Das Investment: „Robo-Advice wird größtenteils ein Randgeschäft bleiben“

sjb_werbung_das_investment_300_200In einer großen Interview-Reihe befragt DAS INVESTMENT die Vertriebs-Chefs der führenden Fondsgesellschaften zu wichtigen Trends der Branche. Märkte, Produkte, Zielgruppen und Regulierung: Hier spricht Werner Kolitsch, Leiter des Geschäfts Deutschland und Österreich bei M&G Investments, über die Dinge, die den Vertrieb seines Hauses aktuell bewegen.

DAS INVESTMENT: Im ersten Halbjahr gab es einige Ereignisse, die Sie als Vertriebschef nicht gefreut haben dürften: Die Gewinne des Börsenjahres 2015 waren nach nur elf Handelstagen dahin. Syrien, Flüchtlingskrise und weitere geopolitische Brandherde. Vor kurzem dann das Brexit-Referendum. Aktuell sind die Banken, vor allem die italienischen, in den Schlagzeilen. Wie ist Ihr Fazit aus Vertriebssicht für das erste Halbjahr 2016?Werner Kolitsch: Das erste Halbjahr war sehr volatil, aber wir haben eine gute Performance von defensiveren Mischfonds gesehen – Kunden fragen diese Produkte weiterhin nach. Auch Rentenfonds konnten ihre Stabilität unter Beweis stellen und stiegen in der Anlegergunst. Was aus Aktien abgezogen wurde, wurde teilweise in Renten umgeschichtet. Wir konnten unseren Kunden also attraktive Alternativen aufzeigen.

Das Brexit-Referendum hat die Märkte kurz aber heftig durchgeschüttelt. Inzwischen ist wieder Ruhe eingekehrt, doch besonders in Großbritannien wird der Brexit das Wachstum bremsen. Die großen internationalen Unternehmen, die wir für unsere Portfolios kaufen, sind davon nur in geringem Ausmaß betroffen.

Was wünschen Sie sich für das zweite Halbjahr und welche realistischen Erwartungen haben Sie?

Kolitsch: Eine fundamentale Einschätzung ist aktuell relativ schwer möglich. Ich würde mir wie alle etwas weniger volatile Märkte wünschen und statt politischer Ereignisse mehr fundamental begründete Marktbewegungen. Im Zuge der US-Wahlen gehe ich aber davon aus, dass es volatil bleiben wird.

Der Niedrigzins ist das alles dominierende Thema in der Finanzbranche. Ein paar vereinfachte direkte Folgen daraus: Rentenfonds werden zunehmend unattraktiv. Das Sparbuch ist keine Alternative mehr. Die Deutschen stürzen sich auf Immobilien. Gold wird wiederentdeckt. Multi-Asset-Fonds sind in aller Munde. Aktienfonds schlagen sich mittelmäßig, volatile Börsen und Regulatorik verhindern größere Mittelzuflüsse. Stimmen Sie zu?

Kolitsch: Das Sparbuch ist heute keine Option mehr. Rentenfonds, die alle Rentenklassen miteinbeziehen und flexibel agieren, bleiben aber attraktiv. Drei Prozent Rendite oder mehr bei moderater Volatilität (etwa mit dem M&G Optimal Income) sind nicht zu verachten in Zeiten niedriger Zinsen und turbulenter Märkte.

Bei Aktienfonds sehe ich ein zweigeteiltes Bild: Dividendenstrategien, vor allem globale Dividendenfonds, verzeichnen deutliche Mittelzuflüsse. Eindimensionale Konzepte finden allerdings im breiten Retailvertrieb weniger Resonanz. Wenn Aktien, dann globale Dividenden.

Quo vadis Aktienfonds: Der oft unter dem Titel „Große Rotation“ vorhergesagte starke Shift von Anleihen in Aktien ist bisher ausgeblieben. Wundert Sie das?

Kolitsch: Das wundert mich eigentlicht nicht. Bis heute haben wir in Deutschland noch keine richtige Aktienkultur. Es liegt weiterhin an der sehr konservativen Investorenhaltung, dass diese große Rotation ausgeblieben ist. Wir sehen, dass der Shift nicht von Anleihen in Aktien ging, sondern in konservative, aktienlastige Konzepte wie Multi Asset oder Dividenden. Einzelaktienfonds und regionale Aktienfonds sind dementsprechend weniger gefragt.

