Gibt es eine Trendwende beim chinesischen Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal des Jahres? Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs um 7,5 Prozent im Jahresvergleich – im Gegensatz zu 7,4 Prozent BIP-Wachstum im vorherigen Quartal. Stehen die Zeichen also wieder auf Erholung für die größte Volkswirtschaft der Welt? Craig Botham, Schwellenländervolkswirt beim britischen Vermögensverwalter Schroders, ist da skeptisch: „Der aktuelle Wachstumsanstieg ist eher auf die vielen kleinen Anreizpakete zurückzuführen, die die chinesische Regierung mit ihrer veränderten Wachstumsrethorik so hübsch geschnürt hat.“ Anfang des Jahres hätte die Regierung die Märkte noch auf ein Wachstum unterhalb der Zielmarke von „rund“ 7,5 Prozent in 2014 vorbereitet. Aber in den vergangenen Monaten habe sich dies in entschiedene Unterstützung des Wachstumsziels gedreht. Zu den Anreizen der Regierung zählten unter anderem Kürzungen beim Reservesollsatz, Darlehen der chinesischen Zentralbank, Steuersenkungen und ganz aktuell die Änderungen bei der Berechnung des Verhältnisses von Krediten zu Einlagen. Letzteres sollte vor allem für eine verstärkte Kreditvergabe an kleinere und mittlere Unternehmen sorgen.
„Insgesamt haben die Anreize der Regierung zusammen dazu geführt, dass viele Wirtschaftsaktivitäten ihre Abwärtstendenz abbremsen konnten – von der Industrieproduktion, über Investitionen, Kreditwachstum bis hin zu Exporten. Wobei die natürlich auch von der robusten Nachfrage in Europa und den US profitiert haben“, fasst Botham zusammen. Sogar im Immobiliensektor konnte der Rückgang verlangsamt werden, der im zweiten Quartal des Jahres deutlich flacher verlief als noch im ersten.
Mit Blick auf den weiteren Jahresverlauf könnte man nun annehmen, dass die Regierung einfach mit diesen kleinen Anreizen weiter macht, um die Wachstumsraten auf ihrem derzeitigen Niveau zu halten. Der Optimismus des Schroders-Experten hält sich jedoch deutlich in Grenzen: „Aus unserer Sicht offenbart der Aufschwung des BIP-Wachstums nur die enttäuschende Kehrtwende der chinesischen Regierung. Sie weicht damit deutlich von ihrer Zusage zurück, für ein ausgewogenes und nachhaltiges Wachstum im Land zu sorgen.“ Die Flucht in permanente Konjunkturprogramme werde die finanzielle Zerbrechlichkeit nur noch verschlimmern, womit auch die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise in der Zukunft steige. Vor allem Kredite auszuweiten, indem die Kriterien für das Verhältnis von Krediten zu Einlagen gelockert würde, hält Botham für gefährlich. So verschlechtere man lediglich die Asset Qualität. „Der Schritt, Kredite und Einlagen in Fremdwährung aus dem Verhältnis auszuschließen, ist zudem nahezu maßgeschneidert für ein Problem bei Währungsunterschieden“, führt Botham weiter aus.
Insgesamt hätte das starke chinesische BIP-Wachstum bei Botham und seinen Kollegen deshalb auch nur wenig Grund zur Freude gegeben. „Der Kurswechsel der Entscheidungsträger schürt vielmehr die Bedenken um Chinas zukünftiges Wachstum“, glaubt man bei Schroders. Sehr schnell könne der ‚short term gain’ zu einem ‚long term pain’ für die Chinesen werden.