Tim Albrecht, beim Fondsanbieter DWS für Aktien aus der DACH-Region zuständig, über 30 Jahre Dax-Erfolge, immer noch brachliegende Aktienkultur und das Ende der verkrusteten Deutschland AG. DAS INVESTMENT: Wie schätzen Sie die Bedeutung des Dax für Deutschland und den internationalen Kapitalmarkt ein? Tim Albrecht: International betrachtet ist der Dax eher ein Zwerg, insbesondere im Vergleich mit den USA, aber auch dem Technologiesektor. In der Eurozone sieht das ganz anders aus. Deutschland ist hier die größte Volkswirtschaft und die Wachstumslokomotive.
Damit kommt der Deutschen Börse eine wichtige Leitfunktion zu. Der Dax als Leitindex hat eine entsprechende Signalwirkung. Mit seinen international aufgestellten Exportunternehmen ist der Dax auch ein Seismograph für zyklische Trends und die Weltwirtschaft.
Und wie hat sich der deutsche Leitindex aus Ihrer Sicht in 30 Jahren entwickelt?
Albrecht: Die Unternehmen konnten in den vergangenen 30 Jahren ihre Gewinne beinahe konstant steigern. Es gab Ausnahmen, etwa die geplatzte Wiedervereinigungsblase, das Ende der Dotcom-Euphorie oder den Lehman-Crash. Aber trotz der immer wieder auftretenden Schwankungen lag die durchschnittliche Wertentwicklung bei rund 9 Prozent im Jahr. Daneben hat sich die Corporate Governance in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Von der verkrusteten Deutschland AG hin zu guten internationalen Standards.
Die Aktienkultur hierzulande liegt eher brach. Sollten sich größere Teile der Bevölkerung an der Börse engagieren?
Albrecht: Unbedingt. Deutsche Unternehmen zählen zu den besten der Welt, der Dax aber ist mehrheitlich in der Hand ausländischer Investoren. Es wäre wünschenswert, wenn die Menschen hierzulande sich mehr für die Börse begeistern würden. Zwar zeigt die jüngste Statistik des Deutschen Aktieninstituts eine Verbesserung, aber verglichen mit den USA, Großbritannien oder Schweden haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Es gibt noch viel zu tun. Die Aufklärung sollte bereits in den Schulen anfangen. Wie funktionieren Kapitalmärkte? Warum ist private Vorsorge notwendig? Damit sind wir bei einem weiteren wichtigen Thema. Die private Altersvorsorge sollte staatlich stärker gefördert und vor allem vereinfacht werden.
Was würden Sie neuen Anlegern grundsätzlich mit auf den Weg geben?
Albrecht: Rechtzeitig über langfristiges Investieren am Aktienmarkt zur Altersvorsorge nachdenken. Idealerweise gut gestreut über aktiv gemanagte Fonds oder ETFs. Nerven bewahren und diszipliniert vorgehen – ein regelmäßiger Sparplan hilft, Bauchentscheidungen zu vermeiden.
Von: Marc Radke
Quelle: Das Investment