Wendet die Finanzbranche die Vermittler-Regulierung richtig an? Im Interview am Rande des Finanzplaner Forums spricht Markus Ferber, Mifid-Berichterstatter des Europäischen Parlaments und Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand, über bestehende Vorgaben aus Brüssel, die Kryptowährung Bitcoin und zukünftige Regulatorik unter Mifid III. DAS INVESTMENT: Woran liegt es, dass Deutschland zur Überregulierung neigt?Markus Ferber: Wir Deutschen haben den Hang, wenn wir schon europäisches Recht umsetzen müssen, dann gleich andere Probleme, die im Zusammenhang dieser Gesetzgebung aufgetreten sind, mit abzuarbeiten.
Meist denken wir uns dann noch passende zusätzliche Dinge aus. Der Klassiker ist die Umsetzung der Immobilien-Kreditrichtlinie, wo der Bundesgesetzgeber eingesehen hat, dass er überzogen hat und eine Revision vorgenommen hat.
Da haben Sie eingegriffen?
Ferber: Es gab massiven Einfluss von europäischer Seite aus, weil wir uns wehren mussten. Zu uns kamen viele Beschwerden, wegen Europa könnten junge Familie keine Immobilienkredite mehr bekommen. Oder ältere Menschen könnten keinen Kleinkredit mehr bekommen, um die Wohnung umzubauen und Schuld daran sei die EU. Schuld war aber der Bund. Der Druck war enorm, dies noch vor der Bundestagswahl zu korrigieren.
Sehen Sie etwas Ähnliches bei IDD und Mifid?
Ferber: Bei der Versicherungsrichtlinie IDD fehlt zwar noch ein entscheidender Rechtsakt, aber ansonsten haben wir alle Regularien vorliegen. Wir sehen, dass die Finanzaufsicht höhere Anforderungen setzt, als es der europäische und der deutsche Gesetzgeber wollten. Damit schwächen wir uns im Kontext, weil im Binnenmarkt jeder Bürger auch außerhalb Deutschlands Finanzberatung in Anspruch nehmen kann. In diesem Fall gelten die Verbraucherschutzbestimmungen des jeweiligen Landes.
Nennen Sie bitte mal ein Beispiel für eine Regel, die Europa nicht beabsichtigt hat, die in Deutschland aber durch die Hintertür doch eingeführt wurde?
Ferber: Sie haben es gerade bei Finanzprodukten mit Anlegern zu tun, die immer wieder im Laufes eines Monats oder eines Jahres einen Auftrag bei ihrer Bank oder ihrem Berater platzieren. Dort sagt die Bafin, der Test auf Geeignetheit muss jedes Mal durchgeführt werden. Das hat der europäische Gesetzgeber nicht vorgeschrieben. Bei uns heißt es ausdrücklich, die sogenannte Suitability gilt, solange sich am Anlageverhalten eines Kunden nichts geändert hat. Wenn ich also zum Beispiel immer Aktienfonds kaufe, ändert sich an meinem Anlageverhalten nichts. Erst wenn ich zum Beispiel auf einmal ein Derivat auf einen Aktienfonds kaufe. Hier wird von der Bafin mehr verlangt, als der europäische Gesetzgeber wollte.
Ist auch hier eine Korrektur durch Druck seitens der EU möglich?
Ferber: Ich bin mit der Bafin im Gespräch, weil ich nicht möchte, dass wir uns selber schwächen. Die Bafin hat mitgeteilt, dass sie sich die Entwicklung erst einmal anschauen will. Aber dann werden wir erst Mitte nächsten Jahres Ergebnisse erhalten. Vielleicht. Dann hat sich aber bereits alles eingespielt. Dann sagt doch jeder, jetzt ändert bitte nicht schon wieder etwas. Ich denke, die Bafin könnte jetzt durchaus flexibler sein, als es in den allgemeinen Leitlinien formuliert ist.
Die Regulierung der Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler gilt als Erfolg in Deutschland. Laut Koalitionsvertrag soll nun die Bafin die Kontrolle der 34f-Vermittler von den Gewerbeämtern übernehmen. Was halten Sie davon?
Ferber: Das ist eine schwierige Frage, der europäische Gesetzgeber hat dies nicht verlangt. Es ist ja so, dass der Verbraucherschutz weiterhin im Justizministerium residiert. Das Thema bleibt also in den Händen derer, die schon in den letzten vier Jahren bewiesen haben, dass sie damit bei Finanz- und Versicherungsprodukten nicht richtig umgehen können. Bei einem Finanzprodukt verhält sich das Gros der Anleger als langfristiger Anleger, das heißt es wird etwas erworben oder regelmäßig erworben, und das bleibt dann einfach liegen, ohne dass weiterer Beratungsbedarf vonnöten ist. Das muss sich dann auch in der Kontrolle widerspiegeln. Und da sind die Bafin-Instrumente meiner Meinung nach nicht geeignet.
