SJB | Korschenbroich, 21.07.2014. Wer sind die aktiven Fondsmanager Europas, die etwas für ihre Gebühren leisten? Eine berechtigte Frage, kleben doch viele Fonds an ihrer Benchmark und liefern nach Abzug der Kosten zwangsläufig weniger als ein vergleichbarer Indexfonds. Das eher unbekannte Maß Active Share hilft bei der Suche.
Die Marketing-Manager aller ETF-Anbieter dürften sich ins Fäustchen gelacht haben, als sie Warren Buffetts jüngsten Investmentbrief lasen. Der Altmeister des Value-Investings hatte in aller Öffentlichkeit erklärt, dass er die für seine zweite Frau Astrid Menks vorgesehene Erbschaft zu 90 Prozent in einem kostengünstigen Indexfonds auf den S&P 500 anlegen wird.
Für 10 Prozent kauft er kurzlaufende Anleihen. Garniert mit dem Hinweis, dass er davon ausgeht, den Großteil der aktiven Fondsmanager damit zu schlagen. Das saß.
Die Überlegung dahinter ist simpel. ETFs sind billiger als aktiv gemanagte Fonds. Da Letztere häufig sehr indexnah investieren, haben sie kaum eine Möglichkeit, nach Abzug der Gebühren besser als ihre Benchmark abzuschneiden. Und die Kosten sind kein kleiner Faktor.
Ein Rechenbeispiel: Legt man 10.000 Euro für 30 Jahre bei einer Rendite von 6 Prozent an und zahlt dafür ETF-übliche 0,25 Prozent, werden daraus rund 53.000 Euro. Bei einer jährlichen Gebühr von 1,5 Prozent sind es allerdings nur 37.000 Euro.
Ein Manager eines aktiv gemanagten Fonds muss also einen anderen Mehrwert leisten. Das kann die Outperformance sein oder das Erreichen der Benchmark-Rendite mit einem geringeren Risiko. An dieser Stelle soll es um den ersten Fall gehen.
Voraussetzung für eine Outperformance ist, dass der Manager mit seinem Portfolio vom Vergleichsindex abweicht. Die US-Forscher Antti Petajisto und Martijn Cremers veröffentlichten dazu 2009 eine Studie: „How Active Is Your Fund Manager? A New Measure That Predicts Performance“. Darin entwickeln sie die Kennzahl des Active Share.
Um sie zu berechnen, zerlegt man das Portfolio in eine passive Indexkomponente und einen aktiven, abweichenden Teil. Eben das Active Share. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Fondsmanager einen Titel um einen Prozentpunkt unter- oder übergewichtet.
Long-only-Produkte können ein Active Share von 0 bis 100 Prozent haben. Im ersten Fall ist ihr Portfolio identisch mit der Benchmark, im letzteren besteht es aus Benchmark-fremden Werten. „Selbst institutionellen Investoren ist diese Kennzahl nicht immer geläufig.
Für uns ist das Active Share jedoch mittlerweile sogar eine wichtigere Kenngröße fürs aktive Management als der Tracking Error“, sagt Bart Geukens, Manager des Petercam Equities European Small & Midcaps (WKN: 553477). Ähnlich sieht es Ann Steele, Managerin des Threadneedle Pan European Fund (926114): „Active Share ist eine unschätzbar wertvolle und vor allem harte Kennzahl.
Sie basiert nicht auf Annahmen und kann deswegen nicht lügen.“ Für ihre Studie untersuchten Cremers und Petajisto, wie sich 2.700 US-Aktienfonds im Zeitraum 1980 bis 2009 entwickelten. Dabei teilten sie die Produkte anhand der Kennzahlen Active Share und Tracking Error in fünf Kategorien ein.
Warum der Vergleich mit dem Tracking Error? Beide Größen messen die Aktivität eines Managers, beschreiben aber verschiedene Aspekte. Das Active Share ist ein Gradmesser für die Aktienselektion, der Tracking Error ermittelt das systematische Faktorrisiko.