Ist der Sturm auf Aktien nur verschoben?

Kolitsch: Einen Sturm erwarte ich nun nicht. Man darf nicht vergessen, der deutsche Anleger hat bislang mehrmals, wenn er verstärkt in Aktien investiert hat, eine negative Erfahrung gemacht. Konservativere Konzepte, in denen bis zu einem gewissen Grad Aktien drinstecken, erzielen aber Zuflüsse, und ich glaube, hier wächst das Interesse.

Nicht einmal 15 Prozent der Deutschen im Alter von über 14 Jahren besitzen Aktien oder Aktienfonds. Worauf führen Sie das zurück? Und wie müssen die Vertriebsansätze der Fondsbranche angepasst werden, um diesen Zustand zu ändern?

Kolitsch: Ich sehe die Fondsbranche auf einem guten Weg und denke nicht, dass die Vertriebsansätze komplett geändert werden müssen, gerade mit dem Angebot konservativerer Multi-Asset- Strategien. Es geht ja darum, dem Investor Lösungen zu bieten und langfristig vorsorgetaugliche Produkte bereitzustellen. Also nicht 100 Prozent in Aktien, aber Konzepte, die höhere Aktienquoten zulassen. Produkte, die in der Risikosteuerung erfolgreich waren, können ebenfalls punkten.

Man muss aber gemeinsam mit dem Kunden noch stärker herausarbeiten, welche Erwartungshaltung er in Bezug auf die Risikoklassifizierung hat, und deutlich machen, was das Produkt leisten kann. Im Beratermarkt bietet es sich daher an, noch stärker als bisher Schulungen anzubieten und in der breiten Bevölkerung muss mehr Finanzwissen vermittelt werden. Das fehlt in Deutschland.

Multi-Asset-Lösungen sind mehr als ein Trend und in den vergangenen Jahren zu einer etablierten Fonds-Klasse herangereift. Wie haben Sie sich hier positioniert?

Kolitsch: Wir managen bei uns im Konzern bereits seit den 1960er-Jahren Multi-Asset- und Income-Strategien. Ursprünglich waren das zunächst Mandate unseres Mutterhauses Prudential. Mittlerweile haben wir bei M&G ein sehr erfahrenes Team von acht Fondsmanagern, die knapp neun Milliarden Euro in acht unterschiedlichen Multi-Asset-Fonds managen. Die Allocation Range bietet verschiedene Lösungen – je nach Risikoneigung.

Unsere Produktpalette reicht von Income-Strategien bis zu offensiveren und ausgewogeneren Multi-Asset-Lösungen wie dem M&G Prudent Allocation Fund, der beispielsweise eine maximale Aktienquote von 35 Prozent halten darf. Eine offensivere Strategie ist der M&G Dynamic Allocation Fund, der zwar höhere Schwankungen, dafür aber sehr kurze Underwater-Perioden aufweist. Einkommensorientierten Anlegern bieten wir zudem den M&G Income Allocation Fund an.

Wo legen Sie klare Schwerpunkte und warum?

Kolitsch: Wir setzen ganz klar auf Multi-Asset. Für uns ist Multi-Asset mehr als ein Trend, weil die Strategie für all jene Vertriebskanäle interessant ist, die lösungsbasierte Produkte suchen. Im Fokus stehen für uns deshalb im besonderen Berater und Banken. Wir denken aber, dass Multi-Asset auch für Institutionelle zunehmend interessanter wird.

Wie funktioniert der Vertrieb von Multi-Asset-Lösungen in der Zielgruppe institutionelle Investoren? Wie geht die Zielgruppe bei Investitionen in diesem Bereich vor? Welche speziellen Anforderungen stellt sie an das Asset Management?

Kolitsch: Aktiv gemanagte Multi-Asset-Strategien sind auch für institutionelle Investoren die beruhigenderen Konzepte. Vor allem für kurzfristig orientiertere Investoren kann es von Vorteil sein, sich externe Expertise von erfahrenen Asset Managern zu holen. Institutionelle Anleger arbeiten meist mit einem vordefinierten Risikobudget, wo ein externer Manager sich an diese Vorgaben halten muss und gemeinsam mit dem institutionellen Investor Entscheidungshilfen erarbeitet. Wir sehen eine Zunahme bei Mandatsgeschäften, also dem Auslagern von Mandaten mit klar definierten Risiko- und Renditezielen.

