SJB | Korschenbroich, 06.02.2014. Die jüngsten Kursverluste in Schwellenmärkten gehen auf irrationale Anlegerpanik zurück und sind übertrieben, meint Mark Mobius.
Der Franklin-Templeton-Experte schätzt die Lage in China und Argentinien ein – sollten Anleger dort langfristig anlegen? In den letzten Wochen konnten wir eine erhebliche Volatilität in den Märkten beobachten. Das beunruhigte einige Anleger.Es ist aber auch etwas, an das wir uns gewöhnt haben.
Die Märkte, nicht nur in Schwellenländern, sind in den letzten 20 Jahren immer schwankungsintensiver geworden. Das ist die Folge massiver Geldflüsse – nicht nur aufgrund von institutionellen Anlegern und Investmentfonds mit Long-only-Strategien, sondern auch aufgrund von Hedgefonds und dem Hochfrequenzhandel. Wir sehen solche Abverkäufe als potenzielle Chance. So erhalten wir Zugriff auf günstige Gelegenheiten bei ausgewählten Titeln, wenn die Kurse erst so tief fallen, dass sie unser Interesse wecken. Unserer Erfahrung nach waren solche Fluktuationen in der Vergangenheit aber im Allgemeinen kurzlebig.
Langfristige Perspektive für Schwellenmärkte
Für kurzfristige Anleger können Abverkäufe, wie wir sie jüngst erlebt haben, sehr besorgniserregend sein. Das ist der Grund, warum wir gewissermaßen beobachten können wie Geld schnell aus sogenannten „Risikowerten“, zu denen auch Schwellenmarktaktien zählen, abfließt. Ich denke aber, langfristige Anleger wissen, dass sie es sich gut überlegen müssen bevor sie den Absprung wagen. Denn Erholungen stellen sich sehr schnell ein und es kann schwierig sein, dann wieder in den Markt zu finden.
Grundsätzlich hat sich meiner Meinung nach, was langfristige Anlagen betrifft, in den Schwellenmärkten nicht viel verändert. Ich sehe auch keine großen Veränderungen kommen, solange die drei Hauptthemen präsent sind: Das Wirtschaftswachstum in Schwellenmärkten steigt im Allgemeinen mindestens dreimal stärker als das der Industriemärkte. Schwellenmärkte verfügen über viel höhere Devisenreserven als Industriemärkte. Und die Verschuldung von Schwellenmarktländern ist im Allgemeinen viel niedriger als die der Industriemärkte.Natürlich gibt es unter den vielen, verschiedenen Schwellenländern auch eindeutige Ausreißer. Wir glauben aber, die grundlegenden Fakten sprechen für die langfristigen Aussichten der Schwellenmärkte.
Volatilitäsphasen sind nichts Neues, Bewertungen attraktiv
Wir setzen unsere wertorientierte Philosophie immer wieder in die Praxis um, indem wir dann kaufen, wenn der Pessimismus am größten ist. Das ist nicht immer einfach. In den letzten Monaten waren die Schwellenmärkte jedoch von genau so einem Pessimismus betroffen. Diese Volatilitätsphasen sind ganz bestimmt nichts Neues für uns. Sie ändern auch nicht unsere langfristige Überzeugung was das Potenzial der Schwellenmärkte betrifft.
Wir glauben, die jüngsten Kursverluste sind übertrieben und beruhen zu einem großen Teil auf einer irrationalen Anlegerpanik. Wir sehen sie daher als Chance nach günstigen Gelegenheiten Ausschau zu halten. Gerade jetzt sind die Bewertungen in vielen Schwellen- und Grenzmärkten ganz besonders attraktiv.
Kritikern zum Trotz – China wächst nach wie vor rasant
Zwei Märkte, die als teilweiser Auslöser der Panik in Hinsicht auf die Schwellenmärkte genannt werden, sind China und Argentinien. Ich möchte auf diese beiden Fälle daher etwas näher eingehen.
Nach einer Reihe enttäuschender Wirtschaftsdaten in jüngster Zeit besteht wieder einmal Sorge über das Wachstum in China. Kritiker der chinesischen Regierung scheinen verzweifelt nach Missständen in China zu suchen. Sie haben sich also auf die Idee, Chinas Wachstum gehe zurück, eingeschossen. Tatsächlich wächst China nach wie vor äußerst rasant. Sollte China dieses Jahr ein Wachstum von 6 Prozent bis 8 Prozent erreichen, wäre das für eine Volkswirtschaft dieser Größe unglaublich.
