Das Investment: Was die Investmentbranche zu den Midterm-Wahlen sagt

Die Demokraten holen sich das Repräsentantenhaus zurück, der Senat bleibt republikanisch. Was bedeutet das für Märkte, Wirtschaft und den Präsidenten? Wir haben Stimmen von Investmentgesellschaft für Sie zusammengetragen.  US-Strategin Mona Mahajan, Allianz Global Investors Per Saldo ist der Senat etwas roter geworden (also stärker in Hand der Republikaner), und das Abgeordnetenhaus etwas blauer (stärker in Hand der Demokraten) als erwartet.

Die Märkte werden dieses Ergebnis mögen:
Die Wachstums-Agenda des Präsidenten wird wahrscheinlich weiterhin bestehen bleiben: Steuerreform und Deregulierung. Die Chancen für weitere Steuerreform-Maßnahmen und Deregulierung sind jedoch gering.
Die Handelsstreitigkeiten des Präsidenten werden weiterhin via Exekutiv-Order fortgesetzt. Zwar dürften aus einem von den Demokraten dominierten Abgeordnetenhaus stärkere Gegenstimmen bei Übertreibungen zu hören sein, ohne Unterstützung beider Kongressparteien wird aber wenig auszurichten sein.
Auswirkungen des Wahlergebnisses auf ausgewählte Sektoren:Infrastruktur: Beide Parteien hatten angekündigt, dass sie ein Infrastrukturpaket wünschen. Dies wird aber voraussichtlich weniger umfangreich sein als das von den Demokraten vorgeschlagene Paket in Höhe von einer Billion US-Dollar, da die Republikaner zögern werden, einer dafür notwendigen Defiziterhöhung zuzustimmen.

Medizinische Versorgung: Die Kampagnen vieler Demokraten hoben das Thema Gesundheitswesen/Healthcare hervor. Sowohl Präsident Trump als auch Demokraten möchten die Preise für Medikamente senken. Dies wäre positiv für den privaten Konsum und einen Teil der Wählerschicht Trumps aus der Mittelklasse, jedoch ein Nachteil für die Pharmabranche.

Staatsausgaben: Unter einem gemischten Kongress sehen wir möglicherweise weniger Verteidigungsausgaben, denn Präsident Trump wird Kompromisse eingehen müssen, um Zustimmung für die geplanten Ausgaben zu erhalten.
Fazit: In einem Gridlock-Szenario ist für 2019 einiges an politischem Stillstand zu erwarten. Einigungsmöglichkeiten bestehen jedoch bei den Themen Infrastruktur und Medikamentenpreise. Für die Finanzmärkte bedeutet dies einen gewissen Abwärtsdruck auf den US-Dollar, wovon wiederum Schwellenländer profitieren können, und tendenziell etwas niedrigere Zinsen als im bisherigen Szenario. Die Aktienmärkte dürften weiterhin vom Fiskalstimulus profitieren und die feste Konjunktur und anhaltend guten Unternehmensergebnisse reflektieren.

John Bailer, Fondsmanager des BNY Mellon US Equity Income bei TBCAM, einer Boutique von BNY Mellon IM
Mit der Rückgewinnung des Repräsentantenhauses durch die Demokraten erwarten wir kurzfristig volatile Märkte, da die Untersuchungsverfahren gegen Präsident Trump und ein mögliches Amtsenthebungsverfahren stärker in den Fokus rücken. Ein Blick auf die verschiedenen Machtverhältnisse zwischen Republikanern und Demokraten seit 1933 zeigt, dass die Konstellation aus einem republikanischen Präsidenten und unterschiedlichen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses sich überdurchschnittlich gut auf die Entwicklung der Märkte ausgewirkt hat. Seit 1946 lief die Börse in den zwölf Monaten nach den Midterms jedes Mal besser als zuvor. Die Fundamentaldaten der Unternehmen dürften solide bleiben und die Bewertungen der US-Titel sind attraktiv, so dass sich die Aktien von den kurzfristigen politischen Turbulenzen erholen sollten.

