Das Investment: Hüfners Wochenkommentar: Griechenland ist nicht alles

sjb_werbung_das_investment_300_200 SJB | Korschenbroich, 09.07.2015.Ein Grexit fügt der europäischen Gemeinschaftswährung zwar Schaden zu. Eine Katastrophe und Grund für einen Crash ist er aber nicht, sagt Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assénagon Asset Management.

Die Märkte reagieren wieder einmal widersprüchlich. Wenn es allein nach Griechenland ginge, dann müsste man Aktien schleunigst verkaufen. Eine Einigung zwischen Athen und Brüssel ist nach der Volksabstimmung so weit entfernt wie nie. Ein Grexit, also ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro, wird immer wahrscheinlicher.

Schaut man sich aber die tatsächliche Entwicklung der Märkte an, so halten sie sich überraschend gut. Am Montag nach dem Referendum ist der Dax zunächst um 300 Punkte eingebrochen, hat sich aber dann sehr schnell wieder um 100 Punkte erholt. Der Euro-Wechselkurs hat sich kaum bewegt.

Die Botschaft, die ich daraus ableite ist: Die Ereignisse in Griechenland sind für die Entwicklung der Aktienmärkte zwar wichtig. Sie sind aber nicht alles. Sie sind vielleicht nicht einmal das größte Thema, für das sich ein mittel und langfristig orientierter Investor interessieren sollte. Schauen wir uns das etwas genauer an.

„Lehman zum Quadrat“

Griechenland ist etwas für Crash-Propheten. Der amerikanische Ökonom Barry Eichengreen (der normalerweise eher zu den überlegteren Ökonomen zählt) befürchtet bei einem Grexit ein „Lehman zum Quadrat“. Er hat damit erhebliche Schlagzeilen gemacht.

Richtig ist, dass ein Grexit ein Stich in das Herz Europas ist. Er verletzt die Unverbrüchlichkeit der Gemeinschaftswährung. Es könnte vorbei sein mit der Stabilität der Wechselkurse. Die Devisenmärkte könnten überlegen, wer möglicherweise der nächste ist, der die Währungsunion verlassen könnte und gegen diesen spekulieren. Europa könnte von seinem Appeal verlieren, den es als neues Modell der friedlichen Zusammenarbeit zwischen Staaten weltweit genießt, auch auf den Finanzmärkten. Manch einer könnte sich abwenden.

Eine Katastrophe und Grund für einen Crash ist das aber nicht. Für die Realwirtschaft spielt Griechenland nur eine geringe Rolle. Es macht weniger als 2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Euroraums aus (siehe Grafik). In absoluten Größen ist sein Bruttoinlandsprodukt nur wenig größer als das Oberbayerns und Niederbayerns zusammengenommen.

Für die Finanzwirtschaft ist die Bedeutung etwas größer. Es gibt eine Reihe von US-Investoren (auch Hedge-Fonds), die in der Hoffnung auf positive Ergebnisse der Reformpolitik in Europa investiert haben. Wenn sie enttäuscht werden, können sie wieder gehen. Es gibt auch viele Fluchtgelder aus Griechenland, die zurückgezogen werden könnten.

All das könnte an manchen Märkten Verwerfungen hervorrufen (nicht zuletzt an einigen Immobilienmärkten). Was die Fluchtgelder betrifft, so glaube ich freilich nicht, dass sie so schnell wieder nach Athen zurückkehren. Ihre Eigentümer werden bei einem Grexit eher von der Aufwertung des Resteuros profitieren wollen.

Trotzdem: Aus Sicht Griechenlands sind in den nächsten Wochen und Monaten eher schlechte Nachrichten zu erwarten. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Es gibt daneben auch noch das weltwirtschaftliche Umfeld. Es sieht wesentlich freundlicher aus.

Geldpolitik im Lockerungsmodus

Die Weltkonjunktur befindet sich in einer soliden Aufwärtsbewegung. Sie schäumt nicht über. Sie droht aber auch nicht in die Rezession zu fallen. Das gilt vor allem für Europa und die USA. Das hilft den Gewinnen der Unternehmen und stellt damit eine wichtige Stütze der Aktienmärkte dar.

Die Geldpolitik befindet sich weltweit immer noch im Lockerungsmodus. Letzte Woche hat Schweden die Leitzinsen noch einmal gesenkt (auf minus 0,35 Prozent). Die Europäische Zentralbank kauft jeden Monat Wertpapiere in Höhe von 60 Milliarden Euro. Keiner muss befürchten, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert. Die Inflation ist noch weit von irgendwelchen Stabilitätsrisiken entfernt. Auch das ist eine „sichere Bank“ für die Finanzmärkte.

Die Geldpolitik ist selbst in den USA noch sehr locker. Die Federal Reserve will zwar die Zinsen erhöhen. Sie wird dies aber nicht in einem Parforce-Ritt wie in den Jahren 2004 oder 1994 machen. Das wird sie nicht müde zu betonen. Maßvolle Zinserhöhungen sind in den Finanzmärkten jedoch längst „eingepreist“.

Wo es Gefahren gibt, ist in den Schwellen- und Entwicklungsländern. In China bricht gerade eine gigantische Aktien-Hausse zusammen. Regierung und Zentralbank versuchen verzweifelt, die Börsen zu stabilisieren und ein Übergreifen der Unruhe auf die Realwirtschaft zu verhindern. Andere Emerging Markets leiden unter schwachem Wachstum und strukturellen Fehlentwicklungen, die sich so schnell nicht beseitigen lassen. Die Probleme sind in den einzelnen Ländern jedoch sehr unterschiedlich, so dass eine generelle „Emerging Markets“-Krise wie in der Vergangenheit kaum zu befürchten ist.

Schließlich gibt es die politischen Probleme durch eine Verschärfung des Ost-West-Konflikts über die Grenzen der Ukraine. Sie sind für einen Ökonomen schwer einzuschätzen. Ich halte sie aber für wichtiger als einen Grexit.

Für den Anleger

Ich fange trotz der Eskalation in Griechenland wieder an, über Nachkäufe an den Aktienmärkten nachzudenken. Der DAX befindet sich derzeit etwa in der Mitte zwischen dem Höchststand am 9. April und dem Tiefstand zu Jahresbeginn. Die Kurse können gemessen am DAX vielleicht noch auf 10.500 oder 10.000 zurückfallen. Dann wären die Risiken aber eingepreist. Dann könnte sich der Markt wieder stärker an konjunkturellen und monetären Faktoren orientieren.

Von: Martin Hüfner

Quelle: DAS INVESTMENT.

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