SJB | Korschenbroich, 29.07.2015. Dieter Rauch gilt als Vorkämpfer der Honorarberatung der ersten Stunde. Warum die Regulierung unzureichend ist und welche Faktoren den Trend zur Honorarberatung begünstigen, erläutert der Geschäftsführer des Verbunds Deutscher Honorarberater (VDH GmbH) im Interview mit DAS INVESTMENT.
DAS INVESTMENT: Sie haben gerade eine Honorarberater-Konferenz in Hamburg durchgeführt. Was ist Ihr Fazit?
Dieter Rauch: Wir verzichten auf die üblichen Vorträge, sondern setzen ganz auf Expertendiskussionen und einer hohen direkten Beteiligung der Teilnehmer. Themen waren einerseits die Entwicklung der Honorartarife im Markt und andererseits tragfähige neue Geschäftsmodelle. Das Format kommt sehr gut an. Fazit ist, dass es noch viel zu tun gibt.
Zum Beispiel?
Wir brauchen eine echte Bezeichnungspflicht der einzelnen Vermittlertypen, um den derzeitigen Wildwuchs zu beenden. Der neue Honorarfinanzanlagenvermittler über Paragraf 34h der Gewerbeordnung trägt eher noch zur Verwirrung beim Kunden bei.
Kaum jemand hat sich nach Paragraf 34h registrieren lassen. Woran liegt das?
Der 34h bringt leider keine Vorteile gegenüber dem 34f. Er bringt aber auch keinen Nachteil, daher appellieren wir an die Berater, sich für den 34h zu entscheiden. Gleichzeitig treten wir für eine weitere Bezeichnungspflicht ein. Die einen leben von Provision und sind Finanzanlagenvermittler. Die anderen sind Honorar-Finanzanlageberater und leben von Honorar. Solange es hier eine klare Trennung nicht gibt, wird der 34h das gleiche Schicksal erleiden wie der 34e, der auch keine großen Vorteile gegenüber dem 34d besitzt. Der Verbraucher kann das einfach nicht unterscheiden.
Inwieweit sind Mischmodelle in der Praxis eingeführt?
Wir sind gegen Mischmodelle. Seit 15 Jahren sehen wir Berater, die kein klares Geschäftsmodell haben und nach Gutdünken selbst entscheiden, welche Form der Vergütung gerade besser passt. Das ist nicht Sinn der Honorarberatung. Wir treten jedoch für eine Übergangsregelung ein, da es wenig praxisnah ist, den Bestand sofort komplett umzustellen. Das funktioniert wesentlich besser schrittweise, wenn ich einen Kunden neu berate oder einen Bestandskunden wieder berate.
Dazu muss der Kunde aber erst einmal überzeugt werden. Unterhalb einer gewissen Vermögensgrenze ist das wohl nur schwer möglich?
Es wird immer gern bemüht, dass die Honorarberatung nur vermögende Kunden erreichen kann. Es trifft zu, dass vermögende Kunden leichter erreicht werden, weil der wirtschaftliche Vorteil meist größer ist. Aber in der Provisionsberatung zahlen alle Kunden extra, das ist ihnen nur nicht klar. Sie dürfen allerdings nicht gleich mit einem Honorar-Stundensatz um die Ecke kommen. Den Kunden muss zunächst das alte Provisionssystem plakativ erklärt werden, dann werden die Vorteile der Honorarberatung deutlich und der Erfolg bei 90 Prozent der Kunden ist vorgezeichnet. Sie müssen die Hintergründe mitliefern.
Brauchen wir eine Gebührenordnung für Honorare?
Es gibt keine, weil der Markt entscheiden soll. Das tut er auch, egal ob Provision oder Honorar. Man muss allerdings Wettbewerbsgleichheit schaffen, etwa bei der Umsatzsteuer, die auf Honorare anfällt, auf Provisionen hingegen nicht. Und wir brauchen eine klare Definition zu den Modellen, damit nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Leider gibt es Auswächse in der Honorarvermittlung. Da werden etwa bei Fondspolicen mit ETFs den Kunden 8 Prozent der Beitragssumme als Honorar abgenommen. Das hat nichts mit einem Honorarmodell zu tun. So etwas schadet der Honorarberatung, dem Berater und dem Verbraucher. In unseren VDH-Leitlinien haben wir festgelegt, dass ausschließlich Zeit und Know-how vergütet werden und keine Vermittlungsleistung.