Der Finanzsektor sollte gut abschneiden, denn die Kombination aus attraktiven Bewertungen, verbesserter Geschäftsdynamik und starken Fundamentaldaten dürfte alle politischen Störfaktoren ausgleichen. Derzeit haben Finanztitel im S&P 500 die besten Aussichten für das Dividendenwachstum.

Die Chancen für ein Infrastrukturgesetz stehen gut, da Bauprojekte für Trump einen hohen Stellenwert haben und Politiker es lieben, ihre Wählerschaft mit dem Versprechen neuer Straßen und Schulen zu besuchen. Das US-Haushaltsdefizit wird somit weiter steigen, und der zusätzliche Stimulus könnte bis 2020 zu einer Überhitzung der Wirtschaft führen.

John Stopford, Leiter für Multi-Asset Income bei Investec AM
Die US-Halbzeitwahlen sind deshalb wichtig, weil, wie man sieht, die regierende Partei die Kontrolle über das Repräsentantenhaus verliert und es dann für den Präsidenten schwieriger wird, seine legislative Agenda voranzutreiben. Die Republikaner müssen nun, statt weiter Steuern zu senken, sich andere Dinge einfallen lassen. Das könnte große Auswirkungen haben, sowohl auf die US-Wirtschaft als auch auf die Finanzmärkte.

Das Land erscheint gespaltener und wütender als je zuvor. Die Wahlen können als ein binäres Ereignis gesehen werden. In der Vergangenheit war die Post-Midterms-Zeit für Aktien sogar recht gut. Die Fed ist hier diesmal der große Joker. Leider hat die Straffung der Geldpolitik in den USA bisher vor allem andere Märkte wie Südafrika, wie die Türkei, wie Argentinien und so weiter getroffen. Sie hat den Aktienmarkt nicht wirklich so stark beeinflusst und auch die USA nicht. Es gibt also nichts, was die Fed davon abhalten könnte, ihre Straffung fortzusetzen, zumal Dinge wie Arbeitsmarktdaten ziemlich stark sind. Wir haben jetzt ein Lohnwachstum von über 3 Prozent. Wir haben eine Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent. Wir haben eine starke Beschäftigungsstatistik. Warum sollte also die Fed, abgesehen davon, dass sie von Donald Trump bisweilen attackiert wird, aufhören, die Zinsen anzuheben?

Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank
Der Ausgang der Midterm Elections in den USA dürfte für die Kapitalmärkte eine gute Nachricht sein. Dass der US-Präsident nun weiterhin seine republikanischen Impulse setzen kann, dabei aber etwas mehr Gegenwind von den Demokraten im Repräsentantenhaus bekommt, könnte sich als optimale Konstellation für die Märkte herausstellen. Denn grundsätzlich trauen die Börsen den Republikanern mehr Wirtschaftskompetenz zu als den Demokraten – doch Donald Trump hat es durch seine zuweilen aggressive Vorgehensweise geschafft, diesen Bonus zu verspielen. So sehr die Märkte republikanische Politik grundsätzlich zu schätzen wissen, so wenig mögen sie Unsicherheit und Instabilität.

Dass US-Präsident Trump in der neuen politischen Konstellation bei vielen seiner Vorhaben leichter einzubremsen ist, dürfte vor allem auch ausländische Investoren freuen. Schließlich plant er die Regulierung der Finanzmärkte zurückzufahren, die Mittel zur Förderung erneuerbarer Energien zu kürzen und die Sozialausgaben zu senken – und das geht vielen Investoren zu weit.

