SJB | Korschenbroich, 06.05.2015. Rund 250 Teilnehmer trafen sich zwei Tage in Wien, um über aktuelle Fragen der Finanzplaner-Zunft zu debattieren. Die anstehende Regulierung über Mifid II, Fragen der Unternehmensnachfolge und neue Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie der Anleger gehörten zu den Themen des Forums. DAS INVESTMENT unterstützte die Veranstaltung als Medienpartner.
„Wir haben die Programmpunkte aufgrund des Feedbacks der letzten Veranstaltung und einer Umfrage unter Zertifikatsträgern ausgewählt“, sagte Otto Lucius, Veranstalter des 2. Finanzplaner Forums Österreich. Eingeladen waren hochkarätige Referenten von Aufsichtsbehörden, aus Wissenschaft und dem Vermögensmanagement von Banken und freien Finanzdienstleistern.
Die Auftaktrede hielt Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck (ein Onkel des Oscar-Regisseurs) zum Thema „Reich werden auf die gute Art“. Sein gleichnamiges Buch mit dem Untertitel „Vermögenstipps eines Geistlichen“ erhielt eine kirchliche Druckerlaubnis, nachdem der vom Verlag zunächst gewünschte Titel „Cash mit Gott“ geändert wurde. Der heute 72-Jährige war von 1999 bis 2011 Abt des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz.
Der Altabt, der nach einigen Jahren als Logistikmanager in der Wirtschaft mit Mitte 30 ins Kloster ging, erzählte kurzweilig und kenntnisreich über seine Erfahrungen als Troubleshooter bei in wirtschaftliche Turbulenzen geratenen Kirchenabteilungen. Auch seine Erkenntnisse über die Ethisierung von Kapitalanlagen und die damit verbundenen Abgrenzungsprobleme fanden großes Interesse. Zum Beispiel: „Darf man einen Hersteller von Kartonage, dessen Kartons in erster Linie für Zigarettenpackungen verwendet werden, in einem ethisch ausgerichteten Portfolio belassen?“, fragte der Altabt. Seine Antwort: Ja, denn auf den Packungen wird eindrücklich vor dem Nikotinkonsum gewarnt.
Mifid II: Neue Geschäftsmodelle entstehen
Claudia Parenti von der österreichischen Aufsichtsbehörde FMA brachte die Besucher auf den neuesten Stand in Sachen Mifid II und stellte die Auswirkungen in den drei Themenfeldern Produkte, Kundeninformationen und „best advice“ vor. Ein Kernpunkt der Regulierung ist dabei die Abgrenzung in unabhängige und nicht-unabhängige Beratung und die zugehörigen Anforderungen bei der Kundeninformation und der Streuung der Produktpalette in Bezug auf Emittenten und Anbieter.
Der sogenannte „technical advice“ der europäischen Aufsichtsbehörde ESMA zur Mifid II liegt nun vor, die Europäische Kommission kann diese Leitlinien aber bis zum Herbst noch in vielen Details anpassen. Die entscheidenden „delegierten Rechtsakte“ werden zum dritten oder vierten Quartal 2015 erwartet. Zum 3. Januar 2017 wird die Mifid II in Kraft treten.
Zuvor hatte bereits Klaus Kumpfmüller von der österreichischen Aufsichtsbehörde FMA über die Preisgestaltung der Beratung nach Mifid II berichtet. In Bezug auf den erweiterten Rechtsrahmen der Honorarberatung hatte die FMA in Brüssel angeregt, insbesondere für kleine mittelständische Betriebe die künftig verlangte rechtliche Trennung zwischen Provisions- und Honorarberatung nicht zu aufwändig zu gestalten. „Der Grundsatz der Proportionalität fand hier jedoch leider keinen Eingang in die Empfehlungen der ESMA“, bedauerte Kumpfmüller.
Chance für die Honorarberatung?
Laut dem FMA-Chefdirektor darf man davon ausgehen, dass ab einer Veranlagung von 10.000 bis 20.000 Euro die Honorarberatung in Österreich eine Alternative darstellen wird. Allerdings sei dazu noch einiges an Bewusstseinsbildung bei den Kunden notwendig, die immer noch überwiegend der Ansicht seien, Beratung habe nichts zu kosten.
Das höhere Transparenzniveau insbesondere bei den Kosten für die Beratung werde dazu führen, dass sich die Geschäftsmodelle anpassen werden. Ein großes Themenfeld mit vier Vorträgen und einer Diskussionsrunde beschäftigte sich dazu mit der Frage Provisionsberatung vs. Honorarberatung. Hier wurden auch die Erfahrungen aus Großbritannien miteinbezogen.
Weitere Vorträge thematisierten unter anderem Behavorial Finance im Asset Management (Gökhan Kula von Myra Capital und Markus Schuller von Panthera Solutions) und fokussierten auf verhaltensökonomische Erklärungen für das Phänomen, dass Anleger wider besseren Wissens den Empfehlungen ihrer Berater nicht folgen – das sogenannte Problem der letzten Meile (Professor Andreas Hackethal von der Goethe Universität Frankfurt). Hans Mitterhuber, RLB Oberösterreich, und Elisabeth Günther von der Schoellerbank präsentierten ein umfassendes Dossier zur Unternehmensnachfolgeberatung, das sowohl eine Systematik als auch die wesentlichen Stolpersteine herausarbeitete.
Die komplette Agenda der zweitägigen Veranstaltung hat das Finanz Planer Forum Österreich hier veröffentlicht. DAS INVESTMENT führte mit einigen der anwesenden Referenten vor Ort weiterführende Interviews und wird diese in den nächsten Wochen sukzessive online veröffentlichen.
Lunch mit Info
In der Mittagspause hatten Teilnehmer, die sich rechtzeitig angemeldet hatten, die Möglichkeit zum Lunch bei sogenannten „Thementischen“ im kleinen Kreis direkt mit den Experten von Produktgebern zusammenzutreffen. Hierzu zählten etwa die Aussteller Lacuna, Franklin Templeton oder CBB Software.
Die Teilnehmer erhielten für das hochkarätige Programm insgesamt 12 CPD-Credits. Certified Financial Planner haben im Rahmen ihrer Lizensierung die Pflicht sich regelmäßig weiterzubilden. Die Veranstalter der Finanz Planer Forums Österreich kündigten aufgrund der großen Nachfrage und des überzeugenden Feedbacks bereits eine Neuauflage für Mai 2016 an.
Eine weitere Finanzplaner-Veranstaltung findet am 9. Juni in kleinerem Rahmen in Wien statt. Das 1. Finanzplaner Forum Nord folgt am 23. Juni 2015 in Hamburg. In Stuttgart findet am 14. und 15. September schließlich das 1. Finanzplaner Forum Südwest statt. Eine rechtzeitige Anmeldung ist für alle Termine anzuraten.
Von: Oliver Lepold
Quelle: DAS INVESTMENT.