SJB | Korschenbroich, 08.07.2015. Chinesische Aktien fahren Achterbahn: Nachdem sich die Kurse an der Börse Shanghai innerhalb von nur einem Jahr mehr als verdoppelten, stürzen sie seit knapp vier Wochen ungebremst in die Tiefe. Wir haben uns angesehen, was das mit den größten China-Fonds gemacht hat.
Was ist los an Chinas Aktienmarkt?
„Jetzt in China-Aktien investieren: Der Drache breitet die Flügel aus“, trommelte teleboerse.de vor knapp 10 Monaten (am 30. August 2014) für chinesische Aktien. Damals blickte der Shanghai A Index (offiziell SSE A Share Index) auf magere vier Jahre zurück, in denen er langsam aber stetig von 3.300 auf fast 2.000 Punkte abbröckelte.In den folgenden knapp 10 Monaten schoss der Index 130 Prozent nach oben. Der Wert aller chinesischen Aktien zusammengenommen überschritt dabei erstmals die 10-Billionen-Dollar-Marke (im Vergleich: Deutschland 1,9 Billionen-Dollar).
Am 12. Juni dieses Jahres erreichte der China-Index seinen bisherigen Höchststand bei 5.410 Punkten, um anschließend innerhalb von nur drei Wochen um fast 30 Prozent auf aktuell 3.900 Punkte abzustürzen.
Welche China-Aktien waren von Rally und Crash betroffen?
Das rasante Auf und Ab fand an Chinas Inlandsbösen in Shanghai und Shenzhen statt. An der Börse in Hongkong blieb es ruhig (siehe Grafik). Durchgeschüttelt hat es vor allem Aktien, die in chinesischer Währung notieren und mehrheitlich von Chinesen selbst ge- und verkauft werden: die sogenannten A-Aktien. Bei den von ausländischen Investoren uneingeschränkt handelbaren B-Aktien fielen die Ausschläge nicht ganz so stark aus. Im Aufschwung besonders gefragt waren kleinere Unternehmen aus den Wachstumsbranchen IT oder erneuerbare Energien.
Wie kam es zu dem starken Kursanstieg und dem tiefen Fall?
Die Rally wurde vor allem von chinesischen Privatanlegern getrieben, die nach stark gestiegenen Immobilienpreisen den Aktienmarkt für ihre Geldanlege entdeckt, in Scharen neue Wertpapierdepots eröffnet und sich massiv mit Aktien eingedeckt haben. Zwar öffnet China auch den A-Aktienmarkt mehr und mehr für ausländische Investoren, doch an Chinas Börsen gelistete Aktien befinden sich immer noch zu 90 Prozent in den Händen privater Sparer.
Diesen wird eine gewisse Zockermentalität nachgesagt. Aktien sind für die meisten keine langfristige Geldanlage. Schnell und viel kaufen und ebenso schnell wieder raus, um Gewinne einzustreichen: Dies ist wohl der Hauptgrund für die Achterbahnfahrt an den Chinas Börsen. Auch wenn Chinas Zentralbank das etwas anders sieht: Sie macht die US-Bank Morgan Stanley für den Kurssturz verantwortlich, weil sie nach ihrem jahrelang positiven Ausblick für chinesische Aktien plötzlich lauthals zum Verkauf geraten hatte.
An welchen China-Börsen suchen Manger der in Deutschland erhältlichen China-Fonds nach Aktien?
In Deutschland können Anlegern mittlerweile aus über 100 China-Aktienfonds wählen. Für viele ihrer Manager kommen Aktien infrage, die an den Börsen Hongkong, Shanghai oder Shenzhen gelistet sind. Viele können mittlerweile sowohl A- als auch und B-Aktien ins Portfolio nehmen. Einige erweitern ihre Anlageuniversum um Aktien aus von China beeinflussten Ländern (Großchina) wie Taiwan (Republik China), Singapur oder sogar Thailand, Malaysia und Indonesien. Andere wählen auch Aktien nicht-chinesischer Firmen, die aber einen Großteil ihres Umsatzes in China erwirtschaften, aus.