Wie lassen sich Berater überzeugen?
Das Modell eines Provisionsberaters ist auf permanent neuen Umsatz ausgelegt. Wir bieten einen Rechner an, mit dem Berater ihre Geschäftskennzahlen analysieren können. Im Schnitt stehen etwa zehn Stunden bei einem angenommenen Stundensatz von 150 Euro zur Verfügung, um einen Neukunden auskömmlich zu beraten. Doch die laufende Vergütung ist viel zu gering, um einen nachhaltigen Service aufrechtzuerhalten. Rechnerisch wäre nur eine halbe Stunde pro Jahr für die Betreuung pro Kunde übrig. Mit jedem Neukunden wird also der Bestandskunde mit subventioniert. Wer sich das klar macht, begreift schnell, dass mit seinem Vergütungsmodell irgendetwas nicht stimmt und wird aufgeschlossen für Alternativen.
Genügt die Produktpalette an Nettotarifen den Anforderungen an eine große Auswahl und Qualität?
Es gibt noch Baustellen insbesondere in der PKV, wo es nur zwei Anbieter von Honorartarifen gibt, das ist nicht ausreichend. In allen anderen Bereichen können Sie heute mit jedem Maklerversicherer arbeiten. Wir setzen aktuell etwa 25 Millionen Euro bezahlten Jahresbeitrag um. Multiplizieren Sie das mit 20 und Sie erhalten Beitragssummen, die für Versicherer interessant sind. Vor fünf Jahren mussten sie über Honorarberatung als solche noch schwer mit Maklern und Beratern diskutieren. Heute hingegen ist sie etabliert, nun wird eher über die bestmögliche Einführung und Umsetzung diskutiert.
Wie viele Berater gibt es Ihrer Ansicht nach in Deutschland, die ausschließlich oder teilweise Honorarberatung anbieten?
Ohne die erwähnten ominösen Honorarvermittlungsmodelle schätzen wir die Zahl auf etwa 2.000 Personen, die nicht ausschließlich, aber überwiegend Honorarberater sind. Bei uns im VDH sind derzeit 564 Unternehmen angeschlossen. Dort agieren etwa 1.550 Berater. Unsere Prognose: Spätestens in 5 bis 10 Jahren sind Provisionen ein Relikt der Vergangenheit, denn wir leben nicht auf einer Insel und der Trend in den EU-Ländern geht deutlich in Richtung Honorar. In den USA liegt der Anteil der Honorarberatung bei 70 Prozent, dort hat man aber auch 30 Jahre Vorsprung. Wir haben erst vor 15 Jahren begonnen, das Modell zu entwickeln.
Was kommt als Nächstes?
Wir erkennen, dass viele Anbieter auch von Seiten der Pools in die Honorarberatung einsteigen, sich aber nicht vom Produktdenken lösen können. Auf die eigentliche Beratungsleistung wird kaum fokussiert. Daher haben wir ein CRM-System entwickelt und schalten dies für unsere Berater im August frei. Damit versetzen wir den Berater in die Lage, über die digitale Technologie das Honorarmodell noch einfacher umzusetzen. Die Prozesse werden verschlankt und die Honorare können automatisiert abgewickelt werden. Wir starten damit ab 17. August 2015 und werden dann neben den vorhandenen Honorarprodukten und der vollständigen Beratungstechnologie, auch die komplette Kundenverwaltung bis hin zur Buchhaltung bereitstellen können. Wir wollen quasi die Datev für den Honorarberater sein. Natürlich ohne Gebühren für die uns angeschlossenen Unternehmen.
Von: Oliver Lepold
Quelle: DAS INVESTMENT.