SJB | Korschenbroich, 17.08.2015. Türkei-Fonds gehören 2015 bislang zu den größten Verlierern: Kein einziger von ihnen konnte seit Jahresbeginn Gewinne einfahren.
Doch obwohl Präsident RecepTayyip Erdogan das Land immer stärker ins Abseits führt, sollten Anleger die Börse in Istanbul nicht völlig aus den Augen verlieren.
Wer in der Türkei investiert, braucht seit jeher starke Nerven. In diesen Wochen gilt das noch ein wenig mehr als sonst: Erst erschüttert Mitte Juli ein Terroranschlag die syrisch-türkische Grenzstadt Suruc.
Dann startet Ministerpräsident RecepTayyip Erdogan ohne Rücksprache mit den Nato-Verbündeten einen Feldzug gegen die als Drahtzieher vermuteten Schergen des Islamischen Staates – und bekämpft gleichzeitig deren stärkste Gegner, die Kurden. Eine fast schon absurde Situation, die exemplarisch steht für die außenpolitische Isolation und die innenpolitische Zerrissenheit, in die Erdogans autokratischer Machtanspruch das Land in den vergangenen Jahren geführt hat.
Doch auch wenn die Börse in Istanbul derzeit ein recht getreues Abbild dieser Verhältnisse gibt: Auf lange Sicht hat es sich für Anleger gelohnt, dort investiert zu sein. In den vergangenen 17 Jahren ist der marktbestimmende ISE-100-Index von 5.000 auf 80.000 Punkte gestiegen, und trotz der zwischenzeitlich immer wieder schwächelnden türkischen Lira ist auch für deutsche Anleger einiges hängen geblieben: Der älteste Türkei-Fonds mit deutscher Vertriebszulassung, der im April 1998 aufgelegte Türkisfund Equities, schaffte seither auf Euro-Basis immerhin ein Plus von 237 Prozent. Zum Vergleich: Der Dax stieg im gleichen Zeitraum lediglich um 110 Prozent.
Für ein Investment in der Türkei sprechen unter anderem die niedrigen Staatsschulden von unter 40 Prozent, allmählich wieder anziehende Wachstumsraten und die recht junge Bevölkerung des Landes mit einem Altersdurchschnitt von nur 30 Jahren. Die rund 74 Millionen Türken bieten Investoren einen großen und dynamisch wachsenden Binnenmarkt.
Neben dem Türkisfund Equities gibt es acht weitere Türkei-Fonds, die sich für den Crashtests qualifiziert haben. Den im Vergleich zum vergangenen Jahr größten Sprung nach vorne hat dabei der UBAM Turkish Equities gemacht. Dessen Manager Koen konnte vor allem im Performance-Test Boden gutmachen und ist dadurch in der Gesamtwertung an den konkurrierenden Fonds von DWS und HSBC vorbeigezogen.
Die drei Siegerfonds im Kurz-Porträt
Platz 1: UBAM Turkish Equities
Eli Koen kann man zu Recht als alten Hasen bezeichnen: Seit 20 Jahren beschäftigt sich der gebürtige Istanbuler bereits mit türkischen Aktien. Bevor ihn 2010 die Schweizer UBAM verpflichtete, wo er von London aus den UBAM Turkish Equities leitet, managte er bereits erfolgreich mehrere Jahre einen Türkeifonds bei Fortis.
Koen verfolgt in seinem Fonds einen Bottom-up getriebenen Value-Investmentstil, in dem die Analyse der einzelnen Unternehmen im Vordergrund steht. Die Sektoren ergeben sich folglich aus der Einzelwertanalyse.
Leicht zur Benchmark übergewichtet hat er derzeit mit knapp 45 Prozent Titel aus dem Finanzsektor. Ebenfalls übergewichtet ist der Industriesektor. Hier mag Koen vor allem Enka Insaat Sanayi, ein Bauunternehmen, das unter anderem Kraftwerke, Straßen, Brücken und Gebäude in der Türkei, Russland, im Nahen Osten und in Zentralasien baut. Konsumgüter hat er dagegen untergewichtet.
Das Portfolio umfasst derzeit 41 Titel. Das ist nicht viel, allerdings mehr als beim letzten Crashtest. Da befanden sich lediglich 31 Titel im Fonds. Standard- und Nebenwerte halten sich mit jeweils 50 Prozent die Waage. Das Fondsvolumen ist mit 27 Millionen Euro das kleinste der drei Siegerfonds.