Wie hoch welche Aktienmärkte gewichtet sind, geht aus den Fondsdokumenten der Anbieter oft nicht eindeutig hervor. Beim über 3 Milliarde Euro schweren Invesco Greater China Equity Fund machen Aktien von Chinas Inlandsbörsen aktuell (Factsheet Stand 31. Mai 2015) zum Beispiel rund 56 Prozent des Portfolios aus, Taiwan und Hongkong sind mit rund 25 beziehungsweise 19 Prozent gewichtet.
Inwieweit waren in Deutschland zugelassene China-Aktienfonds von den Kurskapriolen betroffen?
Klar ist: Je stärker ein China-Fonds in Aktien der Börsen Shanghai und Shenzhen engagiert war, desto stärker hat es ihn in den vergangenen Monate durchgeschüttelt.
Wir haben uns die 27 größten China-Aktienfonds (mit mehr als 500 Millionen Euro Fondsvolumen) aus den Kategorien Aktienfonds All Cap China, Aktienfonds All Cap Großchina und Aktienfonds Large Cap China angesehen. Auf der folgenden Seite finden Sie eine interaktive Grafik, die die Performance der Fonds im laufenden Jahr, im Zeitraum des Crashs an den chinesischen Börsen und über drei Jahre zeigt.
Die interaktive Grafik zeigt die Performance der Fonds im laufenden Jahr, im Zeitraum des Crashs an den chinesischen Börsen und über drei Jahre sowie das Fondsvolumen (klicken Sie auf die Reiter über der Grafik).
Grafik lässt unter anderem folgende fünf Schlüsse zu:
1. Die 27 analysierten China-Aktienfonds liegen in Sachen Performance seit Jahresanfang nicht allzu weit auseinander. Zwar klafft zwischen dem Spitzenreiter db x-trackers CSI300 und dem Schlusslicht Aberdeen Chinese Equity einen Rendite-Lücke von knapp 20 Prozent. 18 der 27 Fonds – vom HSBC GIF Chinese Equity bis zum Lyxor China Enterprise – liegen jedoch in einer Renditespanne von knapp 8 Prozent (19,6 bis 27,3 Prozent).
2. Spitzenreiter in Sachen Performance seit Jahresbeginn ist ein ETF der Deutschen Bank auf den China Securities Index 300 (CSI 300). Das ist keine Überraschung, enthält der Index doch die 300 größten an den Börsen Shanghai oder Shenzhen gelisteten Unternehmen und deckt damit genau den Markt ab, der in den vergangenen Monaten Schauplatz der großen China-Rally war. Der db x-trackers CSI300 war übrigens der erste Indexfonds Europas, der Anlegern einen direkten Zugang zu Chinas A-Aktien bot.
3. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass genau dieser Fonds in den vergangenen Wochen mit Abstand am stärksten gefallen ist (minus 16,5 Prozent vom 10. Juni bis 2. Juli), deckt der ETF doch quasi das Epizentrum des chinesischen Aktiencrashs ab.
4. Insgesamt haben die analysierten China-Aktienfonds in den vergangenen Wochen weniger verloren, als man angesichts der Entwicklung der chinesischen Börsen hätte erwarten können. Im Schnitt haben die Fonds vom 10. Juni bis 2. Juli rund 4 Prozent an Wert eingebüßt, beim Shanghai A Index steht hingegen ein Minus von rund 23 Prozent zu Buche. Das heißt: Entweder bedienen sich die Fonds grundsätzlich weniger der an Chinas Inlandsbörsen notierten Aktien, oder sie haben sich rechtzeitig von diesen Papieren getrennt.
5. Auffällig ist, dass scheinbar kein Zusammenhang zwischen der Performance seit Jahresbeginn und der Entwicklung während des Aktiencrashs besteht. Der naheliegende Verdacht, dass Fonds, die von der Rally besonders stark nach oben getrieben auch am stärksten vom anschließenden Crash nach unten gedrückt wurden, bestätigt sich nicht. Bestes Beispiel: der UBS China Opportunity. Er liegt seit Jahresbeginn mit 36 Prozent im Plus (Platz 2) und hat im Zeitraum des Crashs lediglich 1,8 Prozent an Wert eingebüßt. Auf Sicht von drei Jahren führt der UBS-Fonds sogar die Performance-Liste der 27 größten China-Fonds an.
Von: Felix Hannemann
Quelle: DAS INVESTMENT.