Trotz der positiven Effekte für die Börsen bedeutet der Wahlausgang allerdings nicht, dass dem US-Aktienmarkt noch einmal eine Aufschwungphase bevorsteht. Denn die republikanische Regierung hat ihr Pulver mit Inkrafttreten der Steuerreform bereits weitgehend verschossen. Um das geplante milliardenschwere Infrastrukturprogramm ist es aufgrund des sich abzeichnenden höheren Staatsdefizites inzwischen sehr ruhig geworden. Auch haben die Steuersenkungen nicht den Erfolg gebracht, den man sich erhofft hat. Die US-Investitionen sind kaum angesprungen. Die US-Unternehmen haben es vorgezogen, mit den Steuergeschenken eigene Aktien zurückzukaufen, anstatt Investitionen zu tätigen, die Wachstumsschübe hätten auslösen können. Darüber hinaus dämpft der fortschreitende Prozess der US-Zinsnormalisierung die volkswirtschaftlichen Aktivitäten. Ein schwächeres Wirtschaftswachstum außerhalb der USA trägt ein Übriges dazu bei, dass die Voraussetzungen heute andere sind als unmittelbar nach der US-Präsidentschaftswahl Anfang 2017.

John Vail, Globaler Chefstratege von Nikko Asset Management
Die Demokraten haben bei der Auswahl ihrer Kandidaten für das Repräsentantenhaus einen guten Job gemacht: Viele von ihnen sind Frauen mit militärischem Hintergrund. Das Unterhaus wird fortan von den Demokraten kontrolliert, die Trump das Leben in den nächsten zwei Jahren schwer machen werden. Sie könnten Untersuchungen des Innenausschusses einleiten, die Trumps möglichen Verstrickungen (etwa in der Russland-Affäre) nachgehen und durchaus zu seiner Amtsenthebung führen könnten. Doch Druck dürfte ihm auch aus den eigenen Reihen entgegenschlagen, weil er wahrscheinlich einen deutlich loyaleren Justizminister ernennen wird.

Die Republikaner konnten ihre Mehrheit im Senat um mehrere Sitze ausbauen, was die Bestätigung von Richtern und Regierungsmitgliedern künftig erleichtert und es schwieriger macht, Trumps Vetos außer Kraft zu setzen. Sie macht auch eine Verurteilung Trumps weniger wahrscheinlich, sollte er vom Repräsentantenhaus angeklagt werden.

Die Chance, dass ein angeklagter, aber nicht verurteilter Präsident wiedergewählt wird, scheint unwahrscheinlich, aber in diesen ungewissen Zeiten nicht unmöglich. Doch in solch einer Situation würde Trump vielleicht gar nicht mehr antreten wollen. Auf jeden Fall wären die Chancen der Republikaner, 2020 erneut die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, deutlich geschmälert. Ein Sieg der Demokraten könnte durchaus wieder zu höheren Steuern und mehr Unternehmens- und Umweltvorschriften führen.

Frank Häusler, Leiter für Makroanalyse in der Multi Asset Boutique von Vontobel Asset Management
Das Ergebnis der US-Zwischenwahlen bietet keine Überraschungen: Die Demokraten erobern das Repräsentantenhaus zurück, der Senat bleibt in republikanischer Hand.

Änderungen an der Handels- und Steuerpolitik von US-Präsident Trump sind allerdings nicht zu erwarten. Zwar kann das von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus Trumps Initiativen Steine in den Weg legen, hat aber nicht die Macht, seine Politik komplett umzukehren. Genauso wenig kann erwartet werden, dass die fortschreitende Deregulierung gestoppt werden wird. Bei einzelnen Punkten, wie der Forderung nach einer weiteren Marktöffnung in China oder weiteren Steuersenkungen, herrscht zwischen Demokraten und Republikanern durchaus Einigkeit. Die Wachstums- und Inflationsaussichten für die USA und die Weltwirtschaft bleiben unverändert.

Neben den US-Zwischenwahlen gibt es weitere politische Entwicklungen die einen größeren Einfluss auf das globale Wirtschaftswachstum und die Performance der Anlageklassen haben. Wir erwarten mehr Klarheit zu den Handelszöllen vom Xi-Trump-Treffen Ende November auf dem G20-Gipfel. China muss seine Wirtschaft ankurbeln. Weiterhin überschatten der Brexit-Deal und die italienische Haushaltsfrage die europäischen Märkte.

Von: Andreas Harms
Quelle: Das Investment

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