selbst nachgefragt, was den positiven Effekt auf den Preis dämpfen könnte.“
„Unbedingt auf die Goldkursentwicklung in Euro schauen“
Wolfgang Wrzesniok-Roßbach, Geschäftsführer Degussa Goldhandel
„Langfristig sehe ich die weitere Kursentwicklung insbesondere für Gold eher positiv. Dafür gibt es zahlreiche Gründe: Die wirtschaftliche und finanzpolitische Lage in vielen Ländern der Welt zeigt sich weiter oder auch wieder nicht besonders positiv, besonders auch in der Eurozone. Dazu kommen neue wirtschaftliche Krisengebiete: China, Russland, Brasilien.
Die Zinsen werden – bedingt durch die vielerorts extrem hohe Staatsverschuldung – auf Jahre hinaus niedrig bleiben, da helfen auch die voraussichtlich 25 Basispunkte Erhöhung in den USA nicht. Anleihen sind also für Anleger auf lange Sicht keine Alternative und Aktien sind jetzt schon teils überkauft, insbesondere wenn die Wirtschaft anfängt zu schwächeln.
Der Dollar wird eher weiter zulegen, das ist zwar negativ für den Dollar-Gold-Preis, aber positiv für den Euro-Gold-Preis. Dieser Zusammenhang für hiesige Leser/Anleger ist sehr wichtig, da nur die wenigsten von ihnen Währungsspekulationen oder -absicherungen machen. Gold ist also ein Hedge gegen einen Wertverlust des Euro! Leider wird hierzulande in der Darstellung viel zu sehr auf die Goldkursentwicklung in Dollar geschaut, die für 95 Prozent der deutschen Anleger irrelevant ist.
Es gibt auch noch ein paar fundamentale Gründe, die für eine stabilere Entwicklung des Goldkurses sprechen:
Das Aufkommen an Altgold ist rückläufig, die Minenproduktion wird (nach dem leichten Anstieg der letzten Jahre) durch den Preisrückgang eher wieder stagnieren und langfristig fallen, die massiven Verkäufe der ETFs haben sich abgeschwächt, die Schmucknachfrage steigt in einigen Märkten und die physische Anlage in wichtigen Märkten bleibt hoch. Und die Zentralbanken kaufen eher.
Hinzu kommt, dass es jederzeit einen schwarzen Schwan (Terror, Aktienmarkt-Crash, Firmenpleiten von Großunternehmen, Naturkatastrophen, politische Beben) geben kann, der – egal, welches Szenario man sich vorstellt – immer positiv für Gold ist. Ein disruptives Ereignis, das plötzlich und massiv negativ für Gold ist, kann man sich dagegen gar nicht vorstellen.
Nachfrage in diesem Jahr besonders hoch
Die Nachfrage seitens der Kunden bei der Degussa ist in diesem Jahr sehr hoch. In den einzelnen Monaten dieses Jahres sehen wir zwischen 30 und 50 Prozent mehr Käufe als im Vorjahr. Auffällig ist, dass viele jüngere Leute zu uns kommen und dass keinerlei Panik zu herrschen scheint – anders als nach Lehman oder bei der ersten Griechenland-Krise, als es regelrechte Schlangen vor den Schaltern gab.
Es scheint vielmehr so, dass sich viele Kunden grundsätzlich zwar schon längst zu einem Goldkauf als eine Art Vermögensversicherung entschieden haben, dass sie gleichzeitig aber den Markt und den Preis sehr intensiv beobachten und auf Preisrückschläge warten, die sie dann für ihre Käufe nutzen. Ein solches richtiges, weil antizyklisches Verhalten ist relativ neu und erst in den letzten vielleicht fünf Jahren zu beobachten. Ich schiebe dies darauf, dass Kunden durch das Internet heute wesentlich besser informiert sind, als dies noch vor Jahren der Fall war.“
„Der Markt ist überkauft“
Ole Hansen, Rohstoffexperte bei der Saxo Bank
„Gold ist auf ein neues Fünf-Jahres-Tief gefallen. Nach einem vierwöchigen Ausverkauf ist der Markt mittlerweile überverkauft. Eine potenzielle Zinswende scheint nun voll eingepreist zu sein. Dies sollte dabei helfen, den Preis zu stabilisieren. Der starke US-Dollar, der im Zuge einer möglichen Zinswende und einer weiteren Quantitative-Easing-Runde in Europa noch weiter zulegen dürfte, wirkt sich allerdings weiterhin negativ auf den Goldpreis aus.
Stärkephasen des Dollars gehen gleichzeitig mit Schwächephasen beim Gold einher. Das kurzfristige Kurspotenzial beim gelben Metall bleibt bei 1.110 US-Dollar pro Feinunze limitiert, während das Tief aus dem Jahr 2010 bei 1.045 US-Dollar pro Feinunze die erste untere Unterstützungslinie darstellt.“
„Nicht über 1.100 US-Dollar“
Caroline Hilb, Leiterin Anlagestrategie St. Galler Kantonalbank
Caroline Hilb, Leiterin Anlagestrategie bei der St. Galler Kantonalbank, sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Zinshöhe und der Nachfrage nach Goldinvestments. Bei niedrigen Zinsen seien die Opportunitätskosten, also die Kosten des Verzichts auf eine andere Anlagemöglichkeit, niedrig. Mit der Aussicht auf eine Zinswende im Dezember nehme die Attraktivität des Edelmetalls ab.
Am Markt tummelten sich im Moment vorwiegend spekulative Investoren. Langfrist-Anleger und Schwellenländer fragten derzeit kaum das Edelmetall nach. Damit fehlten am Goldmarkt zwei wichtige Käufergruppen. Mehr als 1.100 Dollar traut Hilb der Feinunze Gold bis Jahresende nicht zu.
Von: Iris Bülow
Quelle: DAS INVESTMENT.