Ökoworld|Hilden, 16.04.2015.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles liebt klare Signale. Ihr jüngstes ist eine gemeinsame Initiative mit Entwicklungshilfeminister Dr. Gerd Müller und trägt den Namen „Gute Arbeit weltweit durch nachhaltige Lieferketten fördern“. Sozial- und umweltverträgliches Handeln in der globalen Warenproduktion soll während der deutschen G-7-Präsidentschaft zu einem Top-Thema der größten Industrieländer werden.
Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, fordert Nahles, müssten überall und weltweit gelten, und Müller sieht die Industrienationen in der Pflicht. Wolle man Hungerlöhne in Textilfabriken, Kinderarbeit, Müllhalden voll Elektronikschrott, vergiftete Flüsse als Folge weiterwachsenden Konsumhungers verhindern, müsse man fairen Handel politisch gestalten. Deshalb will die deutsche Arbeitsministerin den Dialog mit allen Beteiligten aus den Produktions- und Abnehmerländern suchen, um gemeinsam mit ganz konkreten Maßnahmen dafür zu sorgen, dass den international verbindlichen Arbeits- und Sozialstandards weltweit mehr Geltung verschafft wird.
Die Grünen und die Sozialisten sind in Frankreich vorangeprescht. Inspiriert durch die Werte der französischen Revolution – wie es in der Begründung heißt – haben sie einen Gesetzentwurf im Parlament eingebracht. Das „Gesetz über die Verpflichtung zur Wachsamkeit“ soll große Unternehmen verpflichten, bei allen Zulieferern auf die Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte und der internationalen Normen für Umweltschutz und Arbeitsrechte zu achten und die Kontrollmechanismen in detaillierten Konzepten verbindlich zu dokumentieren. Bei Verstößen sollen die Konzerne zivilrechtlich belangt werden können.
Klar, dass so etwas beim französischen Unternehmerverband Medef auf wenig Gegenliebe stößt und einige seiner Vertreter bis zur Weißglut treibt. Ein deutlicher Wettbewerbsnachteil für Frankreichs Wirtschaft sei eine derartige Vorschrift. Selbstverständlich seien hohe humanitäre und ökologische Standards in den Produktionsländern auch ihr Ziel. Eine derartige Gutmenschelei sei jedoch eine wirt-schaftliche Illusion und zudem eine unzulässige Gängelei der Unternehmen, die am Ende niemandem nutze und tatsächlich sogar zu einer Verschlechterung der Situation beitragen könne. Tatsächlich braucht es jedoch weder Computer noch Taschenrechner um zu erkennen, dass es oft nur wenige Cent sind, um die sich ein T-Shirt, ein Smartphone oder ein sonstiges Produkt verteuern würde, um in Ländern wie z. B. Indien, Bangladesh, Indonesien oder Vietnam menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Löhne zu ermöglichen und Umweltschäden durch Abwässer und Emissionen zu vermeiden.
Es ist erstaunlich, dass über 150 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei in der westlichen Welt und trotz des Kampfes vieler Nationen für die Menschenrechte – von der Magna Charta bis zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN – noch immer darum gestritten wird, ob ein Staat Unternehmen dazu zwingen darf, auf Zwangs- oder Kinderarbeit bzw. auf menschen- und umweltverachtende Produktionsweisen zu verzichten. Um es klar zu sagen: Selbstverständlich darf ein Gesetzgeber das tun. Er muss es sogar, um ein deutliches Signal zu setzen. Es ist geradezu zynisch und zudem auch Unfug zu behaupten, dass moderne Marktwirtschaft in einer globalisierten Welt nur funktioniere, wenn man, je nach Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft, menschen- und umweltverachtende Produktionsstrukturen akzeptiere und der Markt die Durchsetzung menschenwürdiger und umweltschonender Strukturen früher oder später automatisch herbeiführen werde. Auch Deutschland hat in seiner Vergangenheit oft erfahren, dass regulative Eingriffe erforderlich sind, weil der Markt letztendlich Verweigerer zu belohnen scheint. Man denke z. B. an die Sozialversicherung Bismarcks. Als Gesetz allgemeinverbindlich und verpflichtend eingeführt, hätte sie als Anregung, die soziale Situation der Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis zu verbessern, wohl keinen Erfolg gehabt. Geschadet hat es der industriellen Entwicklung Deutschlands nicht.
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