Das Investment: Das ändert sich nach einem Brexit im europäischen Fondsvertrieb

sjb_werbung_das_investment_300_200Die Entscheidung zum britischen EU-Austritt ist gefallen. Das Votum wirft jedoch neue Fragen auf, mit denen sich die Finanzindustrie innerhalb der nächsten Monate auseinandersetzen muss. Was wird sich im europäischen Fondsvertrieb ändern – unmittelbar nach dem Brexit-Entscheid und in Zukunft?

Fällt infolge des Brexit-Votums bei UK-Fonds der EU-Pass weg?

Der gestrige Austrittsentscheid der britischen Bürger habe zwar Einfluss auf die britische Fondsindustrie – jedoch keinen unmittelbaren. Im Vertrieb der in UK beheimateten Fonds werde sich erst einmal nichts ändern, gibt ein Sprecher des deutschen Fondsverbands BVI eine Einschätzung gegenüber DAS INVESTMENT.

Laut Artikel 50 des EU-Vertrags von Lissabon behalten die EU-Verträge nach Mitteilung eines Staates über einen Austritt zwei Jahre lang ihre Gültigkeit. So lange gelten auch für britische Asset Manager noch die europäischen Passporting-Regeln: Fonds, die in einem EU-Land aufgelegt werden, sind nach gemeinsam festgelegten Regelungen konzipiert. Auf diese Weise können sie, ohne jeweils neue aufwendige Billigungsverfahren durchlaufen zu müssen, Vertriebszulassungen auch in anderen EU-Staaten erhalten.

Das EU-einheitliche Passporting für in Großbritannien beheimatete Fonds steht mit einem Ausscheiden des Landes jedoch auf der Kippe. Über die britischen Beziehungen zur Europäischen Union muss auf vielerlei, unter anderem auf dieser Ebene neu verhandelt werden.

Können für Großbritannien weiterhin EU-Pass-Regelungen gelten?

Die Zukunft des Fondsvertriebs wird abhängig sein von dem Status, den Großbritannien am Ende dieser Verhandlungen gegenüber der EU erlangen wird. Im ungünstigsten Fall werde das Land dann als Drittstaat gelten, der von gemeinsamen grenzüberschreitenden Regelungen nicht mehr profitieren könne, sagt der auf Finanzregulierung spezialisierte Rechtsanwalt Kai Liebrich von der Kanzlei Herbert Smith Freehills. Denkbar sei für das Königreich jedoch auch ein rechtlicher Status vergleichbar mit dem von Norwegen: Das Land ist den EU-Staaten auf vielerlei Ebene gleichgestellt – ohne dabei jedoch an EU-Gesetzgebungsverfahren teilzuhaben. Auf dem Gebiet des Fondsvertriebs profitiert Norwegen auch als Nichtmitglied vom EU-Pass.

Ob also nach dem endgültigen Ausscheiden Großbritanniens nach der Zwei-Jahres-Frist auch der EU-Pass für britische Fonds endgültig wegfällt und der länderübergreifende Finanzvertrieb dann unter erschwerten Bedingungen verläuft, hängt an den Ergebnissen zukünftiger Verhandlungen. Insgesamt 5.300 Finanzbetriebe profitieren laut einer Auswertung der Kanzlei Herbert Smith Freehills derzeit auf britischer Seite vom EU-Pass und werden sich auf die Folgen des EU-Austritts einstellen müssen.

Liebrich schätzt, dass das Land anstreben werde, sich nach Möglichkeit viele Privilegien zu erhalten. Dem Experten zufolge könne sich eine „bizarre Situation“ ergeben: Alle bislang durch die EU-Mitgliedschaft geregelten Beziehungen zur Staaten-Gemeinschaft müssten neu verhandelt werden – am Ende könnte das Land gegenüber der EU insgesamt schlechter dastehen.

Welche Fonds sind genau betroffen?

Internationale Banken, weiß Liebrich, hätten im Vorfeld der Entscheidung bereits Notfallpläne erarbeitet. Der Finanzstandort Frankfurt könne nach dem Brexit-Entscheid als Alternative zum Finanzhub London profitieren, schätzt der Finanzrechtler.

Auch beim Fondsverband BVI glaubt man, dass das Votum britische Finanzfirmen veranlassen könnte, Niederlassungen in EU-Staaten zu gründen und zukünftig dort Fonds aufzulegen. Der Wegfall des EU-Passes betreffe nach Angaben eines Verbandssprechers jedoch lediglich Fonds, die auch direkt in Großbritannien aufgelegt sind – die also das ISIN-Kürzel GB tragen.

Der Präsident der US-Bank Morgan Stanley hat in einem Interview mit Bloomberg TV kürzlich verlauten lassen, dass sein Haus im Falle eines britischen EU-Austritts seinen Hauptsitz aus der britischen Hauptstadt nach Frankfurt oder Dublin verlegen könnte. Das Finanzportal efinancialcareers.com berichtet unter Bezug auf namentlich nicht genannte Insider, dass ausländische Anbieter sich in letzter Zeit verstärkt um Anmietung ganzer Büroetagen in Frankfurt bemüht hätten. Die Information sei vom hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir bestätigt worden.

Von: Iris Bülow

Quelle: DAS INVESTMENT.

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