Trotz der aktuell gedämpften Aussichten bleibt Koen für seinen Markt langfristig optimistisch. „Die Türkei gehört zu den vielversprechendsten Märkten der Welt“, sagt er und begründet diese These ganz nüchtern mit Fakten: „Bis 2025 wird das Land in die Riege der zwölf größten Wirtschaftszonen der Welt aufsteigen. Mit einer Rate von 5 Prozent weist es das langfristig und nachhaltig höchste Wachstum in Europa auf. 60 Prozent der Bevölkerung sind zudem jünger als 35 Jahre.“
Platz 2: DWS Türkei
Dass man nicht unbedingt türkische Wurzeln haben und vor Ort sitzen muss, um erfolgreich einen Fonds für türkische Aktien zu managen, beweist Sebastian Kahlfeld seit Jahren. Der von Frankfurt aus agierende Manager des DWS Türkei kommt eigenen Angaben zufolge bei Meetings vor Ort mit Englisch bestens zurecht, und als einen seiner Haupt-Vorteile sieht er die Größe der Muttergesellschaft Deutsche Bank: „Das erleichtert den Zugang. Außerdem kann ein gewisser Abstand zum Markt auch positiv sein, weil dann zum Beispiel die Gefahr geringer ist, Gerüchten aufzusitzen.“
Wie die meisten seiner Konkurrenten hat auch Kahlfeld in seinem Fonds Finanzwerte wie Akbank TAS oder Turkiye Is Bankasi hoch gewichtet, insgesamt liegt ihr Anteil bei 42 Prozent. Zudem setzt er ebenfalls stark auf Werte aus der zweiten und dritten Reihe. „Hier finden sich vor allem einige lohnende exportorientierte Firmen“, erläutert Kahlfeld. Diese seien zwar auch in der allgemeinen Schwäche des Marktes mit nach unten gezogen worden. „Die von uns gehaltenen Unternehmen sind jedoch kerngesund und verfügen über ein ausgezeichnetes Management.“
Als belastend für den türkischen Aktienmarkt empfindet der DWS-Manager die derzeit unklare politische Lage. Aktuell laufen noch Koalitionsverhandlungen, auch Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen. Kahlfeld: „Es ist gut möglich, dass deshalb Investitionsentscheidungen vertagt werden.“ Aus den gleichen Gründen wie UBAM-Manager Koen hält jedoch auch Kahlfeld den türkischen Markt auf lange Sicht für äußerst attraktiv.
Trotz der nach wie vor zur Schwäche neigenden türkischen Lira nimmt Kahlfeld Währungsabsicherungen nur sporadisch vor: „Unser Fokus liegt in erster Linie auf der Analyse der Unternehmen.“
Platz 3: HSBC Turkey Equity Fund
Vom Zeitpunkt seiner Auflegung an gerechnet ist dieser im Frühjahr 2005 gestartete Fonds das performancestärkste Angebot seiner Kategorie, auch über drei und fünf Jahre gehört er zu den Spitzenreitern. Im laufenden Jahr findet sich Yigit Onat, der den Fonds direkt vor Ort in Istanbul leitet, dagegen nur in der Mitte des Bewerberfeldes wieder – mit entsprechend schwachen Noten im Stresstest.
Das Portfolio des Fonds ist zweigeteilt. Rund 60 bis 70 Prozent des Vermögens legt Onat indexnah an. Eine Mehrrendite versucht er zu erzielen, indem er sich aus circa 100 investierbaren Titeln die 40 stärksten herauspickt, von denen es letztlich die zehn besten ins sogenannte Alpha-Portfolio schaffen. Mit 25 bis 40 Titeln ist der HSBC Turkish Equity vergleichsweise konzentriert, derzeit hält Onat 37 Beteiligungen.
Auf der Sektorebene dominiert wie in den Fonds der Konkurrenz der Finanzsektor. „Trotz des regulatorischen Drucks beurteilen wir die Aussichten für türkische Banken als positiv“, sagt Onat. Der Anteil notleidender Kredite sei weiter gering, gleichzeitig bestehe Verbesserungsspielraum bei den operativen Kosten. Onat: „Derzeit sind wir in ausgewählten Titeln übergewichtet und warten auf weitere Kaufgelegenheiten.“
Nicht ganz so positiv sieht der HSBC-Manager Konsumtitel wie die Autobauer Ford Otomotiv Sanayi und Tofas oder den Haushaltsgeräte-Hersteller Arcelik. „Wir gehen davon aus, das die inländische Nachfrage nach Konsumgütern in den kommenden Quartalen abflaut, was sich negativ auf die Gewinnerwartungen auswirken dürfte“, sagt er. Im Energiesektor gefällt Onat vor allem der Raffinerie-Betreiber Tupras, der unter anderem von einer kürzlich erfolgten Fabrikinvestition in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar profitieren soll: „Das lässt für dieses Jahr hohe Gewinne erwarten.“
Von: Sven Stoll
Quelle: DAS INVESTMENT.