Das Investment: Wie Clean Share Classes den Fondsvertrieb verwirbeln

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Provisionsfreie Anteilsklassen von Investmentfonds sollen Verwaltungsaufwand senken und Honorarberatung vereinfachen. Allerdings müssen sich nun Fondsplattformen nach neuen Ertragsquellen umsehen. Es geht um wichtige Prozentpunkte.Im November 2017 stößt BVI-Chef Thomas Richter alle Anwesenden noch einmal so richtig mit der Nase drauf. Die Finanzregelung Mifid II sei das dickste Brett, das die Finanzbranche in Deutschland je bohren musste, verkündet er auf der Jubiläumsgala der Fondsgesellschaft Franklin Templeton vor rund 300 Gästen. Der Saal verstummt, denn alle wissen: Der Mann hat ja sowas von recht.

Das ist ein Dreivierteljahr her, Mifid II ist Alltag in der Finanzbranche geworden. Ein harter Umbruch ist dabei die Vorgabe, dass Vermögensverwalter und unabhängige Berater keine Provisionen mehr von Fondsgesellschaften kassieren dürfen. Anderen Beratern ist das nur erlaubt, wenn sie dadurch „ihre Dienstleistung verbessern“, wie es das deutsche Gesetz reichlich schwammig ausdrückt. Damit mussten sich viele Berater überlegen, wie sie künftig von ihrer Arbeit leben sollen.

Richtlinie 2014/65/EU, auch bekannt als Mifid II, vom 15. Mai 2014

Um den Anlegerschutz zu stärken (…) sollte auch die Möglichkeit für Wertpapierfirmen, die unabhängige Anlageberatung und Portfolioverwaltung anbieten, eingeschränkt werden, Gebühren, Provisionen oder andere monetäre und nichtmonetäre Vorteile von Dritten oder für Dritte, insbesondere von Emittenten oder Produktanbietern, anzunehmen und einzubehalten.

Dies bedeutet, dass alle Gebühren, Provisionen oder anderen monetären Vorteile, die durch einen Dritten gezahlt oder gewährt werden, durch die Firma in vollem Umfang an die Kunden sobald wie möglich nach Eingang dieser Zahlungen erstattet werden müssen, (…).
Denn Mifid sorgt dafür, dass Berater die bei normalen Fonds fließenden Bestandsprovisionen nun an ihre Kunden weiterleiten müssen. „Auskehren“, heißt das im Fachsprech. Die Plattform, bei der der Fonds gelagert wird, übernimmt das und schreibt den wertvollen Kehricht den Anlegern direkt gut.

Ein Teil der Provision wird einbehalten
Die ganze Provision? Nein, nicht ganz. Einen kleinen Teil behalten sich die Fondsplattformen ein, das ist Teil ihres Geschäftsmodells. So behält zum Beispiel die Augsburger Aktienbank je nach Depotmodell 30 Prozent oder 10 Prozent der sogenannten Fondsvermittlungsprovision ein, zeigt der Verbund Deutscher Honorarberater in einer Beispielrechnung.

Jetzt bauen Fondsgesellschaften ein Angebot aus, das es unter anderem in Großbritannien und den Niederlanden schon länger gibt: die provisionsfreie Anteilsklasse, auf Neudeutsch „Clean Share Class“. In beiden Ländern ist provisionsgebundene Beratung schon lange verboten, dort läuft alles nur noch gegen Beratungshonorar.

Clean Shares unterscheiden sich von herkömmlichen Anteilsklassen für Privatanleger, indem die Provisionsanteile fehlen: Der Ausgabeaufschlag fällt dadurch weg, und die Verwaltungsgebühr liegt deutlich tiefer. Denn darin ist bei normalen Klassen die Provision verpackt. Die belgische Gesellschaft Degroof Petercam hat zu jedem ihrer Fonds Clean Shares aufgelegt und Anfang 2018 in Deutschland genehmigen lassen. Normalerweise kostet beispielsweise der Aktienfonds Equities Europe in der normalen Privatanleger-Version (ISIN: BE0058178758) von 1,5 Prozent Verwaltungsgebühr im Jahr. Die provisionsfreie Variante (BE6246041170) schlägt dagegen mit lediglich 0,75 Prozent zu Buche.

§ 70 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG): Zuwendungen und Gebühren

(1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen keine Zuwendungen von Dritten annehmen oder an Dritte gewähren, (…) es sei denn,

  1. die Zuwendung ist darauf ausgelegt, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern und steht der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im bestmöglichen Interesse des Kunden im Sinne des § 63 Absatz 1 nicht entgegen und
  2. Existenz, Art und Umfang der Zuwendung (…) wird dem Kunden vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung (…) offengelegt.
    0,75 Prozentpunkte Preisnachlass im Jahr sind eine Menge. Damit können Privatanleger sogar mit den Konditionen großer institutioneller Anleger mithalten. Und mit noch einer anderen Konkurrenz. „Clean Share Classes sind auch eine Antwort auf die wachsende ETF-Branche, weshalb der Markt schon vor Mifid II in dieser Hinsicht im Umbruch war“, sagt Sebastian Höft, Abteilungsleiter B2B-Partner bei der Fondsdepotbank.

Buchstabensalat bei Fondsgesellschaften
Auch was den Aufwand betrifft, machen Clean Shares einiges einfacher. Denn es entfällt der regelmäßige Kehraus der Provisionen, der obendrein der Abgeltungssteuer unterliegt. Stattdessen verbessert der Betrag direkt die Wertentwicklung ihrer Fonds. Dort ist er zwar zusammen mit dem normalen Gewinn auch steuerpflichtig – der Steuervorteil ist damit wieder futsch –, dafür zweigt sich die Fondsplattform nichts mehr ab.