Sind Liquid Alternatives die neuen Multi-Assets?

Kolitsch: Ich glaube, auch Liquid Alternatives müssen sich erstmal im Markt beweisen und zeigen, dass sie ihr Leistungsversprechen tatsächlich über verschiedene Marktzyklen halten können.

Was ist derzeit aus Ihrer Sicht der wichtigste Produkttrend in der Fondsindustrie?

Kolitsch: Nach wie vor Multi-Asset und Absolute-Return-Strategien. Gefragt sind Produkte, die breit gestreut sind, mit geringen Volatilitätszahlen durch das turbulente Marktumfeld navigieren können und nicht von den großen Wellen und Tälern mitgerissen werden, sondern die Drawdowns abfangen. Ein Low-Vola-Produkt, das wir im Bereich Multi-Asset anbieten, ist der M&G Prudent Allocation Fund mit drei bis sieben Prozent Volatilität.

Was ist derzeit der wichtigste Produkttrend in Ihrem Haus?

Kolitsch: Für uns ist dementsprechend der wichtigste Produkttrend Multi-Asset-Absolute-Return. Wir haben in diesem Jahr mit Tristan Hanson einen ausgewiesenen Spezialisten für Multi-Asset-Strategien eingestellt, der für die Entwicklung unseres Multi-Asset-Absolute-Return-Produktes verantwortlich sein wird.

Welchen Produkttrend sehen Sie in den kommenden Jahren, über den heute noch kaum gesprochen wird?

Kolitsch: Ich glaube, dass es in entfernter Zukunft eher weg von der täglichen Liquidität geht, weil die Frage im Vordergrund steht, wo man überhaupt noch Rendite findet. Illiquide Konzepte sind zwar derzeit noch stärker im institutionellen Bereich verbreitet, aber sie könnten in Zukunft auch in den Retailvertrieb Einzug finden. Sie sind dann verpackt oder strukturiert mit einer Laufzeit von sieben bis acht Jahren.

Auf welche Produktinnovation der vergangenen Jahre aus Ihrem Hause sind Sie besonders stolz?

Kolitsch: Wir sind sehr zufrieden in Bezug auf die Flexibilität, die wir mit einem unserer neueren Multi-Asset-Produkte unseren Kunden anbieten können. Vor knapp eineinhalb Jahren haben wir mit dem M&G Prudent Allocation Fund ein etwas konservatives Produkt aufgelegt, das maximal 35 Prozent in Aktien investieren darf. Wir investieren hier aber nicht in Einzeltitel, sondern in Assetklassen mit liquiden börsennotierte Finanzprodukten wie Futures. Dadurch ist die Liquidität immer gegeben – in jedem Marktumfeld.

Das Thema steigende Zinsen ist zwar in Europa noch auf die längere Bank geschoben, wir bieten Anlegern aber mit Blick auf die Zukunft eine innovative Strategie an, mit der sie sich vor steigenden Zinsen schützen bzw. sogar von ihnen profitieren können. Der M&G Global Floating Rate High Yield Fund ist das erste Produkt dieser Art, das auch Privatanlegern die Möglichkeit gibt, in variable Hochzinsanleihen zu investieren. Durch den variablen Coupon weisen diese Papiere im Gegensatz zu herkömmlichen Anleihen praktisch kein Durationsrisiko auf.

Beschreiben Sie unseren Lesern bitte ein spannendes Projekt, an dem Sie gerade arbeiten.

Kolitsch: Wir möchten unseren Kunden in Zukunft Segregated Mandates anbieten und arbeiten daran, alle unsere Strategien spezialfondsfähig zu machen. Ein weiteres spannendes Projekt, an dem wir gerade arbeiten, ist ein Laufzeitfonds im hochverzinslichen Bereich.

Auf welchen Vertriebskanal legen Sie in den kommenden Monaten einen besonders starken Fokus und warum?