Die USA, Japan und andere führende Industriemärkte sind von so einem Wachstum meilenweit entfernt. Während die chinesische Wirtschaft wächst und sich wandelt, können wir das zweistellige Wachstum der Vergangenheit nicht mehr erwarten. Es wird zu einer Verlangsamung kommen – das ist aber in Ordnung. Was den Wert in Dollar betrifft, ist der Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in China sehr hoch. Und China steht, im Rahmen seines Wandels hin zu einem stärker binnenmarktorientierten Modell, am Anfang einer Reihe wichtiger Reformen.
Argentinien – Zu viele Pesos, die Dollars kaufen wollen
Was Argentinien betrifft hat die Regierung inzwischen erkannt, dass es beim offiziellen Währungskurs ein Problem mit der Wettbewerbsfähigkeit des Pesos (ARS) gibt. Erst nachdem man Reserven um die 20 Milliarden US-Dollar (USD) verloren hatte, entschloss die Regierung sich, die bittere Pille zu schlucken. Sie entwertete die Landeswährung und lockerte zum ersten Mal seit Einführung der Devisenkontrollen im November 2011 die Beschränkungen beim Kauf von US-Dollars.
Der offizielle Wechselkurs stieg in der am 20. Januar beginnenden Woche sprunghaft von 6,8 ARS/USD auf 8,0 ARS/USD. Damit liegt er aber immer noch weit vom parallel gehandelten Schwarzmarktkurs – „Blue Dollar“ genannt – entfernt. Dieser lag bei 13 ARS/USD. Das Problem: Bei den aktuellen Zinsen von 20 Prozent in Argentinien gibt es zu viele Pesos, die Dollars kaufen wollen.
Seit Präsidentin Cristina Kirchner nach ihrer Operation ins Amt zurückkehrte und seit den Umbesetzungen im Kabinett, die sie zuließ, hat die argentinische Regierung 2 Milliarden US-Dollar ihrer Kapitalreserven verloren.
Abwertung der argentinischen Währung ist notwendig
Meiner Meinung nach gibt es eine Reihe Fragen, die Antworten schuldig bleiben. Eine davon bezieht sich auf die Umsetzungsrisiken der Abwertung. Wir denken, die Abwertung der argentinischen Währung ist notwendig. Fragwürdig ist aber, wie die Regierung dies tut.
Unserer Ansicht nach muss die Abschaffung der Kapitalbeschränkungen ein politisches Ziel sein. Nur so werden wieder Anreize für den Zufluss von Investmentdollars ins Land geschaffen. Die Kapitalreserven stehen unter erheblichem Druck.
Ich denke, die Regierung darf das nicht zulassen, solange sie Anleger nicht davon überzeugen kann im ARS investiert zu bleiben. Bei einem Parallelkurs von etwa 13 ARS/USD und einem Zinssatz von 20 Prozent müsste der offizielle Kurs näher bei 10 ARS/USD liegen.
Sollte ein Zinsanstieg bis auf 40 Prozent zugelassen werden, müsste der offizielle Kurs unserer Meinung nach bei etwa 9 ARS/USD liegen. Das ist nicht weit vom derzeitigen Stand.
Geldpolitische Misswirtschaft als Grund für Inflation
Lässt die Regierung einen Zinsanstieg nicht zu, wird die Abwertung meiner Meinung nach den Abfluss der Kapitalreserven nicht aufhalten können. Sie kauft nur Zeit. Die zaghafte Lockerung der Beschränkungen beim Kauf von US-Dollars durch Privatanleger scheint ein Versuch zu sein, die Nachfrage im Parallelmarkt zu senken. Denn die ist der Grund für die Differenz zwischen dem offiziellen und dem Parallelmarktkurs.
Die Regierung scheint von dieser Differenz besessen zu sein. Aber sie scheint nichts zu tun, um das Problem zu lösen, das unserer Meinung nach Ursache für die aktuelle Situation in Argentinien ist: Geldpolitische Misswirtschaft und die daraus resultierende Inflation.
Das bringt uns zum zweiten Punkt: Geldpolitische Angleichungen. Die Regierung gibt 35 Prozent der Geldbasis für die Finanzierung des Staatsbetriebs aus. Laut einiger Prognosen könnte das Haushaltsdefizit 2014 5 Prozent des BIP erreichen.
Die Regierung muss meiner Meinung nach die öffentlichen Ausgaben einfrieren und eine mutige Angleichung der Versorgungsgebühren vornehmen. Zusammen mit der Abwertung muss der Abfluss von ARS in das System eingeschränkt werden. Ansonsten werden Anleger weiterhin glauben, die jüngste Abwertung wird nicht die letzte bleiben.
Von: Mark Mobius
Quelle: DAS INVESTMENT.