„Beide haben ihre Existenzberechtigung“, erklärt Thorsten Winkelmann, Manager des Allianz Wachstum Europa (848182). „Eine der Schwächen des Tracking Error ist allerdings, dass er nicht nur von den aktiven Entscheidungen des Fondsmanagers abhängt, sondern auch von der Volatilität des Gesamtmarkts.“
Am-Index-Kleber im Minus
Fonds, die weder ein hohes Active Share noch einen hohen Tracking Error aufweisen, kleben am Index. Die untersuchten Fonds dieser Gruppe wiesen nach Kosten gegenüber der Benchmark durchschnittlich ein Minus von 0,78 Prozent pro Jahr auf. Fonds mit hohem Tracking Error, aber geringem Active Share gehen weniger aktive Einzelpositionen ein, dafür aber Faktorwetten.
Das sind Wetten auf Länder-, Branchen- oder Stil-Allokationen wie Value und Growth. Auf hohe Werte bei beiden Kennzahlen kommen Stockpicker, die ein konzentriertes Portfolio haben. In der vierten Kategorie finden sich Stockpicker mit einem breit gestreuten Portfolio. Bei ihnen fallen weniger Faktorwetten an, sodass der Tracking Error gering ist.
Laut der Cremers/Petajisto-Studie weisen Letztere die höchste Outperformance auf, nämlich im Schnitt 1,39 Prozent pro Jahr. Als aktive Manager gelten solche, die auf ein langfristiges Active Share von über 60 Prozent kommen.
„Müssten sich Anleger anhand einer einzigen Kennzahl für ein Fondsinvestment entscheiden, müssten sie eigentlich das Active Share nehmen“, meint Philipp Langeheinecke, Geschäftsführer des Schweizer Analysehauses Finance-Doc. „Keine Kennzahl ist statistisch zuverlässiger, wenn es um die Vorhersage von künftiger Performance geht.“ Bleibt die Frage, warum so viele Fondsmanager an der Benchmark hängen.
„Vom Vergleichsindex abzuweichen stellt für Fondsmanager ein Karriererisiko dar“, meint Lutz Johanning, Professor an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Je weiter man sich vom Index entfernt, desto eher kann man falschliegen – was vor allem in den indexhörigen 90er Jahren schnell passierte. Allianz-Manager Winkelmann: „Damals hatten sich viele Fondsstrategien von den fundamentalen Funktionsweisen der Wirtschaft gelöst.
Unternehmensgewinne spielten zeitweise kaum noch eine Rolle.“ Einen langfristigen Stockpicking-Ansatz unabhängig von der Benchmark umzusetzen sei deshalb „ein Akt der Courage“ gewesen – und ist es teilweise immer noch.
Wovon sich Winkelmann jedoch nicht abschrecken lässt: Das Active Share des Allianz Wachstum Europa lag in den vergangenen fünf Kalenderjahren bei durchschnittlich 87 Prozent. Bei allen Vorteilen hat die Kennzahl aber auch Schwächen.
„Das größte Problem ist der hohe Aufwand, um das Active Share monatlich zu berechnen. Dafür müsste man jede Position eines Fonds gegen seinen Vergleichsindex laufen lassen“, sagt Uwe Leonhardt, Vorstand des Vermögensverwalters Gecam.
„Entsprechend gibt es hierzulande keine Datenbank, die das auf Knopfdruck leistet.“ Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass die Fondsgesellschaften wenig Drang verspüren, ihr komplettes Portfolio offenzulegen.
Kein Garant für eine Outperformance
Als zweiten Schwachpunkt nennt Leonhardt, dass das Active Share nur ein Indikator für Outperformance ist, aber kein Garant: „Fondsmanager, die ihr Portfolio weit von der Benchmark positionieren, können auch spektakulär daneben liegen.“
Weil Leonhardt nicht auf einen Active-Share-Datensatz zugreifen kann, analysiert der Gecam-Chef für seine eigenen Studien das Fonds-Universum anhand der Korelation der Fonds zu ihrer Benchmark.