Viele Makler kritisieren, dass die Mitarbeiter der Verbraucherzentralen auch beraten, aber nicht den Regularien unterliegen, also zum Beispiel keine Mindestqualifikation aufweisen müssen. Wird hier absichtlich mit zweierlei Maß gemessen?
Ferber: Ich hatte mit den Verbraucherberatungen in Deutschland schwierige Verhandlungen, auch im Rahmen der Gesetzgebung. Deren Sicht, dass sie es nur mit unmündigen Konsumenten zu tun haben, die man vor sich selber schützen muss, ist nicht die Sicht, die ich bei der Gesetzgebung angewandt habe. Ich hatte auch den Eindruck, dass die Verbraucherzentralen der Meinung waren, dass das Risiko durch ein Mehr an Information reduziert werden kann. Das ist aber eine naive Vorstellung, denn das Risiko in einem Produkt hat nichts mit der Information zu tun. Entscheidend ist die Risikoaffinität des Finanzprodukts selbst und das lässt sich nicht dadurch reduzieren, dass man dem Verbraucher Bücher zur Verfügung stellt.
Diese Sicht hatte aber Auswirkungen auf die deutsche Regulierung.
Ferber: Deswegen ist leider sehr viel in die deutsche Gesetzgebung eingeflossen, was Informationspflichten betrifft, auch die Periodizität von Verbraucherinformationen resultieren daraus. Das hat wohl auch damit zu tun, dass im Justizministerium einer der verbeamteten Staatssekretäre der frühere oberste Verbraucherschützer war. Dabei haben wir in der Gesetzgebung ausdrücklich festgelegt, dass es keine Interessenkonflikte geben soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hier eine saubere Trennung zwischen der vorherigen Beschäftigung und der neuen Beschäftigung gegeben hat.
Welche unregulierten Felder müssen am dringendsten reguliert werden?
Ferber: Dort, wo Finanzanlagen als lukrativ versprochen werden, ohne dass genau betrachtet wird, was dahintersteckt. Damit meine ich die virtuellen Währungen. Alle reden nur von Bitcoin, aber wir haben mehr als 1.500 virtuelle Währungen, und keiner weiß genau, was dahintersteckt. Es gibt keine Mindestanforderungen für Herausgeber virtueller Währungen. Wir haben Fälle, dass Objekte auf den Markt kommen, ein paar Millionen Geld einsammeln und dann wieder verschwinden. Das ist natürlich inakzeptabel, hier muss der Gesetzgeber einen Schutzmechanismus einbauen, um das Wildwest in diesem Bereich einzudämmen.
Muss es hierzu erst eine Initiative aus Brüssel geben?
Ferber: Wir haben bereits erste Mitgliedsstaaten, die Komplettverbote ausgesprochen haben. Auch Staaten außerhalb der EU. Ich denke, wir sollten das EU-einheitlich machen. Wenn es einen Sinn macht, dort wo wir noch gar keine nationale Gesetzgebung haben, etwas zu tun, dann sollten wir das wirklich europäisch tun. Und virtuelle Währungen sind so ein Thema.
Mit einer Richtlinie oder einer Verordnung?
Ferber: Es geht darum, Mindestanforderungen zu definieren. Das Geschäftsprinzip muss beschrieben werden, und zwar so, dass es nicht nur Computerfreaks verstehen, sondern auch der normale Investor. Es muss Mindestliquiditätsanforderungen geben. Wer aus virtuellen Währungen aussteigen will, braucht eine Garantie, dass er dann auch wieder reales Geld erhält. Und wir brauchen Mindesttransparenzanforderungen: Welche Personen stehen hinter einer virtuellen Währung und wie laufen die Entscheidungsprozesse ab? In der Mifid geht es ja auch um solche Governance-Fragen, um Mindestanforderungen an Produkte und Liquidität. Es wäre daher das einfachste, virtuelle Währungen über eine Verordnung in den Anhang der Mifid aufzunehmen als Finanzprodukte, denn dann gelten genau diese Regeln und man müsste kein eigenes Gesetz erstellen.
Wann kommt Mifid III?
Ferber: Ich habe in allen Verhandlungsrunden gesagt, das Ziel von Mifid II muss sein, Mifid III zu verhindern. Wir werden noch ein paar kleine Anpassungen vornehmen müssen im Rechtstext, aber dann sollten wir einfach mal Mifid II wirken lassen. Und erst nach fünf Jahren schauen, was passiert ist. Und dann dort nachjustieren, wo es nötig ist. Der Markt hat eine Ruhepause verdient und die Systeme sollen jetzt einfach mal funktionieren.
Von: Oliver Lepold
Quelle: Das Investment