SJB | Korschenbroich, 03.06.2010. Raus aus der City, rauf auf den Acker – britische Finanzmanager machen sich die Hände schmutzig und entdecken die Landliebe. 560 Milchkühe, über 1.000 trächtige Schafe, ein Milchtank für 4 Millionen Liter und mit 1.500 Hektar Grund eine Fläche, fünfmal so groß wie die Londoner City.
Das ist die Welt von Bauer Birch. 11 Jahre leitete Graham Birch, 49, fünf Kinder, das Rohstoffteam des weltweit größten Vermögensverwalters Blackrock.
Die Hälfte seines Lebens arbeitete er im Finanzdistrikt von London. Zuletzt war er verantwortlich für fünf Aktienfonds und 36 Milliarden Dollar, sensationell erfolgreich und doch ohne Perspektive. „In der Spitze war ich für Ersparnisse von über 40 Milliarden Dollar verantwortlich. So ein Gewicht zieht dich runter, das macht man nicht für immer“, sagt Birch. Im April 2009 gönnt er sich eine Auszeit und wird Landwirt auf Probe. In Blandford Forum, Dorset, 200 Kilometer südwestlich von London, besitzt er zwei Farmen. „Ich habe den Job nicht vermisst und wollte einen vollkommenen Wechsel.“ Im Januar kündigt er und tauscht Anzug gegen Gummistiefel, kauft ein neues Getreidesilo und Erntemaschinen, restauriert die Scheunen und lernt Treckerfahren. Er wird dieses Jahr 3 Millionen Liter Milch produzieren, und die kommenden Wochen werden 2.000 Lämmer geboren. „Das wird hektisch.“
Finanzkrise, Sinnkrise oder die Lust auf Neues haben erfolgsverwöhnte Finanzmanager aus der Londoner City getrieben. Auf Escapethecity.org berichten ehemalige Analysten, Broker und Fondsmanager vom Leben nach dem großen Geld und dem Geschäft mit glutenfreier Backware, Öko-Tees und Schafzucht.
Doch mitunter lassen sich Matsch und Money auch gut vereinen. „Wenn ein neugeborenes Lincoln Red mitten in der Nacht erstmals auf eigenen Beinen steht, sieht man die City aus einer anderen Perspektive“, sagt Tom Dobell. 100 Rinder dieser alten britischen Rasse, 170 Hektar Land und ein konzentriertes Portfolio im Aktienfonds M&G Recovery mit 5,5 Milliarden Euro überblickt Dobell täglich. „Der Aktienmarkt und eine Farm sorgen für die richtige Balance im Leben. Es gibt immer etwas, um das ich mir Sorgen machen muss, und sicher ist nur, dass ich immer früh aufstehen muss“, sagt der studierte Landwirt, der jeden Tag aus der Provinz in die City fährt.
Vollständig vom ehemaligen Tagesgeschäft kann sich auch Graham Birch noch nicht trennen. Seit dem Kauf seiner ersten Farm im Oktober 2007 registriert er einen Preisanstieg von 28 Prozent. „Diese Entwicklung haben wir bei Gold und Kupfer gesehen, und wir werden sie im Agrargeschäft sehen.“
Von: Malte Dreher
Quelle: DAS INVESTMENT.