Die mittlerweile in der siebten Auflage erschienene Gecam-Fondsstudie stößt im Grunde genommen in eine ähnliche Richtung wie Cremers und Petajistos Vorhaben. Auch sie zeigt, dass sich das Gros der europäischen Aktienfonds nah an der Benchmark bewegt.
In der jüngsten Studie liegt die Korrelation bei durchschnittlich 0,90. „Über 9.000 Fonds sind in Deutschland zugelassen, 80 Prozent davon bieten aber keinen Mehrwert“, so Leonhardt.
Eine der auffälligsten Ausnahmen ist der Waverton European Fund (A0MMFW), der aktuell ein Active Share von über 96 Prozent aufweist. Manager Oliver Kelton erzielte in den vergangenen fünf Jahren eine annualisierte Performance von 23 Prozent.
Bei der Information Ratio kommt der Fonds zudem über diesen Zeitraum auf einen ebenfalls guten Wert von 1,01. Diese Kennzahl misst, wie viel Mehrrendite gegenüber der Benchmark ein Fondsmanager im Verhältnis zum Fondsrisiko erwirtschaften konnte.
Letzteres ist nichts anderes als der Tracking Error. Gleichermaßen hohe Werte bei Active Share, Performance und Information Ratio wie Kelton erreicht auch Rob Jones mit dem Large-Cap-Fonds UBAM Europe Equity (921803). Jones’ Überzeugung: „Wir versuchen für unsere Anleger durch Titelselektion einen Mehrwert zu schaffen, indem wir in Unternehmen mit Wachstumspotenzial investieren.
Passives Investieren ist rückwärtsgewandt, die Märkte schauen aber nach vorne.“ Seine ertragreichste Abweichung vom Vergleichsindex war die Aktie von Sky Deutschland.
Jones hatte den Titel bereits 2011 gekauft, also lange bevor er in den Vergleichsindex des Fonds aufrückte. Erst kürzlich hat er sie mit sattem Gewinn verkauft, der Kurs hatte sich seit dem Tief Ende 2010 annähernd verzehnfacht.
Ein nahezu 100-prozentiges Active Share fährt derzeit der Manager des Fast Europe Fund (A0JDV9) von Fidelity, Anas Chakra. Da Chakra mit diesem Strategiefonds sowohl Long- als auch Short-Positionen eingehen darf, kann er theoretisch sogar auf ein höheres Active Share als 100 Prozent kommen.
Derzeit gewichtet er die Luxusgüter-, Gesundheits- und die Finanzbranche über. Untergewichtet ist er bei Basisgüter- und Industrietiteln. Vor allem bei Autoherstellern, die im Premiumsektor tätig sind, sieht er Potenzial.
Von der Aufhellung der hiesigen Wirtschaft ist auch Michael Barakos überzeugt. Der Manager des JPM Europe Equity Plus (A0MNZ7): „Davon profitieren insbesondere europäische Unternehmen, die immer noch mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes in Europa erwirtschaften.“
Auch seien Aktien aus Europa aktuell fair bewertet und mit einer durchschnittlichen Dividendenrendite von 3,6 Prozent (Stand: 31. März 2014) vor allem gegenüber Staatsanleihen weiter attraktiv.
Zumindest kurzfristig sieht Franz Führer das anders. Der Manager des Lupus Alpha All Opportunities Fund (A0M99W) hält europäische Aktien aktuell für überkauft: „Nach dem starken Kursanstieg der vergangenen Quartale kann es auch zu Rücksetzern kommen.“
Gerade bei Small Caps findet Führer es zunehmend schwierig, echte Perlen zu finden. „Dafür gibt es im Bereich der Micro Caps noch eine Vielzahl an Möglichkeiten.“
Viele Meinungen, dennoch haben alle genannten Fondsmanager eines gemeinsam: ein hohes Active Share. Bewiesen haben sie auch, dass sie mit ihren Abweichungen langfristig Outperformance erzielen.