Kolitsch: M&G hat schon immer eine starke Position im Retail-Bereich – diese möchten wir weiter verteidigen und ausbauen. Wir wollen darüber hinaus vor allem im Bankenbereich wachsen und unseren Wholesale–Vertrieb ausbauen. Aber auch die Zusammenarbeit mit institutionellen Kunden beginnt für uns interessant zu werden.

Welchen Rat würden Sie einem IFA mit Schwerpunkt Investmentgeschäft geben, der nach Wegen sucht, seinen Beratungs- und Vertriebserfolg zu steigern?

Kolitsch: Ich bin nicht der Erste, der das sagt, aber trotzdem: Weiterbildung ist das A und O. Wer fundiert und kundenorientiert beraten kann, ist im Vorteil – auch bei der jüngeren Generation, in der oft der nächste Karriereschritt Priorität hat vor Vermögensaufbau und Altersvorsorge.

Welchem Ihrer Vertriebskanäle – Banken oder IFAs – trauen Sie eher zu, das Potenzial von Robo-Advisors für sich zu nutzen?

Kolitsch: Im unabhägigen Beratungsgeschäft könnte Robo-Advice schon ein größeres Thema werden. Für Kunden mit kleineren Portfolios werden Advisor auch in Zukunft technische Hilfe in der Selektion und Zusammstellung der Portfolios benötigen. Derzeit funktioniert Robo-Advice ja vor allem mit passiven Produkten, aber man wird in Zukunft wahrscheinlich mehr Robo-Advisor finden, die mit aktiven Konzepten arbeiten.

Einige Marktteilnehmer bezeichnen Robo-Advisor als den Fonds-Vertriebsweg der Zukunft, als digitale Antwort auf die vertrieblichen Herausforderungen in der Fondsbranche, die 95 Prozent der Bevölkerung den Weg zur privaten Vermögensbildung öffnen wird. Würden Sie sich dieser These anschließen?

Kolitsch: Ich glaube, es wird größtenteils ein Randgeschäft bleiben, zumindest vorerst.

Wie beurteilen Sie die bisherigen Anlageergebnisse von deutschen Robo-Advisors?

Kolitsch: Vor allem das Thema Performance spielt hier eine nicht unwichtige Rolle – Robo Advice muss sich erst einmal beweisen, und es muss sich zeigen, welcher der Anbieter das Leistungsversprechen erfüllen kann. Robo Advice hat noch keine echten Erfolge vorzuzeigen.

Bitte nennen Sie konkrete Folgen von Mifid ll für den Vertrieb. Wo sehen Sie Chancen und Risiken?

Kolitsch: Ich sehe den Anspruch von Mifid II prinzipiell positiv, allerdings bin ich auch der Meinung, dass die Branche bereits stark reguliert ist. Die geplanten Regelungen führen nicht unbedingt zu dem gewünschten Ziel von mehr Transparenz und Verbraucherschutz. Die Fondsbranche ist heute schon eine der gläsernsten Branchen überhaupt.

Der Kompromiss um das Provisionsverbot, welches abhängigen Beratern weiterhin erlaubt, Provisionen zu beziehen, soll ja zu einer Qualitätssteigerung für den Kunden führen. Die neue Richtlinie kann jedoch dem ursprünglichen Ziel, den Vertrieb von Finanzprodukten offener zu gestalten, auch entgegenwirken. Die Anforderungen an die Zusammenarbeit von Banken und Asset Managern werden viel komplexer. So müssen Berater sämtliche erhaltenen Provisionen offenlegen sowie auch die tatsächlich anfallenden Kosten ex ante und einmal jährlich. Der Aufwand, die relevanten Daten einzuholen und aufzubereiten, ist immens.

Meiner Meinung nach stellt auch die geforderte Zielmarktdefinition eine Erschwernis dar. Hier wird es insbesondere schwierig, die teils unterschiedlichen Zielmarktdefinitionen ausländischer Fondsanbieter mit den eigenen unter einen Hut zu bringen. Damit fällt der Aufwand, Drittfonds zu vertreiben, mit Mifid II wesentlich höher aus als bisher. Die Attraktivität, Fremdfonds anzubieten, sinkt und damit wahrscheinlich auch ein breites Angebot von fremden Anbietern, was sich für den Kunden nachteilig auswirken wird.

Von: Felix Hannemann/Iris Bülow

Quelle: Das Investment

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