Inzwischen bieten zahlreiche Fondsgesellschaften Clean-Share-Varianten ihrer Produkte an. Das Volumen ist aber durchweg überschaubar. Standards gibt es keine, sogar die Buchstaben-Zusätze sind unterschiedlich. Franklin Templeton nennt seine Tranchen W und Z, Degroof Petercam V und W, UBS vergibt ein Q, Allianz Global Investors ein R, DWS ein TF, Nordea ein C und Sauren ein H. Fairerweise muss man aber sagen, dass die Branche derzeit wirklich dringendere Probleme hat. Nämlich eine Steuerreform, neues Datenschutzrecht und die ganzen anderen Belange von Mifid II. Und das alles bei sinkenden Margen. Tauschen will da keiner.

Außerdem lässt sich feststellen: Der Umbruch könnte schneller laufen, wenn die Fondsplattformen besser mitspielen würden. „Manche von ihnen sträuben sich noch“, berichtet der Deutschland-Chef von Degroof Petercam, Thomas Meyer, sagt aber lieber nicht, welche er meint. Es laufe gerade das große Abtasten. Eduardo Mollo Cunha, der den Vertrieb von Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement leitet, bestätigt: „Es ist oft leider mühsam, dass Plattformen oder beispielsweise Direktbanken, die an Transaktionen verdienen, die Clean Shares der Fonds für alle Anleger freischalten.“

„Wir arbeiten permanent an unserem Leistungskatalog“
In der Tat: Sollten sich Clean-Share-Klassen weiter ausbreiten, müssen sich die Fondsplattformen überlegen, woher sie dann Geld bekommen. Schließlich gibt es nichts mehr auszukehren und damit auch nichts einzubehalten. Viel Konkretes hört man da aber noch nicht. „Auf Grund des geringen Volumens befinden sich diese Fragen noch in einem Projektstatus“, heißt es etwa von der Augsburger Aktienbank. Und Ulrich Funk, Leiter Fundpartner Management von Konkurrent Attrax, sagt: „Wir arbeiten permanent an unserem Leistungskatalog. Dabei berücksichtigen wir individuell auch Clean Share Classes in unseren Überlegungen.“

Etwas präziser wird es bei der zur UBS gehörenden Plattform Fondcenter, die Fondsgesellschaften gegen Entgelt Kundendaten übermitteln will. Und auch bei Ebase lässt man schon etwas raus: „Mit dem Vertrieb von ETFs haben wir bereits gelernt, das bestandsorientierte Geschäft um ein transaktionsbasiertes zu erweitern. Dort ist die Transaktionsgebühr der wesentliche Moment beim Ertrag“, erklärt der Sprecher der Geschäftsführung, Rudolf Geyer. Vor diesem Hintergrund werde man bis Jahresende entscheiden, welches Ertragsmodell für Clean Share Classes eingesetzt wird. Entweder am Volumen orientiert, prozentual vom Emittenten (Listing Fee) oder pro Umsatz vom Kunden (Transaktionsmodell).

Branche spielt gerade „Schwarzer Peter“
Wobei noch nicht einmal klar ist, wer denn nun wirklich für den Einkommensausfall herhalten soll. „Das Spiel mit dem Schwarzen Peter läuft gerade“, meint der Deutschlandchef einer Fondsgesellschaft. Auch Clemens Bertram merkt an, dass Fondsplattformen aufgrund des Margendrucks dazu gezwungen sind, neue Konditionen zu verhandeln. „Dabei sind globale Unternehmen in einer anderen Verhandlungsposition im Vergleich zu kleineren Fondsgesellschaften“, so der Vertriebschef für Deutschland bei UBS Asset Management.

Das ergibt vertriebstechnisch Sinn. Auf große Gesellschaften sind Plattformen angewiesen, um ein möglichst vollständiges Fondsangebot vorzuhalten. Auf kleinere können sie eher mal verzichten. Die aber wiederum brauchen die Plattformen, um ihre Fonds in öffentliche Regale zu bekommen.

Wie immer in Zeiten sinkender Umsätze und Margen werden sich Unternehmen sicherlich zusammenschließen oder vom Markt verabschieden. „Ich könnte mir vorstellen, dass mancher Anleger und Berater in dieser Angelegenheit schon in absehbarer Zeit Post von seiner Plattform erhält und die Karten unter den Platzhirschen neu gemischt werden“, stellte auch Marktbeobachter Björn Drescher von Drescher & Cie fest.

Bleibt nun aber die Frage, ob Clean Shares auch dem Provisionsberater die Beine wegziehen. Schließlich muss der ja laut Mifid II seinem Kunden die günstigste Variante einer Anlage anbieten. Die Fondsgesellschaften steuern hierbei gegen, indem sie im Prospekt festlegen, für wen ihre Clean Shares geeignet sind. Das sind dann nur Vermittler und Berater, die Provisionen durchweg nicht annehmen dürfen. Provisionsberater sind damit ausdrücklich ausgeklammert. Denn Mifid II schreibt vor, dass Anbieter neuerdings genau festlegen müssen, für wen ihre Produkte gedacht sind und für wen nicht. Das heißt aber auch: Berater sollten bei jedem vermittelten Fonds in den Prospekt schauen. Wenn da nicht die genaue Zielgruppe drinsteht, kann es Ärger geben.

Von: Andreas Harms
Quelle: Das Investment

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