Insofern irrt Warren Buffett bei der Anlage der Erbschaft seiner Frau vielleicht. Als Value-Investor hätte er schlicht ein weiteres Mal seine Stärke als Selekteur ausspielen müssen – nur diesmal im Manager-Picking.
Kosten, Performance und Risiko – das verwirrende Einmaleins der
Kennzahlen
Es gibt eine Fülle an Kennzahlen für Fonds – und leider nicht die eine Alles-Beschreibende. Jedes Maß hat seine Vor- und Nachteile und sollte je nach Fragestellung des Anlegers angewandt werden. Helfen kann dieses kurze, alphabetisch sortierte Übersicht über die bekannteren und eher unbekannten Größen aus der Welt der Ratios, Faktoren und Drawdowns.
Fondskennzahl
Active Share ist das Maß für das aktive Management eines Fonds. Gemessen werden die von der Benchmark abweichenden Einzeltitel im Portfolio.
Beta-Faktor 2) ist das Maß für das systematische Risiko (Marktrisiko).
Calmar Ratio 1) ist das Maß für das Verhältnis der Rendite zum Maximum Drawdown abzüglich 10 Prozent. Unterschied zur Sterling Ratio ist die monatliche, nicht jährliche Berechnung des Drawdowns.
Information Ratio 1) ist das Maß für das Verhältnis von Jensen-Alpha und Tracking Error. Wie viel Fondsrendite bekomme ich für das Fondsrisiko?
Jensen-Alpha 1) ist das Maß für die Extrarendite oder Minderrendite gegenüber der Benchmark.
Maximum Drawdown 2) ist das Maß für das Risiko. Stellt den maximalen Verlust innerhalb eines betrachteten Zeitraums dar.
Modigliani Risk Ratio 1) ist das Maß für die risiko-adjustierte Rendite. Vorteil gegenüber der dimensionslosen Sharpe Ratio ist die Angabe in Prozent.
Recovery Period 2) ist das Maß für die Zahl der Tage, die ein Fonds braucht, um nach einem Kurseinbruch sein altes Hoch zu erreichen.
Sharpe Ratio 1) ist das Maß für die Überrendite (Rendite über dem risikofreien Zinssatz) im Verhältnis zum Risiko (Volatilität).
Sortino Ratio 1) ist das Maß für den risikobereinigten Gewinn einer Geldanlage. Variante der Sharpe Ratio, die nur den Teil der Volatilität misst, der durch Kursverlust entsteht.
Sterling Ratio 1) ist das Maß für das Verhältnis der Rendite zum Maximum Drawdown abzüglich 10 Prozent. Will nur das Risiko messen, das durch Kursverluste entsteht.
Total Expense Ratio 2) ist das Maß für die Gesamtkosten, die jährlich bei einem Fonds anfallen. Kein Bestandteil ist der Ausgabeaufschlag.
Tracking Error ist das Maß für die Abweichung eines Portfolios gegenüber seiner Benchmark über einen bestimmten Beobachtungszeitraum.
Treynor Ratio 1) ist das Maß für das Verhältnis von Rendite und Marktrisiko (Beta-Faktor) und somit die Risikoprämie je Einheit des eingegangenen systematischen Risikos.
Upside Potential Ratio 1) ist das Maß für die risiko-adjustierte Rendite. Aber nicht in Abhängigkeit der Volatilität, sondern bezogen auf die akzeptierte Minimalrendite.
Value at Risk ist das Maß für Extrem-Risiken, das unter Berücksichtigung eines Konfidenzniveaus die Wahrscheinlichkeit von extremen Verlustereignissen misst.
Volatilität 2) ist das Maß für die Schwankung eines Wertpapiers während eines bestimmten Zeitraums.
1) Je größer, desto besser – 2) Je kleiner, desto besser
Quelle: Wikipedia, Fondskennzahlen.de
Von: Ansgar Neisius
Quelle: DAS INVESTMENT.